Durch diese Einschränkungen entstehen Lücken in den abgeleiteten Karten der Bodenbewegungen. Diese könnten mit zusätzlichen Radarsatelliten in Zukunft teilweise gefüllt werden, sagt Othmar Frey, Dozent an der ETH Zürich, der auch als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Firma Gamma Remote Sensing tätig ist.
Die Berge werden aber nicht nur aus dem All überwacht, sondern auch direkt vor Ort – an Stellen, an denen bereits eine hohe Gefährdung festgestellt wurde. Mit bodengestützten Instrumenten wie Kameras und GPS-Geräten können schon kleinste Bewegungen des Bodens festgestellt werden. Insbesondere wenn eine Rutschung sich beschleunigt, schlagen diese Geräte Alarm.
Allein im Kanton Bern werden so 155 Risikostellen überwacht, im Kanton Graubünden sind es mindestens 42, wie die Tamedia-Zeitungen berichteten. Im Wallis hat eine Studie 2021 insgesamt 89 potenziell instabile Felswände identifiziert.
Laut dem Bericht des Bafu wohnen derzeit rund sieben Prozent der Schweizer Bevölkerung in Gebieten, die von Murgängen, Fels- oder Bergstürzen betroffen sein könnten. Durch engmaschige Überwachung können Menschenleben gerettet werden. Wenn die Gefahr zu gross wird, können Dörfer evakuiert werden, wie es in Brienz und Blatten der Fall war.
Zu viele Häuser am falschen Ort
Doch gegen Sachschäden schützt Überwachung nicht. Rolf Weingartner ist emeritierter Professor für Hydrologie am Geografischen Institut der Universität Bern. «Wollen wir eine ehrliche Diskussion führen, müssen wir die Siedlungsentwicklung in den Mittelpunkt stellen», sagt er. Die Zahl der exponierten Gebäude und Infrastrukturen, die in den Gefahrengebieten stünden, habe in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen.
Problematisch seien nicht etwa die Standorte der Bergdörfer, die vor Mitte des letzten Jahrhunderts gebaut worden seien. Ihr Standort basiere auf jahrhundertealter Erfahrung und biete in der Regel einen optimalen Schutz vor Hochwassern, Lawinen und Murgängen. Eigentlicher Treiber des Risikos sei vielmehr die Ausdehnung von Siedlungen, die in den Berggebieten häufig auf den Tourismus zurückgehe, in Gebiete mit erhöhter Gefahr.
Nicht immer werden bei dieser Expansion die Auflagen eingehalten. In roten Zonen mit erheblicher Gefahr sind Neubauten gemäss dem Bund streng verboten. Trotzdem wurden dort in den vergangenen acht Jahren etwa 600 Neubauten erstellt, wie eine Erhebung der Universität Bern und des Schweizer Fernsehens im vergangenen Herbst ergab. Mit Abstand am grosszügigsten gegenüber den Grundeigentümern zeigte sich ausgerechnet der Kanton Wallis. «Das darf in Zukunft nicht mehr vorkommen», sagt Weingartner.
Herausforderungen durch den Klimawandel
Besonders viele Schäden werden durch Hochwasser verursacht. Eine Analyse aus dem Jahr 2021 hat gezeigt, dass rund 300 000 Gebäude mit einem Neuwert von 500 Milliarden Franken in hochwassergefährdeten Gebieten stehen.
Ausserdem gilt: Die Hälfte aller von Hochwasser verursachten Schäden entsteht nicht dadurch, dass ein Fluss über die Ufer tritt. Stattdessen kommt es bei Starkniederschlägen dazu, dass Wasser nicht schnell genug versickert oder über die Kanalisation abgeführt wird – mit der Folge, dass Strassen, Plätze und die Fundamente oder Keller von Gebäuden überflutet werden. Da intensive lokale Regenfälle durch den Klimawandel häufiger und heftiger werden und immer mehr Flächen versiegelt sind, steigt die Gefahr für solche Überflutungen. Dieses Risiko werde oft unterschätzt, schreibt das Bafu.
Laut dem Hydrologen Weingartner sollte der Bund vor allem private Hauseigentümer stärker in die Pflicht nehmen. In blauen Zonen (mittlere Gefahr) sind Objektschutzmassnahmen heute nur für Neubauten vorgeschrieben, etwa die Erhöhung des Siedlungsplatzes, der Bau von Mauern, die Abdichtung von Lichtschächten und Aussenwänden. Bestehende Häuser jedoch bleiben ungeschützt. «Will man die Risiken nachhaltig vermindern, muss sich das ändern», sagt der Wissenschafter.
Er geht noch einen Schritt weiter: Nehmen die Hochwasser im Zuge des Klimawandels zu, müssten zusätzlich auch Schutzmassnahmen für die stark überbaute gelbe Zone (geringe Gefahr) vorgeschrieben werden, was heute nicht der Fall ist. Von einer solchen Regelung betroffen wären zum Beispiel weite Teile der Zürcher Innenstadt. «Bereits wenn das Wasser um einen halben Meter steigt, sind die Schäden dort immens», betont Weingartner. Dagegen gelte es vorzusorgen.