Der Automobilhersteller aus München setzt in seinem Modellen verstärkt auf den Einsatz von Sekundärrohstoffen und die Entwicklung recycelfähiger Komponenten. Ein Beispiel dafür ist die neue CO₂-neutrale und vollständig recycelbare Fussmatte. An ihrer Entwicklung war auch Anna Goldhofer beteiligt. Die junge Wirtschaftsingenieurin hat sich bereits als Werkstudentin bei der BMW Group für «Circular Parts» befasst und damit das BMW Accelerator-Programm gewonnen. Ihre Ideen konnte sie 2019 auf dem «One Young World Summit», einem internationalen Forum für junge Führungskräfte, vorstellen.
Heute ist Anna Goldhofer bei der BMW Group Expertin für Nachhaltigkeit in der Lieferkette und Kreislaufwirtschaft. Im folgenden Interview erklärt sie, wie Kreislaufwirtschaft und CO₂-Reduktion zusammengehören, welche Stolperfallen es dabei gibt und warum sie sich auch privat für den Klimaschutz engagiert.
Anna Goldhofer, Sie sind in der BMW Group (und darüber hinaus) bekannt, weil Sie sozusagen die Frau hinter der recycelbaren Fussmatte sind, die in vielen BMW Fahrzeugen liegt. Gleichzeitig engagieren Sie sich sehr für den Klimaschutz. Wie verbinden Sie diese beiden Welten?
Anna Goldhofer: Ganz einfach: Diese Fussmatte wird bald in mindestens 3,5 Millionen Fahrzeugen liegen, und es werden wahrscheinlich sogar noch mehr. Das ist eine Menge Material, das am Ende nicht verbrannt werden muss – und damit sehr viel CO₂, das gar nicht erst entsteht. Der Skalierungseffekt ist enorm. Noch bestehen die meisten unserer Bauteile aus verschiedenen Materialien. Sie sind verklebt, verschweisst, untrennbar – sie können nur verbrannt werden. Das ändern wir in der Entwicklung. Denn die Basis für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft sind Bauteile, deren Materialien zurückgeführt werden können. Wir testen neue Stoffe, wie recycelfähigen Polyester und pflanzenbasiertes Leder. Und wir berechnen CO₂-Bilanzen, um den richtigen Weg zu finden. Jedes kleine kreislauffähige Teil hat eine Auswirkung. Aktuell nutze ich mein Wissen, um meinen Beitrag zu leisten, die Lieferketten in unserem Unternehmen nachhaltiger zu machen. Mein Ziel ist es, einen aktiven Beitrag zum 1,5 Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens zu leisten. Ich will daran mitarbeiten, den Klimakrise aufzuhalten. In einem Grossunternehmen wie der BMW Group habe ich Hebel und Möglichkeiten, wirklich etwas zu bewegen. Jedes kleine Teil hat eine Auswirkung auf die Umwelt.
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Veränderung ist per se nicht einfach, sie zu treiben noch weniger. Wo sehen Sie Stolperfallen?
Goldhofer: Im Projekt ist die erste Stolperfalle eigentlich immer das Geld. Wenn ein Bauteil 30 Cent teurer wird, skaliert sich auch das millionenfach nach oben. Und unsere oft komplexen Prozesse machen es auch nicht immer einfacher. Die BMW Group hat sich harte Nachhaltigkeitsziele gesetzt, daran werden Managerinnen und Manager, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Projekte über alle Ebenen gemessen. Das hilft! Aber wir brauchen noch viel mehr Mut und müssen schon in der ganz frühen Phase in Richtung Kreislaufwirtschaft und CO₂-Einsparung denken.
Mittlerweile setzen Sie Ihre Expertise eindrucksvoll in den Bereichen Einkauf und Lieferkette ein? Was war der Grund?
Goldhofer: Ich wollte in das Thema Circular Economy noch von anderer Seite einwirken und mein Wissen erweitern. Im Einkauf hat man einen der grössten direkten Hebel und damit Impact. Es ist eine Kernaufgabe von Entwicklung und Einkauf, zusammen mit unseren Partnern und Lieferanten CO₂-Reduktionsziele, Sekundärrohstoffquoten und damit die Kreislaufwirtschaft voranzutreiben. Der Einkauf ist dabei an entscheidender Stelle im Prozess – beispielsweise durch die Verankerung von Nachhaltigkeitszielen in Vergabeentscheidungen und der Transparenz in der gesamten Lieferketten. Wenn wir über Nachhaltigkeit in der Lieferkette sprechen, ist die Steigerung der Sekundärrohstoffquote eines der massgebenden Ziele. Diese ist fundamental wichtig zur Erreichung unserer CO₂-Reduktions- und damit Klimaziele. Heute ist der Markt für qualitativ und quantitativ entsprechendem Sekundärmaterial jedoch noch überschaubar. Daher ist es wichtig, an dessen Ausbau durch Nachfrageimpulse beizutragen und damit an einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft zu arbeiten.
Woher kommt Ihr aussergewöhnliches Engagement – gab es einen konkreten Auslöser?
Goldhofer: Mit Nachhaltigkeit, Klimawandel und Erderwärmung beschäftige ich mich schon lange. Wenn man sich damit auseinandersetzt, kommt man meiner Ansicht nach gar nicht darum herum, aktiv zu werden. Je mehr ich weiss, umso mehr will ich tun. Aber den definitiv stärksten Schub hat mir die Teilnahme an One Young World 2019 gegeben. Dort habe ich das Leid der Welt so persönlich erzählt bekommenwie nie zuvor. Ich habe Menschen kennengelernt, die die allerschlimmsten Erfahrungen gemacht haben – und trotzdem aktiv wurden und sich engagieren. Ich selbst habe das Glück, in Frieden und Sicherheit zu leben, ich bin super privilegiert. Seit ich mir dieser Schere bewusst bin, kann ich nicht mehr stillsitzen. Neben dem Klimaschutz ist mir die Gleichberechtigung der Geschlechter ein grosses Anliegen – Womens‘ Empowerment. Da erlebt man als junge Frau im Beruf oft genug, wie weit der Weg noch ist. Aber was hilft alle Gleichberechtigung, wenn unsere Welt kaputt geht? Deshalb müssen wir beim Klima anfangen.
Und Sie haben angefangen. Auch privat?
Goldhofer: Ja, auf ganz vielen Ebenen. Ich bin vegan, sehr konsumkritisch, unterstütze diverse Projekte, gehe Klima-Streiken. Meine Werte sind privat die gleichen wie im Job, ich brenne und engagiere mich für die gleichen Dinge. Würde das nicht zusammenpassen, könnte ich hier nicht arbeiten. Es ist mir sehr wichtig, auch durch meinen Job meinen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele zu leisten. Ich rede nicht nur, ich tue etwas.
Wann ist es gut?
Goldhofer: Wenn wir sichergestellt haben, dass kommende Generationen mit denselben Ressourcen, derselben Natur und Artenvielfalt leben können, wie wir. Und dass sie dadurch in Frieden und Freiheit leben können. Denn das sieht kaum einer in der ganzen Diskussion: Wir müssen unsere Klimaziele erreichen, um auch in Zukunft in Frieden leben zu können.
Deklaration: Dieser Inhalt wurde von BMW im Rahmen der Partnerschaft mit Sustainable Switzerland selbst erstellt