Die Schweiz hat dabei eine nicht unwichtige Rolle gespielt, wie Akten zeigen, die sich im Bundesarchiv befinden und die hier erstmals ausgewertet werden. Die Eidgenossenschaft wirkte demnach als Geburtshelferin des Berichts in doppelter Hinsicht.
Denn der Bundesrat hätte den Club of Rome nicht nach Bern eingeladen und dafür 100 000 Franken ausgegeben, wenn ihm nicht jemand diese Idee schmackhaft gemacht hätte. Es handelte sich um den Schweizer Ingenieur Hugo Thiemann. Dieser wirkte damals in Genf als Direktor des Battelle-Instituts, dessen Hauptsitz sich in den USA befindet und das Auftragsforschung betreibt. Man kann es als eine Art Think-Tank bezeichnen.
Der spätere Nestlé-Manager Thiemann spielte in der Gründungsphase des Club of Rome eine bedeutende Rolle. Dem 1968 gegründeten Gremium schwebte eine grosse Untersuchung der drängenden, grossen Weltprobleme vor, und zwar auf der Basis neuer wissenschaftlicher Ansätze.
Doch um die Finanzen war es schlecht bestellt. Thiemann, in Genf gut vernetzt, stellte im Februar 1979 das Vorhaben Bundesrat Nello Celio vor, der nach Thiemanns Aussagen «enthusiastisch» reagiert habe. In einem Papier des Departements heisst es, der Club of Rome habe «überhaupt keinen politischen Charakter». Es handle sich um einen multinationalen «Club der Ideen».
Gruppe von Schönschwätzern
Im Bundesrat gab es deutliche Opposition gegen den Unterstützungskredit. Der Physiker Urs Hochstrasser, der das spätere Bundesamt für Bildung und Wissenschaft leitete, plädierte mehrmals dagegen. Er stellte den Club of Rome als Gruppe sich selbst überschätzender Schönschwätzer dar, die sich «aus gesellschaftlich exklusiven Kreisen» rekrutieren würden. «Dabei spielen offenbar wissenschaftliche Qualifikationen keine Rolle.»
Es lägen auch keinerlei Beweise vor, «dass seine Tätigkeit für die Öffentlichkeit von besonderem Nutzen» wäre. Niemand sei in Bern darauf angewiesen, von einem Debattierklub über die Probleme unserer heutigen Welt orientiert zu werden.
Doch aller Widerstand war vergeblich. Der Bundesrat bewilligte den Kredit. Der Club of Rome traf sich in Bern. Es wurde ein grosses Nachtessen ausgerichtet, an dem das damalige Who’s who der Schweizer Politik und Wirtschaft teilnahm. Keiner der Anwesenden ahnte, welches politische Erdbeben dieser angeblich unpolitische Debattierklub auslösen würde.
Der Club of Rome war damals zwei Jahre alt. Seine Gründung verdankt er Aurelio Peccei, einem italienischen Industriellen und Manager von Fiat und Olivetti, der über ausgezeichnete internationale Kontakte verfügte. Zunehmend beschäftigte sich dieser in den 1960er Jahren mit den grossen Fragen der Menschheit: Hunger, Unterentwicklung, Konflikte, Umweltprobleme, Bevölkerungswachstum.
Peccei hielt 1965 eine Rede in den USA über die sich auftürmenden Weltprobleme, die Aufmerksamkeit erweckte. Unter anderem meldete sich ein britischer Chemiker, Wissenschaftsdiplomat und Direktor bei der OECD namens Alexander King bei ihm. Zusammen heckten sie die Idee eines Treffens Gleichgesinnter aus, das dann am 6. und 7. April 1968 in Rom stattfand.
Wie der Grundsound in dieser Gruppe tönte, vermittelt das Referat, das Hugo Thiemann zwei Jahre später in Bern hielt. Trotz allen technologischen Fortschritten habe es die Welt nicht geschafft, die Ethik, die Institutionen und die Politiken zu entwickeln, die für das gute Funktionieren einer interdependenten Welt notwendig wären. Diese sehe sich bedroht von der eskalierenden Gefahr eines Nuklearkriegs, von einer Zunahme von Konflikten, von Hungersnöten, Überbevölkerung, Umweltzerstörung, Jugendprotesten, vom Zusammenbruch partizipativer Prozesse sowie von einer zunehmenden Ineffizienz und Erstarrung der Institutionen.
Die Welt befinde sich folglich in einer Fundamentalkrise, weshalb die bisherigen Lösungsansätze unwirksam seien. Das schrittweise Adressieren einzelner Probleme genüge nicht mehr. Ein umfassender Ansatz sei gefragt, der den Globus als Gesamtsystem verstehe.
Denken in Systemen
Das Denken in Systemen galt damals als neuster Trend in der Wissenschaft. Es entstanden Disziplinen wie Kybernetik, Operations Research, Systemanalyse und Ähnliches, die alle den Ansatz verfolgten, Problemlösung als Steuerung und Regelung komplexer Organisationen zu verstehen, so dass jede ergriffene Massnahme Rückkoppelungseffekte auf das Ganze auslöst. Mathematik und Statistik spielten dabei eine grosse Rolle. Diese Überzeugung sollte dem geplanten Bericht zugrunde liegen.
Das Gründungstreffen 1968 in Rom endete allerdings mit einem Misserfolg. Die Teilnehmer waren uneins und verliessen die italienische Hauptstadt ergebnislos. Doch Peccei und King trafen sich danach im kleinen Kreis und gelobten, dass sie weitermachen wollten. Der Schweizer Hugo Thiemann spielte dabei eine zentrale Rolle, weil er organisatorische Hilfe durch sein Battelle-Institut anbieten konnte. Er tat dies mit so viel Erfolg, dass es schliesslich zwei Jahre später zum Treffen in Bern kam, bei dem das erste konkrete Projekt auf die Startrampe gebracht werden sollte.
King und Peccei hatten den türkisch-amerikanischen Professor für Operations Research an der University of Pennsylvania, Hasan Özbekhan, gebeten, das Konzept für eine Studie zu erarbeiten. Es trug den Titel «Quest for Structured Responses to Growing World-Wide Complexities and Uncertainties» und führte eine Liste von nicht weniger als 47 Problemen der Menschheit auf, die alle miteinander verknüpft seien.
Es war absehbar, dass ein solches Mammutprojekt Jahre dauern würde und dem Battelle-Institut viel Arbeit beschert hätte. Doch der Club of Rome verfügte über wenig Geld. Man schien sich kurzfristig mit der einen Million Deutsche Mark zufriedengeben zu müssen, welche die Volkswagenstiftung in Aussicht gestellt hatte. In Bern ahnten die Anwesenden, dass sich mit dieser Summe Özbekhans Projekt kaum würde realisieren lassen.
Die Can-do-Attitüde von Jay W. Forrester
Jetzt brach die Stunde von Jay W. Forrester an, der zum zweiten Mal an einem Treffen des Clubs teilnahm. Der Amerikaner unterrichtete am MIT in Boston. In seiner Dissertation über den Club of Rome schreibt Friedemann Hahn, Forrester verkörpere «den ingenieurtechnisch geprägten Wissenschafter, wie sie der Zweite Weltkrieg hervorgebracht hatte, und die bestrebt waren, das durch die kriegsbedingte Forschung erworbene Wissen nun auf weitere, besonders zivile Arbeitsfelder zu übertragen».
Forrester war ein erfolgreicher Ingenieur, der die frühe Entwicklung des Computers mitgeprägt hatte. Danach wollte er mit diesem Wissen die Managementlehre revolutionieren. Er nannte seinen Ansatz «Systems Dynamics»; er basierte darauf, mithilfe von Simulationsverfahren die Interaktionen in komplexen dynamischen Systemen zu untersuchen.
Forrester trat mit einer typisch amerikanischen Can-do-Attitüde auf und bot den Anwesenden an, im Rahmen des vorhandenen Budgets und der erwünschten Zeitspanne die erwünschte Studie durchzuführen. Zu seinen Gunsten sprach zudem, dass er nur mit computergestützten Analysen arbeiten wollte, was damals noch fortschrittlich wirkte und eine besonders hohe Glaubwürdigkeit der Ergebnisse zu versprechen schien. Kurze Zeit nach dem Berner Treffen erhielt Forrester den Zuschlag, womit der Schwerpunkt der Arbeit nach Massachusetts abwanderte und Genf und das Battelle-Institut leer ausgingen.
Allerdings dachte Forrester nicht daran, die Recherchen und Simulationen selbst durchzuführen. Für ihn war der Auftrag eine Möglichkeit, seine neue Managementlehre noch besser bekannt zu machen. Er kannte einen jungen Forscher, der ihm für diese Aufgabe geeignet erschien: Dennis Meadows, erst 28 Jahre alt und ehrgeizig. Dieser nahm die Herausforderung an. Im Interesse der Machbarkeit entschied er sich, statt 47 Weltprobleme bloss deren fünf in die Simulationen einzubeziehen.
Es handelte sich um Industrialisierung, Bevölkerungswachstum, Unterernährung, Ausbeutung von Rohstoffen und Zerstörung von Lebensraum. Gemäss den Prinzipien der Systems Dynamics errechnete Meadows zusammen mit seiner Frau Donella Szenarien, denen unterschiedliche Annahmen etwa über die Akzeptanz der Geburtenkontrolle oder den Bedarf an Rohstoffen zugrunde lagen.
Auf der Weltbühne
Die Wahl dieser fünf Kernthemen geschah ohne grössere Diskussionen innerhalb des Club of Rome. Dabei hatte dies weitreichende Folgen, schlug der Bericht doch erst damit die Richtung ein, die ihn zu dem Umweltbericht machte, als der er heute verstanden wird. Verstärkt wurde diese Perzeption durch den Titel und eine plakative Kommunikation der Ergebnisse, bei der Meadows US-Marketing-Techniken nutzte: ein schlankes Buch, eine verständliche Sprache, eingängige Vergleiche, klare und knackige Aussagen. Und eine Präsentation auf der Weltbühne – in der Hauptstadt Washington.
Die zentrale Botschaft lautete: «Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Lauf der nächsten hundert Jahre erreicht.»
Und danach? Kollabiert das System Erde. Gab es ein Gegenmittel, um die Katastrophe noch zu verhindern? Hier empfahl Meadows ein Wirtschaftsmodell, das ohne Wachstum auskam, also das sogenannte Nullwachstum.
«Die Grenzen des Wachstums» schlug ein wie eine Bombe. Besonders Eindruck hinterliess, dass die Erdölvorräte innert zwanzig Jahren erschöpft sein sollten. Zum ersten Mal liess sich der Weltuntergang, so schien es, dank dem Computer wissenschaftlich zuverlässig kalkulieren. Eine Flut von Medienbeiträgen war die Folge, der Umgang mit dem Wachstum und der drohenden Ressourcenknappheit wurde erregt diskutiert, die Politik sprang auf den Zug auf, was in Deutschland schliesslich zur Gründung der ersten grünen Partei führte.
Sogar an der Wirtschaftshochschule St. Gallen organisierte ein Studentenkomitee in den Jahren 1972 und 1973 mehrere Veranstaltungen über das Thema Wirtschaft und Wachstum. Das Symposium 1973, das im November stattfand, wurde gar mit einer Rede von Dennis Meadows persönlich eröffnet. Zwar vermag sich der heute 79-Jährige an keinen Besuch in der Gallusstadt erinnern, wie er in einer E-Mail schreibt. Aber er und seine Frau Donella hätten in diesen Jahren Hunderte von Auftritten rund um den Globus absolviert, so dass die Erinnerung an viele von ihnen verblasst sei.
Alle Prognosen durch die Realität widerlegt
Dass der Bericht in einem engeren Sinn wissenschaftlich nicht haltbar ist, lässt sich kaum bezweifeln. Alle konkreten Prognosen sind durch die Realität widerlegt worden. Überraschen kann dies nicht, weil nur schon die schmale Datenbasis, auf denen die Berechnungen beruhten, die Resultate rasch veralten liess. Zudem handelte es sich beim Modell von Forrester/Meadows um einen rein mathematisch-quantitativen Ansatz, der gesellschaftliche und politische Komponenten ausser acht liess.
Aber diese Kritik spielte schon damals kaum eine Rolle, weil die Grundaussage einen Nerv der Zeit traf. «The Limits to Growth» markiert einen Paradigmenwechsel, den Umschlagpunkt von optimistischer Wachstumsfreude zu einem pessimistischen Zukunftsbild und zu einer negativen Beurteilung von Wachstum. Das hatten Peccei, King oder Thiemann nicht beabsichtigt. Sie dachten in den Kriterien der ingenieurwissenschaftlichen Methoden, welche nach 1945 vorherrschte. Die Zukunft erschien dank den technologischen Fortschritten machbar, erforderte allerdings Planung auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse.
Ganz im Sinne dieser technokratischen Überzeugungen schwebte Peccei vor, aus dem Club of Rome ein «Weltforum» mit einem Steuerungsausschuss zu entwickeln, das für die Regierungen Probleme analysieren und Lösungsansätze entwickeln würde.
«Small is beautiful»
Doch die Studie des Club of Rome leitete eine ganz andere Entwicklung ein: Der Glaube schwand, die Zukunft entwickle sich linear, sei planbar und damit letztlich positiv besetzt. Niemand erwartete Rettung von einem elitären Zirkel selbsternannter Experten. «Small is beautiful» lautete vielmehr der Slogan der Stunde.
Es schossen nun die NGO aus dem Boden, welche die fortschrittsskeptische Kernthese des Berichts in einzelne Facetten auflösten und diese fortan beackerten. Soziologen statt Kybernetiker übernahmen das Zepter in dieser Debatte. Der globale Ansatz des Club of Rome setzte sich aber in den Uno-Gremien fest, die vor allem in Bezug auf die Klimapolitik zum Treiber der politischen Debatte geworden sind.
Geplant war dies alles nicht, als 1970 in Bern der Beschluss gefasst wurde, einen Bericht zu den grossen Weltproblemen zu erarbeiten. Hätte in Bern Hasan Özbekhan den Zuschlag erhalten und wäre das Battelle-Institut mit der Forschungsarbeit beauftragt worden, wäre das Ergebnis ein völlig anderes gewesen: ein komplizierter Report, der wohl niemals das Echo ausgelöst hätte wie das Buch von Meadows. Gegen dessen pointierte Konklusionen existierten denn auch innerhalb des Club of Rome beträchtliche Vorbehalte.
Der Volkswagenstiftung verschlug es gar förmlich den Atem, realisierte diese doch rasch, dass der Angriff auf das Automobil nun gewissermassen wissenschaftlich ermöglicht wurde, was sicher nicht im Interesse des Geschäfts von VW war.
Und der schweizerische Bundesrat leistete aus der Meinung heraus, einen harmlosen Debattierklub zwecks Stärkung der internationalen Ausstrahlung von Genf zu unterstützen, unfreiwillig Geburtshelferdienste für eine globale politische und gesellschaftliche Gezeitenwende. Wenn ein schweizerischer Bundesrat aber etwas nicht will, dann ist es genau das!