Lucienne Dauwalder, Sie unterstützen Unternehmen unter anderem mit Resilienzschulungen. Was ist Resilienz?
Stellen Sie sich einen Antistressball vor. Sie können ihn mit einer Hand klein zusammendrücken. Sobald Sie loslassen, nimmt er seine ursprüngliche Form wieder an. So funktioniert auch unsere psychische Widerstandsfähigkeit, die Resilienz. Wir erleben Belastungen, aber erholen uns wieder und wachsen oft sogar daran, je nach Lebensphase unterschiedlich gut. Die Forschung dazu geht zurück bis in die 1950er-Jahre. Heute spricht man meist von den sieben Säulen der Resilienz: Optimismus, Akzeptanz, Zukunftsorientierung, soziale Unterstützung, kognitive Flexibilität, Achtsamkeit und Selbstwirksamkeit.
Was zeichnet resiliente Menschen aus?
Sie gehen beispielsweise besser mit Stress um. Sie sind fähig, auch Unangenehmes zu akzeptieren, und lassen sich nicht von Dingen aus der Bahn werfen, die sie nicht ändern können. Sie gestalten ihr Leben aktiv, schauen positiv in die Zukunft und haben starke soziale Netzwerke. Das heisst aber nicht, dass sie deshalb keine schwierigen Zeiten erleben.
Kann ich mir diese innere Widerstandsfähigkeit aneignen?
Manche starten genetisch mit einem Vorsprung. Später prägen uns die Erfahrungen in der Kindheit und Jugend. Aber Resilienz kann man auch lernen und trainieren wie einen Muskel. Beispielsweise, indem man seine sozialen Beziehungen pflegt. Menschen, die das tun, sind nicht nur resilienter. Sie sind auch glücklicher, wie Resultate aus der Glücksforschung zeigen. Wer soziale Beziehungen stärkt, stärkt sich selbst, das Gegenüber und die Gesellschaft als Ganzes.
Wie kann ein Unternehmen seine Mitarbeitenden dabei unterstützen, resilienter zu werden?
Es gibt viele Möglichkeiten. Zum Beispiel Aufgaben nach Stärken verteilen, den Mitarbeitenden Einflussmöglichkeiten geben oder soziale Beziehungen untereinander fördern. Damit meine ich nicht das Feierabendbier, sondern den Schwatz an der Kaffeemaschine. Es braucht Interesse am Menschen, nicht nur an seinen Leistungen. Führungspersonen sind oft froh um unsere Tipps, wie sie gute Beziehungen zu ihren Mitarbeitenden aufbauen können, ohne persönliche Grenzen zu überschreiten.
Was umfasst ein Resilienztraining?
Die Massnahmen hängen von der Ausgangslage ab. Je nach Ressourcen und Wünschen eines Unternehmens kann ein Training im Sinne einer Sensibilisierung auch nur wenige Stunden dauern. Dann treffen wir unter den sieben Resilienzfaktoren eine Auswahl und fokussieren auf einzelne. Nachhaltiger ist es, das Thema über einen längeren Zeitraum zu bearbeiten. So haben die Mitarbeitenden mehr Zeit, das Gelernte zu üben und daraus mitzunehmen, was ihnen entspricht.
Was, wenn danach die Schuld an einem Burnout einseitig den Betroffenen zugeschoben wird?
Resilienztrainings dürfen kein Feigenblatt sein für eine ungünstige Organisation oder mangelhafte Führungspraktiken. Deshalb versuchen wir das Thema immer ganzheitlich anzugehen: Sind die Mitarbeitenden zufrieden? Was brauchen sie? Was kann der Betrieb beitragen? Massnahmen im Betrieblichen Gesundheitsmanagement sind dann am erfolgreichsten, wenn ein Betrieb bereit ist, wenn nötig Veränderungen einzuleiten.
Sind die Ergebnisse der Trainings messbar?
Ja, sie sind gut messbar. Studien belegen dies, auch für das betriebliche Gesundheitsmanagement als Ganzes. Mitarbeitende fallen deutlich weniger aus, sie sind zufriedener und produktiver. Das senkt die Kosten für Absenzen um bis zu 25 Prozent. Die Investition in die Gesundheit der Mitarbeitenden zahlt sich also aus.