Die umliegenden Länder haben die gleiche demografische Herausforderung wie die Schweiz. Reicht es da, auf die Karte Zuwanderung zu setzen?
«Auf keinen Fall. Wir müssen auch das inländische Arbeitskräftepotenzial noch besser ausschöpfen. Ich denke hier beispielsweise an Rahmenbedingungen, die es für Frauen und auch Männer attraktiv machen, ihr Arbeitspensum zu erhöhen. Oder an Anreize für ältere Menschen, länger im Arbeitsmarkt zu verbleiben. Heute ist es finanziell unattraktiv, über die Pensionierung hinaus zu arbeiten. Ein weiteres entscheidendes Element ist die Erhöhung der Produktivität unserer Wirtschaft: Je stärker sie zulegt, desto weniger einschneidend werden die Konsequenzen des demografischen Wandels sein.»
Das heisst, wir sollen alle noch härter arbeiten?
«Nein, der einzelne Mensch hat nun mal begrenzte Ressourcen. Aber während die Produktivität einer Lehrerin oder eines Pflegefachmanns nicht beliebig gesteigert werden kann, ist dies bei Maschinen, Medizintechnikprodukten, Finanzdienstleistungen, Uhren, Medikamenten oder Fahrzeugen sehr wohl möglich. Und hier ist die Schweizer Wirtschaft stark und international kompetitiv. Sie benötigt dafür aber beste Rahmenbedingungen, zum Beispiel hohe Investitionen in die Bildung und eine kompetitive Forschung sowie den Zugang zu internationalen Programmen wie «Horizon Europe». Aber auch die Regulierungsdichte beeinflusst die Produktivität. Es muss unsere Ambition sein, dass die staatlichen Vorschriften weniger zahlreich, schlanker und pragmatischer sind als in anderen Ländern.»
Neben dem Setzen dieser Rahmenbedingungen – welchen Beitrag kann der Staat leisten?
«In den letzten Jahren haben Bund und Kantone im grossen Stil Personal eingestellt. Dass die Beschäftigungsentwicklung beim Staat stärker ausfällt als in der Privatwirtschaft, ist ein Problem, denn diese Expansion verschärft den Arbeitskräftemangel zusätzlich. Es ist höchste Zeit, dieses Stellenwachstum zu bremsen. Die Politik ist gefordert, dem Staat nicht immer mehr Aufgaben zuzuteilen, sondern sich zu überlegen, auf was man allenfalls verzichten könnte. Ausserdem braucht es auch beim Staat und staatsnahen Betrieben eine Effizienzsteigerung: Wir hinken bei der Digitalisierung hinterher, insbesondere im Gesundheitswesen. Ein Entwicklungsschub würde auch hier den Personalmangel abschwächen.»