Ein Alarm löst je nach Auftraggeber verschiedene Reaktionen aus. Bei Strassen werden Ampeln auf Rot geschaltet, oder es geht eine Schranke herunter. Bei Baustellen ertönen Sirenen, oder es werden automatische Nachrichten an Fachleute verschickt, die gegebenenfalls weitere Massnahmen ergreifen.
Schnell wird aus einer Langzeitüberwachung ein Ernstfall
In vielen Fällen ist ein Alarmsystem allerdings zu aufwendig und zu teuer. Aber auch eine Langzeitüberwachung führt manchmal zu plötzlichen Schutzmassnahmen. Wie schnell eine Situation kritisch werden kann, erzählt Mario Betschart. Für die Firma Innet hat er ein Überwachungsprojekt im Muotatal betreut.
Als Betschart im Sommer 2022 die Abteilung Naturgefahren im Amt für Wald und Natur des Kantons Schwyz besuchte, erkundigte er sich nach einem möglichen Testobjekt für eine neue Messtechnik mit einem Lasergerät. Am Ende des Muotatals sei ein Fels in Bewegung, hiess es in dem Amt. Man einigte sich auf einen Testbetrieb.
Betschart bereitete mit seinem Team die Messgeräte vor, und im Frühsommer 2023 war es dann so weit: Ein Helikopter hievte die Geräte auf den Berg. Die Innet-Mitarbeiter stellten einen Mast auf und befestigten Geräte daran – neben zwei Lasermessgeräten, die sie auf verschiedene Stellen am Fels richteten, waren es auch Instrumente zur Wetterbeobachtung.
Die Herausforderung bei der Lasermessung von Innet: Wenn die Laserstrahlen vom nackten Fels zurückgeworfen werden, werden sie stark gestreut. Das macht die Interpretation der Messdaten relativ aufwendig. Fehlerhafte Daten müssen vom Computer aussortiert werden. Beide Geräte massen alle zehn Minuten die Distanz zum rund 18 Meter entfernten Fels und übermittelten die Daten.
Betschart hatte angenommen, dass die Testmessungen ungefähr ein Jahr lang laufen würden, aber er hatte sich getäuscht. Es ging zwar zunächst nur um Bewegungen im Millimeterbereich. Doch wenige Tage mit Messungen genügten, um festzustellen, dass sich das Felspaket beschleunigte.
Schon eine Woche nach Messbeginn rief Betschart bei dem Amt in Schwyz an und erklärte, dass sie starke Bewegungen erfasst hätten. Es werde womöglich nicht mehr lange dauern, bis der Fels abbrechen werde.
Dann ging alles sehr rasch. Das Datenportal des Projekts wurde für den Fachexperten des Kantons freigegeben, der Testfall wurde zum Ernstfall. Man prüfte, ob das Gelände unterhalb des Felsen tatsächlich geräumt war. Wenige Wochen später kam der Fels, gefilmt von mehreren Wanderern, herunter. Ein Wanderweg und eine Alpweide wurden verschüttet.
Die Aufzeichnung der Messungen zeigte: In den letzten zwölf Stunden vor dem Fall hatte sich der Fels um knapp zwei Meter bewegt.
Bei dem wackligen Gestein im Muotatal waren die Risiken für Menschen und Verkehrswege sehr gering. Darum stand wenig Geld zur Verfügung, die Technik musste entsprechend günstig sein. Insofern war es ideal, dass es sich zunächst um einen Gerätetest handelte. Die verwendeten Lasergeräte sind nur so gross wie eine Kaffeetasse, sie werden mit einer Batterie betrieben. So ein Gerät sei viel günstiger als ein Radargerät, sagt Betschart. Das Teuerste an dem ganzen Projekt sei der Helikopterflug gewesen.
Kleinere Firmen wie Innet finden in solchen Projekten eine Nische. Nicht überall ist ein komplexes System aus teuren Messgeräten, wie es zum Beispiel Geopraevent oft betreut, vom Auftraggeber gewünscht und finanzierbar.
Es gibt mehr Aufträge, nicht nur wegen des Klimawandels
Überwachungsaufträge wie jene für Geopraevent, Terradata und Innet nehmen zu. Eine von mehreren Ursachen ist der Klimawandel. Dabei gehe es nicht nur um den tauenden Permafrost im Hochgebirge, sagt Studer von Terradata. Ausserdem werde Starkregen häufiger.
Das Risikobewusstsein sei gewachsen, und die Messtechnologien würden immer mehr miniaturisiert, erläutert Studer. «Diese Faktoren verstärken sich gegenseitig. Das wird in diese Richtung noch weitergehen.» Die Erwartungshaltung der Menschen nehme auch zu, sagt Mario Betschart von Innet. Im Moment könne die Schweiz es sich leisten, einen hohen Sicherheitsstandard zu garantieren. Das sei eine Chance für die Messtechnik und die Überwachung. Aber man müsse das kombinieren mit Alarmsystemen. Und man müsse die Bevölkerung sensibilisieren.
Selbst wenn ein Dorf wie Brienz womöglich aufgegeben werden muss – die Aufträge zur hochtechnisierten Überwachung der Berge werden den Firmen so bald nicht ausgehen.