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Die Luft über dem Meer ist heute so sauber, dass das Wasser mehr Sonnenstrahlung aufnimmt als früher.

Die Luft über dem Meer ist heute so sauber, dass das Wasser mehr Sonnenstrahlung aufnimmt als früher. Bild: Reuters

Klima & Energie

Die Erderwärmung hat sich beschleunigt – vermutlich auch deshalb, weil die Luft sauberer geworden ist

Ein Rückgang der Wolkenbedeckung hat ebenfalls zum Erwärmungsschub beigetragen. Fragen und Antworten zu einem Streitthema der Klimaforschung.

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Die Erderwärmung hat sich beschleunigt – vermutlich auch deshalb, weil die Luft sauberer geworden ist

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Containerschiffe, Wolken und Sonnenflecken haben eine Sache gemeinsam: Sie sind Gegenstand einer lebhaften Debatte in der Klimaforschung. Seit ein paar Jahren streiten Fachleute über die Frage, ob sich die globale Erwärmung beschleunigt hat – und wenn ja, woran das liegen könnte.

Die Erde erwärmt sich seit Jahrzehnten, weil die Menschheit Treibhausgase ausstösst, vor allem Kohlendioxid und Methan durch das Verfeuern fossiler Brennstoffe. Von 1980 bis 2010 stieg die globale Mitteltemperatur um rund 0,2 Grad Celsius pro Jahrzehnt. Die Änderungsrate war praktisch konstant.

Seit 2010 messen Forscher jedoch einen schnelleren Anstieg: Er beträgt rund 0,25 Grad pro Jahrzehnt. Wissenschafter haben bereits einige Vermutungen geäussert, welche Ursachen infrage kommen – darunter sind sowohl menschengemachte als auch natürliche.

Wo wurde eine Beschleunigung beobachtet, wo nicht?

Zunächst einmal muss man die Temperatur messen. Sie wird auf der Erdoberfläche an Stationen auf Landflächen erfasst, aber auch über dem Meer, etwa mit Bojen oder Schiffen. Dabei gibt es einen Unterschied. In den Messdaten für das Meer ist seit 1980 eine Beschleunigung der Erwärmung zu erkennen. Die Zickzackkurve der Temperaturen wird immer steiler.

Bei den Messdaten für die Landflächen hingegen muss man zweimal hinschauen, und selbst dann ist eine Zunahme des Erwärmungstempos kaum wahrzunehmen. Der kurzfristige Anstieg in den letzten beiden Jahren ist dabei nicht entscheidend, sondern der gemittelte Verlauf.

Im Oktober 2024 bezweifelte ein amerikanisches Forscherteam noch, dass sich an den weltweiten Temperaturdaten eine Beschleunigung erkennen lasse. Die Rekordtemperatur von 2024 floss in diese Studie aber nicht ein. Andere Forschergruppen sehen aber inzwischen klare Indizien für einen Erwärmungsschub.

Welche weiteren Daten sprechen für eine Beschleunigung?

Grundsätzlich ist es so: Die Sonne erwärmt die Erdoberfläche, und diese sendet die Wärme durch Infrarotstrahlung wieder ans Weltall zurück. Wegen der Zunahme der Treibhausgase strahlt die Erde aber weniger Energie ab, als sie von der Sonne erhält – die Balance ist gestört. Deshalb steigt die Temperatur.

Darum liefern Strahlungsmessungen besonders wertvolle Hinweise zu Fragen nach der schnelleren Erwärmung: Sie geben Aufschluss über Energiegewinne und Energieverluste im Klima.

Der Energiegewinn durch die Differenz zwischen Einstrahlung und Abstrahlung hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten allerdings verdoppelt. Das haben Wissenschafter anhand von Messungen mit Satelliten festgestellt. Diese Verdopplung des Energiegewinns kann gut erklären, warum es zu einer Beschleunigung der Erwärmung gekommen ist.

Das hat laut einer weiteren Studie vor allem mit einem Rückgang der Wolkenbedeckung zu tun. Die Erde absorbiert dadurch mehr Sonnenstrahlung. Die Veränderungen der Wolken hängen teilweise mit der Luftverschmutzung zusammen.

Was haben Sulfate und Wolken mit dem Trend zu tun?

In den vergangenen Jahren ist die Luftverschmutzung vielerorts dank Umweltauflagen zurückgegangen. 2020 erliess die International Maritime Organization strenge Regeln, welche die Sulfatteilchen in den Emissionen von Schiffen auf dem offenen Meer begrenzen. Ausserdem hat China den Ausstoss an Schmutzpartikeln drastisch verringert: Die Emissionen des Landes sanken binnen eines Jahrzehnts um 70 Prozent.

Früher produzierten Containerschiffe viel Rauch – das ist nun vorbei. Bild: Imago

Schweben weniger Schmutzpartikel in der Luft, werfen sie weniger Schatten. Das führt zu einer Aufheizung. Es gibt aber noch eine zweite Wirkung, und die betrifft die Wolken.

Viele Schmutzpartikel bestehen aus Sulfaten. An diesen Partikeln kondensiert Wasserdampf, und es entstehen Wolkentröpfchen. Je mehr Kondensationskeime es gibt, desto mehr Wolkentröpfchen bilden sich, aber sie sind kleiner. Und kleinere Tröpfchen reflektieren mehr Licht. «Luftverschmutzung durch Sulfatpartikel macht die Wolken heller», sagt Richard Allan von der University of Reading in England.

Wird die Luft sauberer, macht das die Wolken also im Umkehrschluss dunkler. Insgesamt absorbiert die Erdoberfläche dann mehr Sonnenlicht und heizt sich stärker auf.

Klimaforscher weisen schon seit Jahrzehnten warnend darauf hin, dass eine bessere Luftreinhaltung den Klimawandel zusätzlich fördere. Diese Vorhersage ist nun offenbar eingetreten. Und es ist abzusehen, dass die Luftverschmutzung in den kommenden Jahren weiter zurückgehen wird.

Weltweit versuchen viele Länder, ihren Ausstoss von Partikelwolken zu verringern. Eines Tages wird das Potenzial zur Verbesserung der Luftqualität aber erschöpft sein, auch in Südasien oder Afrika. Geht die Luftverschmutzung nicht mehr weiter zurück, endet auch die beschleunigende Wirkung auf die Erderwärmung.

Es gibt darüber hinaus einen sich selbst verstärkenden Effekt des Klimawandels, der mit den Wolken zu tun hat. Langfristig reagieren die Wolken auf die Erwärmung in einer Weise, dass sie den Temperaturanstieg intensivieren. Bestimmte Wolken über dem Meer, sogenannte Stratokumulus-Wolken, würden weniger, sagt Richard Allan. Dadurch nimmt das Meer dann mehr Sonnenstrahlung auf.

War die Sonne an der Beschleunigung beteiligt?

Manchmal wird zudem die Sonnenstrahlung als Einflussfaktor erwähnt. Es ist jedoch sehr fraglich, ob die Sonne einen Betrag zur Beschleunigung der Erderwärmung geleistet hat.

Die Aktivität des Sterns schwankt zwar, aber die Zyklusdauer ist mit ungefähr elf Jahren so kurz, dass sie nicht gut zu der beobachteten langfristigen Beschleunigung des Klimawandels passt. Ohnehin schwankt die Gesamtstrahlung der Sonne während eines Aktivitätszyklus nur sehr wenig.

Spielen andere natürliche Vorgänge eine Rolle?

In einem gewissen Rahmen kann das Erdklima auch auf natürliche Weise die Temperatur nach oben oder nach unten treiben – zum Beispiel, weil sich die Wolkenbedeckung ändert. Noch haben Wissenschafter nicht alle dieser internen Klimaschwankungen im Detail verstanden.

Wissenschafter können einzelne natürliche Klimaschwankungen mit statistischen Methoden aus den Temperaturdaten herausrechnen. Doch dieses Verfahren ist nicht perfekt. Derzeit lässt sich noch nicht mit Sicherheit sagen, ob natürliche Schwankungen zur Beschleunigung der Erwärmung beigetragen haben.

Forscher wissen derzeit nicht, ob sich die Beschleunigung in den kommenden Jahren fortsetzen wird. Damit scheint sicher zu sein: Die wissenschaftliche Debatte um das Tempo des Klimawandels wird weitergehen.

Sven Titz, «Neue Zürcher Zeitung» (27.07.2025)

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Dieser Artikel behandelt folgende SDGs

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9 - Industrie, Innovation und Infrastruktur
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