Allerdings greift es viel zu kurz, die Zunahme der Schäden hauptsächlich auf den Klimawandel zu schieben. Eine genauere Betrachtung offenbart ein anderes Bild. Dazu muss man sich die Daten ansehen.
Für die weltweiten Katastrophen gibt es eine Handvoll relevanter Datenbanken. Doch nur wenige eignen sich dafür, die ökonomischen Schäden zu untersuchen. Der niederländische Ökonom Richard Tol von der University of Sussex empfiehlt seinen Studenten für diesen Zweck vor allem die Datenbanken von Rückversicherungen.
Die Schäden nehmen aufgrund wachsender Sachwerte zu
Die beiden Rückversicherungen Swiss Re und Munich Re haben unabhängig voneinander zwei Desaster-Datenbanken aufgebaut: Sigma und Natcatservice. Darin sind Informationen über die weltweiten Schäden durch alle Arten von Naturkatastrophen gesammelt. Die Versicherungen hätten zwar nur Daten aus Ländern, in denen sie Geschäfte machten, sagt Tol. Dafür seien die Daten wegen der genauen Methode aber besonders verlässlich.
Die versicherten Grossschäden – das sind Ereignisse mit Schäden über der Schwelle von 50 Millionen Dollar – hätten seit 1992 im Durchschnitt um fünf bis sieben Prozent pro Jahr zugenommen, sagt Thierry Corti von der Swiss Re. Er ist verantwortlich dafür, dass der Klimawandel in den Risikomodellen des Rückversicherers abgebildet wird.
Auf die Frage, welche Ursachen für die Zunahme der Schäden verantwortlich sind, reagiert Corti sehr vorsichtig: Dass allein der Klimawandel für eine Zunahme der Schäden durch Naturkatastrophen verantwortlich ist, lässt er nicht gelten. Es gebe viele Treiber, und dazu zählten das Wirtschaftswachstum, die Urbanisierung, die Besiedlung exponierter Regionen und eben auch der Klimawandel. Eine exakte Quantifizierung der Treiber sei schwierig. Laut Schätzungen sei aber das Wirtschaftswachstum ein Hauptgrund für die Zunahme der Schäden aus Naturkatastrophen.
Vereinfacht gesagt gibt es heutzutage mehr und teurere Dinge, die bei einem Wetter-Desaster zerstört werden können: Häuser in Überschwemmungsgebieten oder Boote in Jachthäfen zum Beispiel.
In etlichen Studien haben Forscher untersucht, ob sich in den Daten ein Einfluss des Klimawandels auf die Schäden durch Wetterextreme bereits belegen lässt. Als eindeutig nachgewiesen gilt dieser Einfluss aber nur für die Hitzewellen.
Weniger klar sieht die Forschungslage bei Zerstörungen durch Überschwemmungen oder Wirbelstürme aus. Das hat verschiedene Gründe. Vor allem ist es sehr schwierig, den Einfluss des Wirtschaftswachstums aus den Schadensstatistiken herauszurechnen. Ohnehin sind die Veränderungen von Überschwemmungen und Wirbelstürmen durch den Klimawandel noch relativ klein; ein sehr starker Effekt auf die materiellen Verluste ist darum bis anhin nicht zu erwarten.
Generell seien die Schadenssummen durch Naturkatastrophen keine geeigneten Daten, um nach dem Einfluss des Klimawandels zu suchen, meint Richard Tol. «Es gibt Umweltschützer, die das nicht zur Kenntnis nehmen oder so tun, als wüssten sie es nicht.»
Der Anreiz ist gross, alles auf den Klimawandel zu schieben
Andererseits versteht Tol gut, warum Leute, die sich für den Klimaschutz engagieren, die Zunahme von Unwetterschäden auf den Klimawandel schieben. «Wer sagt, dass etwas kompliziert ist, kann seine Botschaft nicht vermitteln», erklärt er.
Die Politik ist auch aus anderen Gründen versucht, die Karte des Klimawandels auszuspielen. Der Niederländer erinnert an die Überschwemmungen im Sommer 2021. Sie verursachten vor allem an der Ahr, einem Nebenfluss des Rheins, viele Todesopfer. In Deutschland habe es damals viele Schäden gegeben, in Belgien nur sehr wenige, so Tol. Das deute auf schlechtes Wassermanagement bei den Deutschen hin, vielleicht auch auf Abholzung im Einzugsgebiet, sagt der Wissenschafter. Für Politiker sei aber der Anreiz gross gewesen, dem Klimawandel die Schuld zu geben.
Wetterextreme haben weniger tödliche Folgen als früher
Während die Schäden durch Wetter-Desaster steigen, sinkt die Anzahl der Todesopfer – und das seit vielen Jahren. Als verlässliche Datenquelle zu Todesfällen durch Naturkatastrophen gilt in der wissenschaftlichen Welt die «Emergency Events Database» (EM-DAT) der Université catholique de Louvain in Belgien. Die Betreuer durchkämmen Nachrichten und offizielle Berichte nach allfälligen Informationen über Desaster wie Stürme und Überflutungen und fügen sie systematisch zusammen.
Katastrophen heutzutage deutlich weniger Menschen ums Leben kommen als früher – und das, obwohl die Weltbevölkerung stark gewachsen ist. Der Schutz vor den Desastern hat sich offenkundig immer mehr verbessert. Das gilt für Überschwemmungen ebenso wie für Dürren oder Stürme.
Gewiss gibt es immer wieder Rückschläge – vor allem in armen Entwicklungsländern. Noch 2008 kamen durch den tropischen Wirbelsturm «Nargis» in Myanmar mehr als 138 000 Menschen ums Leben. In den meisten Ländern der Erde führen verheerende Wetterextreme heute aber nicht mehr zu Zehntausenden von Todesopfern. Dafür sind Warnung und Schutz zu gut geworden. Und das ist nicht zuletzt der gleichen ökonomischen Entwicklung zu verdanken, die auch die Schadenssummen nach oben treibt.