Bretonisches Spa-Hotel geht neue Wege
Es ist eine Premiere in der Bretagne, und vielleicht sogar in ganz Frankreich: Das Hotel La Butte hat Schwimmbad und Hammam abgeschafft, um Energie und Wasser zu sparen. Der Umwelt zuliebe.
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Im Hotel «La Butte» wurden aus kologischen Gründen der Pool und das Hammam beseitigt. Bild: Bettina Kaps
Es ist eine Premiere in der Bretagne, und vielleicht sogar in ganz Frankreich: Das Hotel La Butte hat Schwimmbad und Hammam abgeschafft, um Energie und Wasser zu sparen. Der Umwelt zuliebe.
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5 Min. • • Bettina Kaps
Das Spa-Hotel La Butte liegt in einem Dorf im Finistère, im äussersten Westen Frankreichs. Zum Vier-Sterne-Haus gehören ein Feinschmecker-Restaurant mit Michelin-Stern, ein Bistro und eine eigene Bäckerei. Der Komplex ruht auf einer Anhöhe, auf Französisch «La Butte». Nicolas Conraux, seit 2007 Besitzer des Hotels, führt uns stolz in den neuen Ruheraum mit Holzliegen und Sofas. Die Matratzen sind aus Naturwolle gefertigt, die Kissen mit unbehandeltem Leinen bezogen. Eine breite Fensterfront öffnet den Blick auf Felder und Dünen, am Horizont ist das Meer zu sehen. «Wir haben ein riesiges Schwimmbad vor der Tür», sagt Conraux. Er zeigt danach auf eine dunkle Holzplatte, sie bedeckt zwei Drittel des Raums. Darunter befand sich kürzlich noch ein 50 Quadratmeter grosser Infinity-Pool. «Unsere Gäste haben hier in 32 Grad warmem Wasser gebadet. Jetzt geben wir ihnen Neoprenanzüge und fahren sie zum Strand.» Die Temperaturen im Meer schwanken je nach Jahreszeit zwischen 13 und 20 Grad.
Nicolas Conraux leitet den Komplex zusammen mit seiner Frau Solène. Sie haben aus ökologischen Gründen auch das Hammam beseitigt. Die Sauna dagegen wurde vergrössert, damit sich die Meeresschwimmer und andere Gäste aufwärmen können. Aber sie wird gedrosselt. Wo früher 80 Grad möglich waren, wird jetzt nur noch bis 55 Grad geheizt.
Radikale Neuerungen also, die auch Kunden abschrecken können. Warum hat er es dennoch gewagt? «Die Klimaerwärmung ist besorgniserregend. Wir müssen an die Zukunft unserer Kinder und Enkel denken. Außerdem passen Schwimmbad und Hammam nicht mehr zu unserer Philosophie.»
Der 50-Jährige ist auch Koch. Obwohl er den Beruf nie gelernt hat, bekam sein Feinschmeckerrestaurant «La Table» seit 2014 jedes Jahr einen Stern im Michelin. In der Corona-Zeit hat Conraux beschlossen, sich von einer klassischen Gastronomie zu verabschieden, deren Zutaten teils hoch verarbeitet und voller Zusatzstoffe waren. Stattdessen hat er in seiner Küche ein Fermentationslabor mit zwei Fachleuten eingerichtet – eine Seltenheit in Frankreich –, und eine Kochkunst entwickelt, die Conraux zufolge «eine Wiederverbindung mit dem Lebendigen» ermöglicht.
Nicolas Conraux in seiner Küche: Seit 2021 trägt das Hoteleigene Restaurant «La Table» trägt einen «Grünen Stern» des Michelin-Führers für seine Vorreiterrolle in Sachen Umweltbewusstsein. Bild: Bettina Kaps
Perlmuscheln aus Plouguerneau mit fermentiertem Blumenkohl und Piment. In Meereswasser eingelegte Tomaten aus dem Vorjahr, deren Zuckergehalt durch Mikroorganismen in Milchsäure umgewandelt wird, was den Tomaten eine leicht säuerliche bis würzige Note verleiht. Eine Bouillon aus Koji, einem Edelpilz, der in Japan schon seit Jahrtausenden zum Fermentieren verwendet wird. Algen, Fisch und Fleisch... Fast alle Speisen auf der Karte entstehen durch Gärung. Diese uralte und einfache Methode macht Gemüse lange haltbar. Im sauren Milieu bilden sich keine Schimmelpilze und unerwünschte Bakterien, stattdessen aber zusätzliche Vitamine. «Fermentiertes Gemüse ist sehr gesund. Ausserdem brauchen wir dafür keine Energie, es ist eine umweltfreundliche Methode», sagt Conraux. «Ich kann doch nicht mit einer gesunden Speisekarte werben, mein Wasser in der Küche filtern und revitalisieren, und dann sagen: Geht im warmen Chlorwasser baden. Das passt nicht zusammen.»
Der sorgsame Umgang mit der Umwelt zeichnet sich an vielen Details ab. So verzichtet die Küche auf Vakuumverpackungen. Sie will plastikfrei werden. Die grünen Wassergläser im Restaurant bestehen aus marinen Abfällen: Seeohrmuscheln und Algen. Es handelt sich dabei um Kreationen einer bretonischen Kunsthandwerkerin. Die Möbel im Ruheraum sind aus Bäumen gefertigt, die der verheerende Orkan Emir 2023 in der Umgebung zu Fall gebracht hat.
«Wir wollen die Hotellerie und Gastronomie neu erfinden.»
Nicolas Conraux
Hotelbesitzer «La Butte»
Kulinarische Exzellenz und verantwortungsvolle Praktiken. Der Michelin-Führer verleiht dem Restaurant «La Table» seit 2021 auch einen «Grünen Stern» für seine Vorreiterrolle in Sachen Umweltbewusstsein. Die so ausgezeichneten Restaurants sind «eine Inspirationsquelle sowohl für begeisterte Feinschmecker als auch für die gesamte Gastronomiebranche», heisst es in der Begründung.
Für das Ehepaar Conraux begann das Umdenken während einer Familienreise nach Asien. «Wir tauchen viel, und jedes Mal sehen wir noch mehr Plastik, noch mehr leblose Meeresböden.» Auch an Land fiel ihnen auf, wie sehr der Massentourismus die Landschaften verunstaltet hat. «Bei uns im Finistère haben wir zum Glück noch unberührte Küsten und wilde Landschaften. Aber auch hier hatten wir schon Wassermangel und Verschmutzungen. Ja, unserer Hotel soll Touristen anziehen. Umso mehr müssen wir dafür sorgen, dass wir nicht umweltschädlich wirtschaften.»
Die Gäste kommen überwiegend aus der Bretagne, gefolgt von Deutschen, Schweizern und Belgiern. Bei der Reservierung wird ihnen immer erklärt, warum sie neuerdings auf das Schwimmbad verzichten müssen. Und dass sie stattdessen ein Ruheraum erwartet, in dem sie sich massieren und über Kopfhörer zur Meditation anleiten lassen können. Ausserdem werden Yoga und Pilates-Kurse angeboten.
Der neue Ruheraum des Hotels La Butte: Die Matratzen sind aus Naturwolle gefertigt, die Kissen mit unbehandeltem Leinen bezogen. Bild: Bettina Kaps
Viele Kunden verstünden die neue Philosophie. Eine Welle der Kritik gab es jedoch im Netz. Als Reaktion auf Medienberichte über die mutige Entscheidung zugunsten der Umwelt. «Wenn ich die Kommentare in den sozialen Netzwerken lese, denke ich, dass noch ein langer Weg vor uns liegt», bedauert Nicolas Conraux.
Für die Umbauten in seinem Hotel hat er 1,5 Millionen Euro investiert. Und ist damit ein erhebliches Risiko eingegangen. Am liebsten würde er noch viel weiter gehen, sagt Nicolas Conraux. Zum Beispiel alle Kühlschränke unter die Erde verlegen, um sie ohne Strom betreiben zu können, und Solarenergie mit Hilfe von Kollektoren produzieren – aber dafür hat er derzeit kein Geld. «La Butte» ist ein Familienunternehmen in dritter Generation. Die neue Zielrichtung ist auch mit Sohn Paul abgesprochen – der 19-Jährige möchte das Hotel einmal übernehmen.
«Wir wollen die Hotellerie und Gastronomie neu erfinden, das ist möglich. Unser Handwerk kann besser als zuvor auf die sozialen und ökologischen Herausforderungen unserer Zeit reagieren», sagt Nicolas Conraux. Die Gäste lobten ihn oft für das hervorragende Essen. Aber richtig froh ist er, dass viele auch sagen: Ihr Haus beruhigt uns. «Genau das ist unser Ziel.»
Der Trend zur Nachhaltigkeit in der Hotellerie hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Auch in der Schweiz. Immer mehr Hotelbetriebe setzen auf umweltschonende Konzepte und Massnahmen, um den wachsenden Ansprüchen ihrer Gäste gerecht zu werden und ihren ökologischen Fussabdruck zu verringern. Es geht dabei vor allem um den Einsatz erneuerbarer Energien, nachhaltiger Materialien und regionaler Produkte. Ausserdem werden ausgewählte Klima- und Naturschutzprojekte unterstützt.
Premium-Häuser wie The Dolder Grand in Zürich, Sorell Hotels, die Tschuggen Hotel Group oder Stoos Hotels nutzen für ihr Engagement externe Expertise und arbeiten zum Beispiel mit der gemeinnützigen Stiftung Myclimate zusammen. Zahlreiche Beherbergungsbetriebe sind auch Mitglied des 2021 gegründeten Vereins «Responsible Hotels of Switzerland». Dessen Ziel ist es, Hotelbetrieben, die wegweisende Projekte im Thema Nachhaltigkeit umgesetzt haben, ein Schaufenster für ihre besonderen Leistungen zu bieten.
An Hotelgäste, die nach nachhaltigen Angeboten suchen und sich im Dschungel unterschiedlicher Labels besser zurechtfinden möchten, richtet sich das Schweizer Nachhaltigkeitsprogramm «Swisstainable». Heute sind bereits mehr als 2200 Tourismusbetriebe Teil des Programms. Zu den Ländern, die für ihre nachhaltigen Hotels besonders bekannt sind, zählen neben der Schweiz vor allem Norwegen, Schweden, Costa Rica, Neuseeland und Kanada.
Dieser Artikel behandelt folgende SDGs
Die Sustainable Development Goals (SDGs) sind 17 globale Ziele für nachhaltige Entwicklung, vereinbart von den UN-Mitgliedsstaaten in der Agenda 2030. Sie decken Themen wie Armutsbekämpfung, Ernährungssicherheit, Gesundheit, Bildung, Geschlechtergleichheit, sauberes Wasser, erneuerbare Energie, nachhaltiges Wirtschaftswachstum, Infrastruktur, Klimaschutz und den Schutz der Ozeane und der Biodiversität ab.
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