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Die Liegenschaft an der Löwenstrasse in voller Blüte, 2024.

Die Liegenschaft an der Löwenstrasse in voller Blüte, 2024. Bild: Google Maps

Lebensräume

Mitten in Zürich will eine Firma ein Bürogebäude begrünen. Sieben Jahre später sind die Pflanzen verwelkt – und die Bewässerungsrohre schrecken Mieter ab

Letzte Woche wurde die braune Pflanzenwand abgerissen. Der Fall zeigt, weshalb wenig Private auf begrünte Fassaden setzen.

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Mitten in Zürich will eine Firma ein Bürogebäude begrünen. Sieben Jahre später sind die Pflanzen verwelkt – und die Bewässerungsrohre schrecken Mieter ab

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  • Das Zürcher Fassadenbegrünungsprojekt «The Green Wall» scheiterte an Bewilligungsproblemen, technischen Mängeln und fehlendem Mieterinteresse.
  • Die Pflanzen verdorrten, da das Bewässerungssystem ungenügend war und durch die Büroräume verlaufende Leitungen die Nutzung erschwerten.
  • Trotz Rückschlägen hält die Immobilienfirma am Konzept fest und plant einen neuen Versuch mit angepasster Technik.

Die Ankündigung war pompös, die Idee klang ansprechend. Eine niederländische Immobilienfirma wollte ein gesichtsloses Bürogebäude an der Löwenstrasse in der Stadt Zürich mit einem vertikalen Pflanzenteppich begrünen. «The Green Wall» – «die erste grosse, lebende Fassade in einer Schweizer Innenstadt» sollte es werden. Das ist sieben Jahre her.

Heute ist die Bilanz ernüchternd: ein zermürbendes Bewilligungsverfahren, ein mühsamer Rechtsstreit, verdorrende Pflanzen – und kaum Mieterinteresse. Kommt hinzu: Durch die Büros liefen Bewässerungsrohre, was deren Nutzung erheblich erschwert haben soll.

Der Traum von den «hängenden Gärten»

Bei Fassadenbegrünungen und vertikalen Gärten ist die Schwärmerei in der Stadt für gewöhnlich nicht weit. Von «hängenden Gärten» in der Asphaltwüste ist gerne die Rede, von «Hochhäusern der Zukunft». Das grosse Vorbild sind zwei begrünte Hochhäuser in Mailand mit dem Namen Bosco Verticale.

Die vertikalen Gärten sollen nicht nur gut aussehen, sondern auch die Hitzeentwicklung in den Städten abmildern. Die Fassadenbegrünung gilt als hippe, urbane Antwort auf den Klimawandel.

Doch im Zürcher Stadtbild hat die Idee bisher wenig Spuren hinterlassen – trotz politischem Aktivismus von Rot-Grün inklusive staatlicher Fördergelder. Der Fall Löwenstrasse lässt erahnen, warum.

Die Liegenschaft mit der Nummer 56 gehört der Immobilienfirma Helios. 2018 kündigte sie an, die 180 Quadratmeter grosse Fassade werde bis 2020 vollständig begrünt sein. Aus Steinwollepanels sollten unter anderem Lavendel, Japanisches Blutgras und Wacholder spriessen, automatisch bewässert von einem Wassertank auf dem Dach.

Helios beauftragt die Firma Halter, einen Generalunternehmer, mit der Fassadenbegrünung. Die Umsetzung gestaltet sich schwierig. Zwar lobt die Politik die allgemeine Idee in den höchsten Tönen, doch im Verwaltungsalltag sieht es anders aus. Der Architekt, der das Projekt begleitet, spricht gegenüber der NZZ damals von einem aufwendigen Austausch mit zahlreichen Fachstellen. Und von Vorbehalten bei den Ämtern.

Das Vorhaben verzögert sich erheblich – wegen fehlender Bewilligungen, aber auch infolge der Pandemie.

Im Januar 2024 ist die Liegenschaft endlich abnahmebereit. Aber die Bauherrin Helios ist alles andere als zufrieden. Sie moniert, sie habe sich ein anderes Bewässerungssystem gewünscht.

Die Firma beruft sich auf ein eigenhändig in Auftrag gegebenes Gutachten. Laut diesem ist die Fassadenanlage ungenügend. Die Plattform «Tipping Point», ein Schweizer Wirtschaftsmedium mit Fokus auf Nachhaltigkeit und digitale Transformation, hat darüber berichtet. Ihr liegt das Gutachten vor.

Im Gutachten wird unter anderem kritisiert, dass die Wasserleitungen direkt durch die Büroräume verlaufen. Das sei nicht nur optisch äusserst unattraktiv. Die Rohre verunmöglichen es auch, Bürotrennwände einzuziehen oder Schreibtische an die Wände zu stellen. Das mache es nahezu unmöglich, Mieter für die Büroetagen zu finden.

Vor allem aber sterben die Pflanzen ab. Bald ist der Pflanzenteppich braun statt grün. Die Wasserzirkulation sei mangelhaft, moniert die Firma Helios.

Die ausführende Generalunternehmung Halter schreibt auf Anfrage der NZZ, die Fassade sei «technisch und gestalterisch einwandfrei und entspricht der geschuldeten Leistung gemäss Vertrag». Sie sei zudem von einem spezialisierten Unternehmer geplant und umgesetzt worden.

«Für ein dauerhaft optimales Resultat ist jedoch auch eine kontinuierliche, fachgerechte Bewirtschaftung erforderlich. Diese liegt in der Verantwortung der Eigentümerschaft.» Halter verweist auf ein Projekt in Adliswil, wo dasselbe Begrünungssystem erfolgreich eingesetzt worden sei.

Helios liess eine Anfrage der NZZ unbeantwortet. Der Fall ist vor dem Handelsgericht hängig.

Zehn Grad kälter dank den Pflanzen

Dass grundsätzlich viel für begrünte Fassaden in Städten spricht, liegt auf der Hand. Studien zeigen, dass die Feinstaubbelastung um bis zu zwanzig Prozent sinkt, der Verkehrslärm um bis zu zehn Dezibel, das lokale Klima kühlt um bis zu zehn Grad Celsius ab.

Und während Pärke und dergleichen im engen Stadtraum Platz in Anspruch nehmen, beansprucht die vertikale Begrünung kaum Platz.

Die Kehrseite: Die Umsetzung ist kompliziert, die Projekte sind teuer.

Das zeigt die markanteste Fassadenbegrünung auf Stadtgebiet, die Südfassade des alten Triemli-Turms, knapp siebzig Meter hoch und sechzig Meter breit. Die Idee einer Bepflanzung, die sich über die ganze Fassade zieht, hat die Stadt hier rasch verworfen – aus Brandschutzgründen.

Stattdessen wurden grosse Pflanzkisten auf Balkone gestellt und Kletterpflanzen angepflanzt. 1,9 Millionen Franken hat das gekostet. Hinzu kommen jährliche Kosten von 60 000 Franken. Die Pflanzen müssen zweimal im Jahr zurückgeschnitten, das Laub entfernt werden.

Angesichts der hohen Kosten ist es nicht verwunderlich, dass vor allem die öffentliche Hand tätig wird. Rot-Grün hat vor einigen Jahren sogar die Einrichtung eines Kompetenzzentrums Vertikalbegrünung gefordert – und es erhalten.

Die Fassade an der Löwenstrasse wird nun aufwendig abgerissen. Bild: Annick Ramp / NZZ

Die Stadt lockt private Bauherren mit Fördergeldern. Das Geld wird im Rahmen des Förderprogramms Stadtgrün verteilt. Die Stadt trägt die Hälfte der Gesamtkosten von Privaten, bei einer Obergrenze von einer Million Franken.

Grün Stadt Zürich schreibt auf Anfrage der NZZ, man habe letztes Jahr zwölf Vertikalbegrünungsprojekte von Privaten gefördert, mit einer gesamten Begrünungsfläche von 2500 Quadratmetern. Hinzu kommen Pilotprojekte, wie beispielsweise die Fassadenbegrünung einer Busgarage der VBZ. Das ist eine überschaubare Bilanz.

Für die Bauherren bleibt die Bürokratie ein Problem. Zwar versucht Grün Stadt Zürich, ihnen das Leben mit einer Checkliste zu vereinfachen. Doch sie müssen nach wie vor viel beachten, vom Heimat- über den Brandschutz bis zu Grenzabständen und dem möglichen Einfluss auf den Verkehr.

An der Löwenstrasse lässt Helios die Pflanzen von der Fassade des Siebziger-Jahre-Baus entfernen, die Bauarbeiten laufen. Doch bald sollen neue gepflanzt werden. Helios setzt nun auf ein anderes Bewässerungssystem. Am Plan, das Bürogebäude grün zu verzieren, hält die Firma trotz allen Rückschlägen fest.

Michael von Ledebur, «Neue Zürcher Zeitung» (14.05.2025)

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Dieser Artikel behandelt folgende SDGs

Die Sustainable Development Goals (SDGs) sind 17 globale Ziele für nachhaltige Entwicklung, vereinbart von den UN-Mitgliedsstaaten in der Agenda 2030. Sie decken Themen wie Armutsbekämpfung, Ernährungssicherheit, Gesundheit, Bildung, Geschlechtergleichheit, sauberes Wasser, erneuerbare Energie, nachhaltiges Wirtschaftswachstum, Infrastruktur, Klimaschutz und den Schutz der Ozeane und der Biodiversität ab.

11 - Nachhaltige Städte und Gemeinde

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