Eignen sich auch rezyklierte Baustoffe?
Absolut! Rezyklierte Baustoffe können genauso qualitativ hochwertig sein wie Primärmaterialien. Es geht darum, Sekundärbaustoffe sinnvoll in den Kreislauf zurückzuführen und wiederzuverwenden beziehungsweise wiederzuverwerten. Dafür muss aber auch ein Umdenken stattfinden: Viele Menschen glauben immer noch, dass es sich beim Bauen mit Rezyklaten um ein Bauen mit minderwertigem Material handelt. Sie fordern bereits seit Jahren ein Umdenken, dennoch findet der Wandel nur langsam statt.
Sind Sie als Experte manchmal frustriert, dass faktenbasierte Argumente in der breiten Bevölkerung nur bedingt Gehör finden?
Ja, das ist oft enttäuschend. Die Werkzeuge und Methoden für ein nachhaltiges Bauen haben wir ja entwickelt, sie liegen in grossem Umfang vor. Ich sage: Wir haben kein bautechnisches, sondern ein soziologisches Problem. Die Menschen erkennen die Probleme, sie handeln aber nicht entsprechend. Wir haben beispielsweise im Jahr 2024 in Deutschland einen Boom bei der Installation von Gas- und Ölheizungen zu verzeichnen. So etwas ist gesamtgesellschaftlich und im Angesicht kommender Generationen unverantwortlich.
Halten Sie strengere gesetzliche Vorschriften für notwendig, um den Wandel im Bauwesen zu beschleunigen?
Das Bauen ist schon jetzt teuer und was die Regelungen betrifft, viel zu reguliert und viel zu kompliziert. Wollen wir vor diesem Hintergrund tatsächlich noch mehr gesetzliche Vorgaben? Ich denke, wir sollten die wenigen zu stellenden Forderungen als Ziele formulieren. Also recyclinggerechtes Bauen, umfassender Einsatz von Rezyklaten, keine Emissionen bei Herstellung, Betrieb und Rückbau. Diese Zielsetzungen lassen sich kurz und knapp in Gesetzesform bringen. Jeder wird sie verstehen. Alle bisherigen Gesetze, die eigentlich Massnahmenkataloge sind, können dafür entfallen.
Warum handelt die Politik nicht entschiedener?
Viele Politikerinnen und Politiker sind besorgt. Ein Teil der Sorgen entsteht durch die Erkenntnis, die Zusammenhänge nicht umfassend genug zu verstehen, um optimal handeln zu können. Hinzu kommt die grosse Sorge vor einer sozialen Destabilisierung der Gesellschaft: Die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander, die Gesellschaft polarisiert sich, viele begeben sich in politische Apathie, weil sie glauben, so oder so nichts bewirken zu können. Es gibt jene, die vor grossen Krisen warnen, und jene, die ihren Lebensstil partout nicht ändern wollen. Alle diese Konflikte haben eine grosse Sprengkraft für unsere Gesellschaft. Zudem verunmöglichen wir die dringend benötigte internationale Zusammenarbeit, indem unsere Politiker permanent Konfrontationspositionen auf- anstatt abbauen und dadurch Konflikte bis hin zu Kriegen induzieren.
Aber das Erreichen der Klimaziele ist ohne eine Veränderung hin zur nachhaltigen Bauwirtschaft nicht möglich?
Nein, das ist ausgeschlossen. Mit dem Bauwesen haben wir den grössten Hebel überhaupt, um die globalen Emissionen zu reduzieren.
Ist der Mensch Ihrer Meinung nach überhaupt in der Lage, die Klimaerwärmung doch noch in Schach zu halten?
Ich spreche immer von einer Klimakatastrophe, denn eine Krise ist gekennzeichnet von einem Anfang und einem Ende – und ein Ende wird es bei der aktuell zu beobachtenden Erderwärmung so schnell nicht geben. Die CO₂-Emissionen der Menschheit sind im letzten Jahr gestiegen, nicht gesunken. Es wird uns vielleicht gelingen, den Anstieg der durchschnittlichen Temperaturen zu verlangsamen, irgendwann wird es dann sicher auch ein Einpendeln auf eine neue Erdmitteltemperatur geben – falls wir unser Emissionsverhalten in den Griff bekommen. Von den Zielen, die einst in Paris vorgegeben wurden, sind wir aber weit entfernt.