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Das Ende des Verbrennungsmotors und den damit verbundenen Emotionen steht fest. Bild: Illustration Simon Tanner / NZZ / Getty

Klima & Energie

Der Verbrennungsmotor ist nicht mehr zu retten – geben wir diese Illusion endlich auf

Synthetische Treibstoffe für Benzin- und Dieselmotoren sind noch kaum verfügbar. Wenn es davon genug geben wird, kommen zuerst der Flug- und der Schiffsverkehr zum Zug. Es braucht ein Umdenken.

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Der Verkehr soll im Sinne des Klimaschutzes weniger CO2 emittieren. Darum setzt die EU jetzt voll auf Elektromobilität. Von 2035 an soll es keine Neuwagen mit Emissionen mehr geben. Das wäre das Ende des Verbrennungsmotors mit seinem satten Klang und den damit verbundenen Emotionen. Einen Ausweg, weiterhin Verbrenner zu nutzen, könnten E-Fuels bieten. Doch bei genauem Hinsehen ist dieser Lösungsansatz unrealistisch.

An sich ist der Lösungsansatz gut. Man filtere Kohlendioxid aus der Luft und verarbeite es mit Windenergie und Wasser zu grünem Treibstoff. Was im Auto dann aus dem Auspuff kommt, ist zwar wieder CO2, jedoch nur in der Menge, die zuvor aus der Atmosphäre herausgeholt worden ist. In der Gesamtrechnung ist der Betrieb des Motors dann emissionsfrei – netto null.

Auch die Idee, die von einem Spin-off der ETH Zürich gepflegt wird, ergibt viel Sinn. Bei diesem Verfahren wird Sonnenenergie mittels Spiegelsystemen so gebündelt, dass sich aus der enormen Hitze direkt – also ohne den Umweg über Wind- oder Solarstrom – Treibstoff erzeugen lässt.

Damit wären E-Fuels also die Rettung für den geliebten Verbrennungsmotor, die damit verbundenen Wohlklänge und Vibrationen – und den Geruch nach Benzin und Diesel. Doch so einfach ist es gar nicht, denn bis jetzt gibt es kaum etwas von dem synthetischen Sprit. Und andere Verkehrsträger werden stärker darauf angewiesen sein als das Auto.

Fakt ist, dass die Bemühungen zur Herstellung namhafter Mengen synthetischer Treibstoffe noch im Anfangsstadium stecken. Die erste Musteranlage für E-Fuels in der windreichen Gegend Patagoniens bietet vorerst gerade genug, um eine Rennserie von Porsche zu versorgen. Da geht es um einige Fässer, mehr bis jetzt nicht. Immerhin, die Initiatoren der Firma HIF Global arbeiten an einer nächstgrösseren Anlage mit 500 Windrädern. Anschliessend sollen weitere Anlagen in Nordamerika und anderen Weltregionen aufgebaut werden. Dass dies nicht innerhalb von zehn Jahren gelingen wird, liegt nahe.

Der Grossteil der Emissionen entsteht auf der Strasse

Die Bemühungen der EU zur Reduktion der Verkehrsemissionen konzentrieren sich auf den Strassenverkehr. Das ist nachvollziehbar, wenn man auf die klare Verteilung der CO2-Emissionen in verschiedenen Verkehrssektoren blickt. Wie die europäische Umweltagentur 2022 für den EU-Raum ermittelt hat, entfielen 2018 knapp 72 Prozent aller Kohlendioxid-Emissionen auf den Strassenverkehr mit Pkw, Lkw, leichten Nutzfahrzeugen und Motorrädern. Mit 14 Prozent liegt der Schiffsverkehr in der EU deutlich tiefer, und auf die Zivilluftfahrt entfallen sogar nur 13,4 Prozent.

Elektrifiziert man die Antriebe, lassen sich Schadstoffe und Lärmemissionen erheblich verringern. Dies gilt auch für den Schwerlastverkehr auf der Langstrecke: Er kann immer häufiger mit batterieelektrisch angetriebenen Lkw absolviert werden.

Auch im Schiffsverkehr gibt es erste Bemühungen, die Schadstoffemissionen einzudämmen. Anstelle von Schweröl kommt immer öfter verflüssigtes Erdgas (LNG) zum Einsatz, was den CO2-Ausstoss reduziert. Doch auch LNG ist ein fossiler Brennstoff, und gerade davon will sich nicht nur die EU verabschieden.

Zwar gibt es auf der Kurzstrecke, etwa bei Fähren, bereits batterieelektrische Antriebe. Langstrecken können Schiffe nach dem Stand der Technologie jedoch noch nicht elektrisch bewältigen. Gewicht und Grösse der Akkus verhindern auf absehbare Zeit, dass sich der gesamte Schifffahrtssektor elektrifizieren lässt. Hier könnten synthetische Treibstoffe die geeignete Zwischenlösung für die kommenden dreissig Jahre bieten. Jedenfalls so lange, bis die Batterie- und Wasserstoff-Technologien auch auf dem Wasser Lösungen bieten.

Bei der Luftfahrt ist die Situation ähnlich wie bei der Langstrecken-Schifffahrt. Für Übersee- und andere Flüge über grosse Distanz gibt es derzeit und auch in näherer Zukunft noch keine emissionsfreie Antriebslösung. Versuche mit Batterieantrieb beschränken sich auf kurze Strecken, da die Akkus noch zu gross und schwer sind. Nur mit kleineren Flugzeugen und mehreren Zwischenstopps könnte man elektrisch von Europa in die USA fliegen. Diesen Aufwand nimmt niemand in Kauf. Mit E-Fuels wäre aber ein netto emissionsfreier Luftverkehr auch auf längeren Strecken ohne Zwischenhalt möglich, sogar die einzige Alternative.

Als Alternative zu den E-Fuels wird immer wieder Wasserstoff (H2) genannt. Sei es als Sprit für die Erzeugung von Strom in mitgeführten Brennstoffzellen oder gar als eigentlicher Treibstoff im Verbrennungsmotor. Die Entwicklung ist hier insbesondere in der Mobilität auf der Strasse bereits weit gediehen. Woran es fehlt, sind auch hier genügende Mengen an nachhaltig hergestelltem Wasserstoff.

Kritisiert wird beim H2 oft der geringe Wirkungsgrad: Bis die Energie zum Antrieb von Verkehrsmitteln genutzt werden kann, geht ein grosser Teil der anfangs eingesetzten Energie in Abwärme, Kühlung und Lagerung verloren. Dies gilt in noch höherem Mass für die E-Fuels, denn für eine emissionsfreie Verwendung muss vorher CO2 aus der Atmosphäre gefiltert werden. Warum also nicht den Strom direkt in Batterien speichern und als Antriebsenergie verwenden?

Batterie-Elektroantrieb hat das grösste Entwicklungspotenzial

Aus diesen Gründen leuchtet es ein, warum man sich für den Umbau vor allem der individuellen Mobilität in Richtung Batterie-Elektroantrieb entscheidet. Dies ergibt umso mehr Sinn, als sich die Entwicklungspotenziale der verschiedenen Antriebsarten deutlich unterscheiden. Der Verbrennungsmotor befindet sich seit mehr als hundert Jahren in der Entwicklung und ist – konservativ geschätzt – zu 70 Prozent ausgereizt und optimiert. Neue Einspritz- und Brennraumentwicklungen können die Effizienz noch steigern, aber der Zenit der Entwicklung von Verbrennungsmotoren ist längst überschritten.

Beim Wasserstoffantrieb ist noch mehr möglich. Die Effizienz von Drucktanks zur Lagerung des H2 im Fahrzeug ist noch genauso wenig optimiert wie die Wirkungsweise von Brennstoffzellen. Insbesondere in den Bereichen Luftfahrt und Schifffahrt gibt es für Kurz- und Mittelstrecken hier deutlich mehr Entwicklungspotenzial als bei den Verbrennungsmotoren.

Am meisten Luft nach oben hat der Elektroantrieb in Verbindung mit Batterien. Die Zellchemie befindet sich derzeit in einem vergleichsweise hohen Entwicklungstempo. Es werden immer neue Anoden- und Kathodenmaterialien innerhalb der Zellen erforscht, die zur Erhöhung der Effizienz von Leistung und Aufladbarkeit führen. Immer weniger kostbare Rohstoffe kommen dabei zum Einsatz – man denke etwa an kobaltfreie Batterien, die bis 2025 zur Verfügung stehen sollen. Reichweiten werden immer länger, Ladezeiten immer kürzer. Bereits in fünf bis zehn Jahren soll das Aufladen einer Antriebsbatterie im Auto von 10 auf 80 Prozent so schnell gehen wie das Auffüllen eines durchschnittlichen Benzintanks im Fahrzeug mit Verbrennungsmotor.

Ein entscheidender Faktor ist zudem der Preis für die Energie. Trotz steigenden Strompreisen kostet die Füllung eines Akkus im Auto heute im Schnitt rund 40 Prozent weniger als ein Auffüllen des Benzintanks, wie der Mobilitätsdienstleister The Mobility House errechnet hat. Die Preise für E-Fuels liegen heute – also noch im Anfangsstadium der synthetischen Treibstoffe – bei rund 4 Euro pro Liter. Mit zunehmender Skalierung könnte bis 2050 ein mit dem heutigen Benzin und Diesel vergleichbarer Preis erzielt werden, wie die Interessenvereinigung E-Fuel Alliance schätzt.

Für den breiten Einsatz in Luft- und Schifffahrt wären solche Preise noch zu hoch. Derzeit kosten Kerosin und Schiffsdiesel deutlich weniger. Bekommen CO2-Emissionen jedoch einen hohen Preis im Sinne einer Lenkungsabgabe, könnte Netto-null-berechnetes E-Fuel für die nach Treibstoff dürstenden Flugzeuge und Schiffe sehr attraktiv werden.

Auch aus diesem Grund werden die in den kommenden Jahrzehnten hergestellten Mengen von synthetischem Treibstoff in erster Linie von Luft- und Schifffahrt abgenommen werden. Dies ist schon aufgrund der geltenden EU-Regeln zwingend erforderlich. Denn bereits ab 2025 dürfen Flugzeuge von europäischen Flughäfen nur noch abheben, wenn auch nachhaltige Kraftstoffe im Tank sind. Damit will die EU den Luftverkehr entsprechend klimaschonender machen.

Schliessen wir also besser mit dem Thema Verbrennungsmotor bei Autos und Motorrädern bis spätestens 2035 ab. Ab dann wird es gemäss EU-Vorschriften nur noch Neuwagen zu kaufen geben, die emissionsfrei fahren. Zwar ist dann der Betrieb mit E-Fuels zugelassen, aber es wird kaum etwas davon bis zur Tankstelle für Autos und Lkw schaffen. Bestenfalls dürfte noch der Motorsport geringe E-Fuels-Mengen zugeteilt bekommen, zu einem wenig attraktiven Preis. Im Sinne der Technologieoffenheit ist es sinnvoll, die Produktion von synthetischem Treibstoff auf immer grössere Anlagen auszuweiten. Für den Autoverkehr mit Verbrennungsmotoren werden E-Fuels jedoch keine Bedeutung haben.

Herbie Schmidt, «Neue Zürcher Zeitung» (12.09.2023)

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