Logo image

Bildungskompass

newsletter image

Finde schneller zur passenden Aus- oder Weiterbildung.

Beantworte ein paar Fragen und erhalte personalisierte Vorschläge – oder vergleiche nach deinen eigenen Kriterien.

Jetzt loslegen
Roentgenaufnahme, Brustroentgen Mammographie einer Frau

IMAGO / blickwinkel

Gesellschaft

Wie sinnvoll ist die Brustkrebs-Früherkennung? Die wichtigsten Fakten im Überblick

Das Mammografie-Screening bleibt umstritten: Für die einen sind zentral organisierte Früherkennungsprogramme der Schlüssel zum Sieg über den Krebs, für die anderen überwiegen Nachteile und Kosten. Ein Blick auf die nüchterne wissenschaftliche Evidenz.

0

Teilen
Hören
Logo image

Wie sinnvoll ist die Brustkrebs-Früherkennung? Die wichtigsten Fakten im Überblick

Teilen
Hören

5 Min.  •   • 

Was die Früherkennung von Brustkrebs angeht, ist die Schweiz ein Flickenteppich: Rund die Hälfte der Kantone verfügt über zentral organisierte, von den Kassen finanzierte Programme zur Untersuchung der Brust mittels Röntgenaufnahmen (Mammografie) für Frauen zwischen 50 und 74 Jahren. Die andere Hälfte der Kantone bietet kein solches flächendeckendes Screening an, oft unter Hinweis auf die hohen Kosten und das uneindeutige Nutzen-Risiko-Profil.

Schaffhausen wollte im Herbst das Lager wechseln und ein Mammografie-Screening einführen. Dass der Kanton dies nun erst einmal verschiebt, hat rein finanzielle Gründe: In dem neuen, ab 2026 geltenden schweizerischen Tarifsystem Tardoc sei die Übernahme der Kosten noch nicht geklärt, so der Kanton.

Auch in der Wissenschaft schwelt seit Jahrzehnten eine Debatte um den wahren Nutzen des Mammografie-Screenings. Sie dreht sich um die Frage, wie gross der Nutzen der Früherkennung wirklich ist, wenn man ihn gegen die damit verbundenen Nachteile abwägt.

Brustkrebs bleibt häufig, doch die Heilungschancen sind gestiegen

Klar ist: Weltweit ist Brustkrebs die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. In Industriestaaten ereilt er ungefähr eine von acht Frauen im Laufe ihres Lebens. Die Schweiz registriert rund 6 600 neue Erkrankungen pro Jahr, rund 1400 Frauen sterben daran. Dank besseren Therapien ist der Anteil tödlicher Verläufe in den letzten dreissig Jahren aber stetig zurückgegangen.

Generell gilt: Je früher ein Tumor entdeckt wird, desto besser sind die Heilungschancen. Die Vorteile der Früherkennung liegen auf der Hand. Ihnen stehen aber auch weniger offensichtliche Risiken gegenüber, die es abzuwägen gilt. Die beiden wichtigsten sind falsch-positive Diagnosen und Überdiagnosen.

Als falsch-positive Diagnose bezeichnet man auffällige Befunde, die sich bei der weiteren Abklärung als harmlos entpuppen. Bis zur Entwarnung können die Betroffenen aber erhebliche Ängste und Stress empfinden.

Anders gelagert sind die Überdiagnosen: Der Begriff bezeichnet Funde von echten Tumoren, die jedoch so langsam wachsen, dass sie unentdeckt nie zu einem Problem geworden wären. Da man sie kaum von aggressiveren Krebsformen unterscheiden kann, werden auch sie oft mit allen Mitteln behandelt. Das führt zu unnötigen Chemotherapien oder Brustentfernungen.

Brustkrebs wird auch so entdeckt – nur später

Ein aggressiver Brustkrebs wird auch ohne Screening-Programme früher oder später entdeckt und behandelt. Die grosse Frage lautet also, wie stark sich der Zeitgewinn dank Früherkennung wirklich in einer reduzierten Sterblichkeit von Brustkrebspatientinnen niederschlägt.

Dieser Frage gingen in den 1960er bis 1990er Jahren neun grosse internationale Studien nach, welche die Effekte einer Einführung von Screening-Programmen für Brustkrebs methodisch valide untersuchten. Die Ergebnisse dieser Studien mit insgesamt rund 600 000 Teilnehmerinnen wurden mittlerweile mehrfach in Metastudien ausgewertet und bilden die wichtigste Datenbasis der Diskussion um das Mammografie-Screening.

Welchen Nutzen hat die Früherkennung?

Für die Informationsbroschüre, die in Deutschland jeder Einladung zur Mammografie beiliegt, hat das unabhängige Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) aus den gesammelten Studienergebnissen die folgenden Zahlen hochgerechnet.

Von 1000 Frauen, die zu einer Früherkennungsuntersuchung gehen, erhalten demnach 970 einen unauffälligen Befund und können erst einmal aufatmen. 24 der 30 Frauen mit auffälligem Befund erhalten nach weiteren Untersuchungen ebenfalls eine Entwarnung.

6 Frauen erhalten die Diagnose Brustkrebs. Hinzu kommen 2 Frauen, bei denen zunächst kein Brustkrebs festgestellt wurde, die dann aber noch vor der nächsten Untersuchung an einem neu gebildeten Brustkrebs erkranken.

Bei 6 von 1000 Frauen wird durch das Screening also ein Brustkrebs früher entdeckt und behandelt. Wie wirkt sich das auf die Sterblichkeit aus?

Wenn besagte Gruppe von 1000 Frauen, wie in Deutschland empfohlen, zwischen dem 50. und 75. Lebensjahr 25 Jahre lang regelmässig am Mammografie-Programm teilnimmt, sterben gemäss der Hochrechnung zwischen 16 und 21 an Brustkrebs – die Spanne repräsentiert dabei die statistische Unsicherheit. In einer Vergleichsgruppe von 1000 Frauen ohne Screening würden demnach 24 Frauen an Brustkrebs sterben. Man kann also von rund 3 bis 8 von 1000 Frauen ausgehen, die dank dem Screening vor einem Tod durch Brustkrebs bewahrt werden.

Auch die Zahl von Überdiagnosen lässt sich so abschätzen: In 25 Jahren erhalten 11 bis 15 von 1000 Frauen solch eine «unnötige» Krebsdiagnose und ebenso unnötige Therapien.

Zahlen treffen keine Entscheidungen

«Diese Zahlen sind in Fachkreisen kaum umstritten», sagt Klaus Koch, der Leiter des Ressorts Gesundheitsinformation am IQWiG. Eine kürzlich vom deutschen Bundesamt für Strahlenschutz veröffentlichte Evaluationsstudie des seit zwanzig Jahren laufenden deutschen Screening-Programms komme bezüglich der Vorteile zu vergleichbaren Ergebnissen. «Das legt nahe, dass die klassischen Studien zum Nutzen des Brustkrebs-Screenings trotz den Entwicklungen in Diagnostik und Therapie noch immer valide sind.»

Zahlen allein treffen jedoch keine Entscheidungen. Am Ende gilt es, eine Abwägung zu machen: in der einen Waagschale die vermiedenen Todesfälle, in der anderen die deutlich grössere Zahl von Frauen mit falsch-positiven Diagnosen und Überdiagnosen, die (heutzutage sehr geringe) Strahlenbelastung durch die Röntgenaufnahme oder das für viele Frauen unangenehme Quetschen der Brüste im Mammografie-Gerät.

Was für die einzelne Frau schwerer wiegt, ist eine Frage individueller Werte und Vorlieben – in Deutschland folgen rund die Hälfte der Frauen der Einladung zum Mammografie-Screening.

Auch wichtig: Screening-Programme sind teuer

All das gilt es auch im Gesundheitswesen zu bedenken, wenn es um die Einführung von Screening-Programmen geht – dort kommt aber noch die Frage der Kosteneffizienz hinzu: Deutsche Krankenkassen zahlen für das Brustkrebs-Screening jährlich rund 500 Millionen Euro, die auch in anderen Bereichen hochwillkommen wären. In der Schweiz dürfte ein flächendeckendes Angebot nach eigenen Schätzungen mit 60 bis 80 Millionen Franken pro Jahr zu Buche schlagen.

Für Viviane Hess überwiegen unter dem Strich eindeutig die Vorteile. Die Professorin für Onkologie an der Universität Basel und frisch gewählte Präsidentin des Forschungsverbundes Swiss Cancer Institute rät den Frauen, sich über Vor- und Nachteile des Brustkrebs-Screenings zu informieren, um kompetent entscheiden zu können. «Eine Untersuchung sollte dann nach Möglichkeit in einem zentral organisierten kantonalen Programm stattfinden. Denn diese folgen im Gegensatz zu individuell veranlassten Untersuchungen einheitlichen Qualitätsvorgaben. Und sie erreichen sämtliche Bevölkerungsschichten, nicht nur die gesundheitsbewussten Besserverdienerinnen.»

In den meisten europäischen Ländern kommen die verantwortlichen Fachgremien ebenfalls zu dem Urteil, dass sich die Waage trotz allen Vorbehalten zugunsten von Screening-Programmen neigt.

In der Schweiz gehen die Einschätzungen dagegen auseinander: Für eine Reihe von Kantonen steht der Nettonutzen eines Screenings nicht in einem angemessenen Verhältnis zu den Kosten. Eine Mehrheit der Kantone schätzt dies anders ein und hat Programme etabliert, oder sie sind in Planung. Auch in Schaffhausen sind sich alle Beteiligten trotz der Verzögerung einig: Das Programm soll kommen, nur eben etwas später.

Georg Rüschemeyer, «Neue Zürcher Zeitung» (10.08.2025)

Hier publiziert Sustainable Switzerland exklusiv kuratierte Inhalte aus Medien der NZZ. Abonnemente der NZZ entdecken.

Dieser Artikel behandelt folgende SDGs

Die Sustainable Development Goals (SDGs) sind 17 globale Ziele für nachhaltige Entwicklung, vereinbart von den UN-Mitgliedsstaaten in der Agenda 2030. Sie decken Themen wie Armutsbekämpfung, Ernährungssicherheit, Gesundheit, Bildung, Geschlechtergleichheit, sauberes Wasser, erneuerbare Energie, nachhaltiges Wirtschaftswachstum, Infrastruktur, Klimaschutz und den Schutz der Ozeane und der Biodiversität ab.

3 - Gesundheit und Wohlergehen
5 - Geschlechtergleichheit
10 - Weniger Ungleichheiten

Werbung

Beliebteste Artikel

Empfohlene Artikel für Sie

Der Mensch will arbeiten, vorwärtskommen, Karriere machen - warum eigentlich?
Gesellschaft

Der Mensch will arbeiten, vorwärtskommen, Karriere machen - warum eigentlich?

Foto: Thermoplan
Produktion & Konsum

Nachhaltigkeit als Innovationsmotor

Sustainable Switzerland
Klima & Energie

Der Samstag kann vielerorts der früheste Sommertag seit Messbeginn werden – wenn der Rekord nicht durch Saharastaub verhindert wird

Ähnliche Artikel

https://pixabay.com/photos/cliff-leap-high-rock-boy-2699812/
Gesellschaft

Der tödliche Unterschied: Warum Mann sein ein Gesundheitsrisiko ist

Eine Frau macht Yoga.
Gesellschaft

Longevity: Zwei altbekannte Medikamente versprechen, das gesunde Altern zu verlängern

ETH-Campus Hönggerberg
Gesellschaft

Medizin der Zukunft an der ETH Zürich erleben