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Jedes einzelne Kleidungsstück besteht aus verschiedenen Produktionsschritten in denen die Nachhaltigkeit mit eingeplant werden muss.

Bild: Ricardo Gomez Angel

Produktion & Konsum

Nachhaltigkeit in der Mode: Wie geht das?

Nachhaltigkeit in der Mode ist ein Begriff, der sich wie ein rotes Band durch sämtliche Produktionsprozesse zieht. Von zentraler Bedeutung sind die Rohstoffgewinnung, der Transport, wie auch die Entsorgung. Die Lösungsansätze sind dabei so vielfältig wie die Mode selbst.

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Ziehen wir ein Kleidungsstück aus unserem Schrank, so hat es schon viele verschiedene Prozesse durchlaufen und auch den ein oder anderen Transportweg hinter sich gebracht. So zum Beispiel ein Sweatshirt. Angefangen bei der Gewinnung des Rohstoffes, muss für ein Sweatshirt aus Baumwolle, diese erst einmal angepflanzt, verarbeitet und zur Produktionsstätte transportiert werden. Bei der Produktion vor Ort wird daraus das Sweatshirt zusammengesetzt. Danach kommt der Transport in die Verkaufsstätte und schlussendlich der Konsum. Bei jedem einzelnen Arbeitsschritt ist die Modeindustrie gefragt, diese nachhaltiger zu gestalten. Darum ist der Begriff Nachhaltigkeit in der Mode im weitestgehenden Sinne vielfältig. «Für jeden Bereich muss erst einmal erkannt und verstanden werden, was die einzelnen Kriterien sind, um überhaupt nachhaltig handeln zu können» erklärt Evelyne Roth, Dozentin für Modedesign an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Basel an der Fachhochschule Nordwestschweiz.

Nachhaltige Kreislaufwirtschaft in der Textilindustrie

Dabei gilt es die verschiedenen Bereiche im Prozess so zu strukturieren, dass diese auf Nachhaltigkeit abzielen. Beginnend bei den Rohstoffen würde sich die Frage stellen, wie die möglichst lange Nutzung der Rohstoffe gestaltet werden könnte. «Aber auch die Frage, wie die Rohstoffe so zusammengesetzt werden, dass sie in die Kreislaufwirtschaft sowohl technisch als auch biologisch regenerativ wieder in die Kreisläufe zurückgeführt werden können, stellt sich. Im biologischen Kreislauf heisst das konkret: keine Schadstoffe in den Boden zurückzuführen.» Damit die Textilien und die Materialien, die es braucht, um ein Kleidungsstück herzustellen, als Kreislaufwirtschaft funktionieren, gibt es Lösungsansätze. Jene sind vom Prinzip her ähnlich, wie die Trennung von Altglas, Alu oder Pet. «Wir sprechen dabei entweder von auseinandernehmbarem Material-Mix oder von Entwürfen komplett aus einer Monomaterialität», sagt die Hochschuldozentin. Beim Recyceln von Kleidungsstücken, wie beispielsweise einem Leinen-Hemd, welches aus verschiedenen Materialien zusammengesetzt ist, muss sichergestellt sein, dass das Textil am Hemd nur aus Leinen besteht. Ausserdem müssen Nylonfaden, welche die Stoffe zusammenhalten, entfernt werden. Auch die Knöpfe sollen im besten Fall aus abbaubarem Material bestehen und vom Stoff getrennt werden. Dabei sei wichtig, dass auch die «unsichtbaren» Materialien, wie Appreturen der Veredelung oder die Färbevorgänge regenerativ seien. «Die Kleidung muss also so gestaltet sein, dass nur Monoelemente enthalten sind, oder: die Mischelemente müssen so konzipiert werden, dass wir sie auseinandernehmen können», sagt Roth. Für die Trennung der einzelnen Materialen bei der Wiederverwertung gebe es schon viele Lösungen.

Zeit und Kostenintensität der Nachhaltigkeit

Doch für diese Prozesse brauchen die Unternehmen Zeit. Zeit, welche die Gesellschaft nicht immer bereit ist, abzuwarten. Denn mit der Fast Fashion Industrie sind wir es uns gewohnt, Kleidung zu kaufen, ohne ein Limit zu kennen. Jede Farbe, jeder Schnitt ist für uns schnell und einfach zu einem meist tiefen Preis verfügbar. Dies aber weitentfernt von den Ansätzen der nachhaltigen Mode. «Für die Produktion von einem Kleidungsstück werden teilweise mehrere Teile mehrere Male um die Welt transportiert» sagt Roth. Denn die Rohstoffgewinnungs- und Produktionsorte liegen oftmals weit auseinander. Einen grossen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit ginge es, «wenn die Produktionslokalitäten dort sind, wo auch die Gewinnung der Rohstoffe und schlussendlich der Verkauf stattfindet, um so die umweltbelastenden Transportkosten zu minimieren», erklärt Roth.

Um nicht nur die Transportkosten zu minimieren, sondern auch die Überproduktion einzuschränken, welche die Fashion-Industrie produziert, gäbe es bereits einige Lösungsansätze. So zum Beispiel die On-Demand-Produktion. «Dabei werden Produkte auf Nachfrage produziert, bekannt auch als sogenanntes Made-to-Measure Prinzip». Werden die zeit- und kostenintensiven Aspekte dieser Lösungen beachtet, so sind diese höher als die Angebote der Fast Fashion Industrie. Dessen ist sich auch Evelyne Roth bewusst: «Für uns als Einzelperson ist Nachhaltigkeit teuer, aber was es die ganze Welt kostet, ist ein höherer Preis, den wir schlussendlich bezahlen werden.» Denn laut der Bewegung Fashion Revolution sind Kleider für etwa 3% der weltweiten Produktion von CO2-Emissionen verantwortlich.

Bei Bestehendem ansetzen

Nebst der ganzen Herstellung von Kleidung, setzt die Nachhaltigkeit auch bei Bestehendem an, nämlich bei den Kleidern, die wir bereits gekauft haben. «Es geht darum, diese so lange wie möglich zu halten», denn: «Wir tendieren oft dazu, Kleidung neu zu kaufen, anstatt sie zu reparieren oder zu verändern», sagt Roth. Die Reparaturen seien meist teurer als der Kauf eines neuen Kleidungsstücks. Dabei gebe es nicht nur die Möglichkeit der Reparatur, sondern auch die Möglichkeit, Kleidung zu erweitern mit gestalterischen Elementen. «Die Lust und Faszination der Mode, der verschiedenen Stile – ob laut, schrill oder zurückhaltend – ist ein Bedürfnis des Menschen». Eine Lust, die auch nicht verloren gehen dürfe, sagt Evelyne Roth. Aber es bräuchte ein Umdenken der Gesellschaft und der Modeindustrie, um Kleidung, die bereits besteht, so lange wie möglich am Leben zu halten und Modetrends nicht auf Kosten der Umwelt auszuleben. Denn die Fast Fashion Industrie produziert teilweise wöchentlich neue Kollektionen. Geraten diese aus der Mode, werde die noch ungetragene Kleidung entsorgt. «Das sind Umweltkosten, die von Transport zur Entsorgungsstelle bis zur Entsorgung an sich gehen», sagt Roth.

«Umdenken ist die grösste Herausforderung»

Nachhaltigkeit in der Mode heisst aber nicht nur Nachhaltigkeit in der Produktion, im Transport oder im Konsum, sondern auch Nachhaltigkeit im sozialen Bereich. Konkret bedeutet das: Faire Löhne, menschenwürdige Arbeitsumstände und gesundheitliche Absicherungen aller Arbeitenden, die an der ganzen Lieferkette beteiligt sind. Soziale Nachhaltigkeit bedeutet aber auch eine inkludierende Mode anzubieten. Kleidung, die für jede Körpergrösse und Form geeignet ist und niemanden ausschliesst.
«All diese Aspekte von der Rohstoffgewinnung über den Transport bis hin zur Entsorgung erfordern ein Umdenken, einen Systemwandel und schlussendlich eine Veränderung.» Dieses Umdenken sei laut der Expertin die grösste Herausforderung, der man sich in der Modeindustrie stellen müsse. Auch wenn man diesen Wandel Schritt für Schritt erreichen würde, sei man noch lange nicht dort, wo man sein wolle.

Die «Gen Z» macht es vor

Eine treibende Kraft der nachhaltigen Mode ist die Gen Z. Laut Beobachtungen der Mode-Dozentin von angehenden Designer:innen, sei es für die junge Generation keine Option mehr, in Unternehmen zu arbeiten, die «nicht nachhaltig in der Produktion und im sozialen Bereich sind». Bei den Firmen sei diese Botschaft bereits angekommen, denn: «Wenn ich als Firma nicht nachhaltig produziere und handle, bin ich nicht zukunftsfähig». Die Sensibilität und das Bewusstsein für Nachhaltigkeit in der Mode sei vor allem auch daraus resultierend, dass sich die Konsument:innen mit der Thematik auseinandersetzten würden. Dies wiederum löse ein anderes Handeln und Produzieren von Modeprodukten aus. Wichtig sei darum «das System der Modeindustrie kritisch zu hinterfragen, nur so wird diese nachhaltiger», so Roth.

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