Logo image
Foto: Adobe Stock

In Unternehmen herrscht noch vielfach Verwirrung darüber, was mit ESG und CSR genau gemeint ist. Foto: Adobe Stock

Wirtschaft Partner Inhalt: Berner Fachhochschule

«Nachhaltigkeit stärkt die Innovationskraft»

Die nachhaltige Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft ist leicht gesagt und schwer getan. Professor Dr. habil. David Risi von der Berner Fachhochschule (BFH) erklärt im Interview, welche Rolle dabei Druck von aussen und Motivation «von innen» spielen.

6

Teilen
Link kopieren LinkedIn
Hören
Logo image

«Nachhaltigkeit stärkt die Innovationskraft»

Teilen
Link kopieren LinkedIn
Hören

5 Min.  •   • 

Design ohne Titel - 2024-07-12T145156.627.png

Prof. Dr. habil. David Risi

Es ist noch ein recht junges Fachgebiet im akademischen Umfeld: «Responsible Management». An der Berner Fachhochschule (BFH) gibt es die gleichnamige Forschungsprofessur seit 2020, sie wurde eigens mit der Berufung von David Risi im Fachbereich Wirtschaft am Institut Sustainable Business neu eingerichtet. Dieses Institut deckt drei Schwerpunktthemen ab: Kreislaufwirtschaft, soziale Innovationen und Corporate Responsibility. Risi beschäftigt sich mit der Rolle von Unternehmen im Transformationsprozess zu einer wertorientierten und nachhaltigen Wirtschaft. Mit seiner Professur sind weniger Lehrverpflichtungen verbunden, sodass er mehr Zeit in die Forschung investieren kann. Risi promovierte und habilitierte an der Universität St. Gallen und forschte unter anderem an der Said Business School der Universität Oxford, die zu den Top-5-Finanzfakultäten weltweit gehört. Seit 2024 lehrt Risi zudem als Privatdozent an der Universität St. Gallen. Aktuell beschäftigt er sich auch mit der Kreislaufwirtschaft und der Frage, wie Unternehmen dieses Konzept umsetzen.

Der Klimawandel ist ein globales Problem. Wo stehen Schweizer Unternehmen in puncto Nachhaltigkeit?

David Risi: In der Forschung werden häufig die Verhältnisse in zentraleuropäischen beziehungsweise deutschsprachigen Ländern mit jenen im angelsächsischen Raum, also in Grossbritannien und in den USA, verglichen. Diese Studien zeigen, dass angelsächsische Firmen tendenziell expliziter über ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten kommunizieren, als es in Zentraleuropa der Fall ist.

Was heisst das?

Im angelsächsischen Raum steht der Shareholder Value und somit die auf Aktionäre ausgerichtete Unternehmensführung stärker im Vordergrund. Daher wird auch explizit gegenüber Investoren dazu kommuniziert, beispielsweise in Geschäftsberichten. Bei uns in der Schweiz und in anderen deutschsprachigen Ländern ist der Anteil der familiengeführten Unternehmen und der KMU traditionell sehr hoch. Diese sind häufig stark in ihrem regionalen Umfeld verankert, üben ihre Verantwortung dort impliziter aus und sind viel weniger von Interessen ihrer Investoren getrieben. Doch bei global tätigen Konzernen wie etwa Nestlé sieht man inzwischen im internationalen Vergleich keinen grossen Unterschied mehr.

Was treibt derzeit Unternehmen bei der nachhaltigen Transformation am meisten um?

Wir sehen aktuell eine grosse Regulierungswelle auf nationaler und internationaler Ebene, insbesondere in der EU mit der neuen CSR-Direktive (CSRD), von der auch Schweizer Firmen betroffen sind. Dazu steigen die Anforderungen von Investoren an eine nachhaltige Unternehmensführung, sie üben zunehmend Druck auf Firmen aus. Auf diese Weise kommen von aussen grosse Herausforderungen auf die Wirtschaft zu. Viele Unternehmen sind unvorbereitet und sehen sich mit einer neuen Realität konfrontiert, was wiederum zur Verunsicherung beiträgt.

Einerseits handeln Unternehmen unter dem Druck regulatorischer Vorgaben. Andererseits praktizieren viele bereits seit Jahren auf freiwilliger Basis eine nachhaltige Unternehmensführung...

Genau mit diesen beiden Ansätzen und deren sinnvoller Ergänzung beschäftigen wir uns in unserer Forschung. Es geht um zwei unterschiedliche Konzepte der nachhaltigen Transformation: um ESG und CSR, um es in Kurzform zu sagen. Bei ESG fragt man nach den Auswirkungen von Unternehmen in den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance auf Mensch und Natur und arbeitet dabei mit Kennzahlen. Neue regulatorische Vorgaben im Schweizer Obligationenrecht oder die CSRD der EU fordern dies ein – und dienen den Unternehmen zugleich als Handwerkszeug, damit sie die Transformation meistern können. Hier werden also Anforderungen von aussen an Unternehmen herangetragen. Zum anderen gibt es das CSR-Konzept, also Corporate Social Responsibility, das für Werte des Unternehmens aufgrund einer intrinsischen Motivation steht. Hier kommt der Anstoss von innen.

In öffentlichen Debatten und in der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen werden diese Begriffe nicht immer trennscharf benutzt. Zudem gilt CSR häufig als reines Marketinginstrument, um das Firmenimage aufzupolieren. Wie sehen Sie das?

Heute dreht es sich bei CSR-Aktivitäten nicht mehr um die Frage, wie Unternehmen ihr Geld ausgeben und der Gesellschaft als Wohltäter oder Sponsoren quasi etwas zurückgeben. Vielmehr will man wissen, wie die Wirtschaft ihr Geld verdient – wie also soziale, ökologische und ethische Aspekte in die Geschäftsstrategie und -tätigkeit integriert werden, sodass diese Aspekte die Werte und die Identität eines Unternehmens widerspiegeln. Es gibt übrigens noch mehr Nachhaltigkeitsbegriffe als ESG und CSR. Doch diese beiden haben sich evolutionär als die prominenten Termini durchgesetzt.

Ist diese Trennung zwischen ESG und CSR denn noch relevant?

Tatsächlich herrscht beim Management in Unternehmen angesichts der gesetzlichen Vorgaben vielfach Verwirrung, was mit den Begriffen genau gemeint ist und was gefordert wird. Es ist daher wichtig, sich zunächst über die Historie der Begriffe Klarheit zu verschaffen. Beide ursprünglichen Konzepte sehen wir heute als komplementär.

Inwiefern?

ESG steht für eine regulatorisch getriebene Outside-in-Perspektive und CSR für eine Inside-out-Sichtweise. Bei CSR geht es um Zweck und Bestimmung eines Unternehmens für die Gesellschaft und um die Werte, an denen sich alle Geschäftsaktivitäten ausrichten sollen. Gemeint sind Werte wie Toleranz, Gleichbehandlung oder Fairness im Umgang miteinander und bei den Arbeitsbedingungen. Beispiele für CSR-Engagement wären der Konsumgüterkonzern Unilever oder der Outdoor-Spezialist Patagonia. Eine solche Wertorientierung muss vom Top - management kommen und von allen Mitarbeitenden gelebt werden. Es ist meines Erachtens unstrittig, dass beide Perspektiven zusammengebracht werden müssen und nur in Kombination eine nachhaltige Transformation gelingen kann. Denn allein auf freiwillige Selbstverpflichtung zu setzen, hat nachweislich nicht funktioniert.

Ohne klare Regeln und Sanktionsmöglichkeiten geht es also nicht?

So ist es. Aber allein der Kraft der Gesetzgebung zu vertrauen, reicht ebenfalls nicht aus. Das Management und alle Mitarbeitenden müssen auch davon überzeugt sein, dass es Sinn macht, diese Regeln zu befolgen – beispielsweise beim Thema Korruption. Man muss für den Veränderungsprozess alle mit an Bord holen, das gilt nicht nur für Unternehmen. CSR verleiht den ESG-Vorschriften mehr Sinn und Tiefe und gewährleistet ein echtes Engagement für Nachhaltigkeit. Umgekehrt bietet das ESG-Konzept einen Realitätscheck für CSR-Initiativen, indem sie deren Wirksamkeit in der Praxis überprüft. Kurzum: CSR und ESG ergänzen sich gegenseitig.

Die nachhaltige Transformation verursacht Kosten, die man nicht immer eins zu eins an Kunden weitergeben kann. Zulieferer im B2B-Geschäft beklagen, dass ihre Kunden nicht bereit seien, für nachhaltigere Produkte oder Dienstleistungen mehr zu zahlen. Offenbar will in der Lieferkette niemand den Anfang machen. Wie kann man diesen Teufelskreis durchbrechen?

Die Regeln des Wettbewerbs setzt der Staat. Die Schweiz ist da eher zurückhaltend. Das führt dazu, dass Unternehmen länger ihr «Business as usual» betreiben können, sodass sich die Transformation der Wirtschaft, die angesichts des Klimawandels notwendig ist, verzögert. Das hemmt wiederum Innovationen und dürfte auf längere Sicht auch zu Wettbewerbsnachteilen der Unternehmen führen. Nachhaltigkeit stärkt die Innovationskraft und ist Chefsache. An der Berner Fachhochschule, die sich selbst als nachhaltige Bildungsinstitution versteht, bieten wir daher spezifische Fortbildungen für Verwaltungsräte an. Da geht es um Wirtschaftsethik, juristische Aspekte, alle Facetten von ESG und CSR sowie um Nachhaltigkeitsberichterstattung. Transformation, also ein Wandel, beginnt immer im Kopf.

Deklaration: Dieser Inhalt wurde vom Sustainable Switzerland Editorial Team im Auftrag der Berner Fachhochschule (BFH) erstellt.

Werbung

Beliebteste Artikel

Empfohlene Artikel für Sie

Der Wachsende Druck der Wirtschaft
Wirtschaft

Druck auf die Wirtschaft wächst

 Mensch denkt über nachhaltigkeit
Gesellschaft

Nachhaltigkeitswissen bringt viele Vorteile

Titelbild von Stephan Lienin von Sustainserv
play button
Wirtschaft

Noch viel Luft nach oben

Ähnliche Artikel

Beim Thema Nachhaltigkeit haben viele Firmen Nachholbedarf. Regulatorische Vorgaben erfordern ein erweitertes Management und ein transparentes Reporting.
Wirtschaft

Nachhaltig managen: Neuer «Swiss Code» hilft auch KMU

https://pixabay.com/photos/books-education-school-literature-462579/
Gesellschaft

Nachhaltigkeit im Unternehmen wirksam vorantreiben

Foto: Adobe Stock
Wirtschaft

Nachhaltige Unternehmensfinanzierung im Fokus: Mit der richtigen Weiterbildung zum Sustainable Financing Expert