Wie sehr die Umweltwirtschaft den Arbeitsmarkt verändert, bestätigt auch ein Bericht, den das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung RWI und das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung im Herbst veröffentlicht haben. Die Wissenschafter beobachteten zwischen 2012 und 2022 einen Trend zu weniger umweltschädlichen Tätigkeiten innerhalb einzelner Berufe sowie einen wachsenden Anteil von Berufen, die der Umwelt zugutekommen.
In der Schweiz wachsen Kreislaufwirtschaft und Cleantech
Hinweise auf die zunehmende Bedeutung der Umweltwirtschaft finden sich auch in der Schweiz. Der Bundesrat beschloss in einer Sitzung Mitte November, zum Wohle der Umwelt sowie der Schweizer Ökonomie die Kreislaufwirtschaft zu stärken.
Das Bundesamt für Statistik schätzt die Bruttowertschöpfung mit Umweltgütern und -dienstleistungen auf 24,7 Milliarden Franken, die Zahl der Erwerbstätigen auf 168 000 Vollzeitäquivalente. Von 2000 bis 2022 haben sich die Bruttowertschöpfung und die Zahl der Beschäftigten im Umweltsektor mehr als verdoppelt. Vor allem die Bereiche erneuerbare Energien und Gebäudesanierung sorgten für den Aufschwung. In einer Mitteilung des Bundesamts für Umwelt heisst es: «So ist der Cleantech-Sektor bei uns, in der EU und weltweit einer der am schnellsten wachsenden Märkte mit anhaltend hohem Wachstumspotenzial.»
Allerdings merkt Niklas Nierhoff vom Bundesamt für Umwelt selbstkritisch an, dass «wir trotz den Fortschritten, auf die wir stolz sein können», mit unserem hohen Lebensstandard immer noch zu viele Ressourcen verbrauchen: «Die ganze Weltbevölkerung könnte sich unseren Standard nicht erlauben, ohne dass Ökosysteme und das Klima noch weiter aus den Fugen geraten.»
Zweifel am grünen Wachstum bleiben
Ist die Umweltwirtschaft ein wirksamer Hebel, um Wirtschaftswachstum und Umweltschäden zu entkoppeln? Die Zahlen aus dem «Umweltwirtschaftsbericht» von NRW stimmen in diesem Punkt wenig optimistisch.
Das sieht man gut am Beispiel Mobilität: Der Nutzen des öffentlichen Nahverkehrs für die Umwelt ist sehr überschaubar. Die Effekte ermittelten die Forscher mithilfe eines sogenannten kontrafaktischen Szenarios, in dem es keine Busse und Bahnen gibt und die Menschen auf Auto und Fahrrad umsteigen und zu Fuss gehen müssen. Das Ergebnis: Ohne öffentlichen Verkehr (öV) würde der Ausstoss von derzeit 40 auf 42 Millionen Tonnen Kohlendioxid steigen. Der Umweltbonus des öV macht also nur fünf Prozent der Gesamtbelastung durch die Mobilität aus.
Zwar beziffern die Autoren die CO2-Einsparung dank dem öV mit einem Geldwert von 700 Millionen Euro. Doch wie viel mehr würde es bringen, wenn Menschen weniger unterwegs wären – etwa durch Arbeiten im Home-Office.
Bis anhin sieht es nicht danach aus, als wäre eine ökologische Orientierung der Wirtschaft ein Persilschein für weiterhin unbegrenztes Wachstum. Doch wie der «Umweltwirtschaftsbericht 2024» für NRW und weitere Veröffentlichungen zeigen, lassen sich trotz steigender Bruttowertschöpfung und Beschäftigung mithilfe vieler Stellschrauben die Schäden für Umwelt und Klima immerhin drosseln.