Zürich muss also so viele Bäume pflanzen wie irgend möglich. Doch die Aufgabe, die Stadt in eine waldige Idylle zu verwandeln, sei gar nicht so einfach umzusetzen, sagte Simone Brander. Denn häufig fehle entweder der Platz für grosse Bäume, sei der Untergrund bereits von Leitungen durchzogen, oder es mangle ganz einfach am Wasser, das die Bäume brauchten.
Auf diese Konflikte sei es unter anderem zurückzuführen, dass die von Bäumen begrünte Fläche in den letzten Jahren kontinuierlich abgenommen habe. Umfassten alle Baumkronen auf Stadtgebiet vor zehn Jahren noch eine Fläche von 9,4 Quadratkilometern, waren es 2022 nur noch 8,38 Quadratkilometer. «Der Rückgang entspricht vierzigmal der Fläche des Sechseläutenplatzes», sagte Brander.
Einen Teil der Verantwortung für den schrumpfenden Baumbestand trügen auch private Bauherren, ergänzte Andreas Hauri. Denn was die Stadt 2020 als Standard für öffentliches Bauen festgelegt hat, hat für Private nur den Charakter von Empfehlungen. Auf privatem Boden besteht deshalb keine Pflicht, den Baumbestand zu erhalten, geschweige denn zu erweitern. Dadurch gehen jährlich viele Bäume verloren, die zum Beispiel dann Platz machen müssen, wenn Grundstücke dichter genutzt werden oder wenn Tiefgaragen geplant sind.
Hauri beschrieb den Kampf gegen die Hitze denn auch als politische Herausforderung. Es gelte, die Privaten im Kampf gegen die städtische Überhitzung künftig besser «zu motivieren», sagte er. Um bei der Motivation ein wenig nachzuhelfen, hat der Stadtrat ein Förderprogramm im Rahmen von 28 Millionen Franken bewilligt.
Und natürlich müsse die Stadt auch weiterhin selbst Bäume pflanzen. Allein in diesem Jahr seien schon 600 Stück hinzugekommen, im vergangenen Jahr waren es über 1800. Gemäss Odermatt ist die Stadt damit «auf dem richtigen Weg».
Bis jetzt keine Alternativen zu den Bäumen
Doch was soll aus Plätzen oder Quartieren werden, wo keine Bäume stehen können, der Boden nicht entsiegelt und auch nicht künstlich beschattet werden kann? Bei diesen Orten fällt die stadträtliche Bilanz vorerst durchzogen aus.
Auf dem Turbinenplatz prüfte die Stadtverwaltung von 2022 bis 2023 zum Beispiel die Idee einer künstlichen Wolke. «Alto Zürrus» war eine kreisrunde Vorrichtung mit 180 Hochdruckdüsen und versprühte über den Köpfen der Passanten Wasser. Dieses sollte in der Hitze sogleich verdampfen und die Luft dadurch kühlen.
Unpraktisch war, dass der kühlende Nebel in einer Höhe von fünf Metern waberte und beim geringsten Luftstoss davongetragen wurde. Als die Wasserdüsen dann in Bodennähe verlegt worden seien, habe die Anlage zu einer Reduktion der gemessenen Temperatur um 2,5 Grad Celsius beigetragen, sagt Brander. Im Schatten sei die gefühlte Temperatur sogar um 10 Grad gesunken. Trotzdem werde der Versuch nicht weitergeführt.
Ambivalent war auch das Urteil über ein anderes Projekt, das im Vorfeld auf reges Interesse gestossen war: In der Roggenstrasse experimentierten Fachleute des Tiefbaudepartements mit verschiedenen Strassenbelägen. Die These lautete, dass hellere Beläge mehr Sonnenstrahlen zurückwerfen und dadurch kühler bleiben würden. Doch der Effekt war geringer als erhofft.
Daraus zog Simone Brander den Schluss: «Es gibt auch Flächen, die sich nicht sehr gut für temperaturmindernde Massnahmen eignen.»
Der politische Druck könnte steigen
Trotz dieser ernüchternden Einsicht könnte der politische Druck auf den Stadtrat, mehr für das lokale Klima zu tun, demnächst steigen. Im September kommen die Gegenvorschläge zu zwei Klimainitiativen zur Abstimmung.
Der Gegenvorschlag zur «Gute-Luft-Initiative» verlangt, dass bis in zehn Jahren 145 000 Quadratmeter Strassenfläche in Grünzonen umgewandelt werden. Der Stadtrat hatte diese Zahl auf 40 000 senken wollen, doch der Gemeinderat blieb streng. Der Gegenvorschlag zur «Zukunfts-Initiative» will weitere 462 000 Quadratmeter, die bisher Parkplätzen und Strassen zur Verfügung standen, in Fussgängerzonen und ÖV-Trassen umwandeln.
In Basel lehnten die Stimmberechtigten ähnliche Vorhaben im vergangenen Jahr allerdings klar ab.