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Ein bisschen mehr Sonne darf es sein, um die Vitamin-D-Produktion im Körper in Gang zu setzen.

Ein bisschen mehr Sonne darf es sein, um die Vitamin-D-Produktion im Körper in Gang zu setzen. Bild: Imago

Gesellschaft

Zu viel Sonnenschutz ist auch nicht gut: Wie lange man ungeschützt in der Sonne sein sollte, um ausreichend Vitamin D zu produzieren

Auch im Sommer hat mindestens jeder Fünfte einen Vitamin-D-Mangel. Das wirft Fragen auf: Sollte man vorsichtshalber das ganze Jahr lang Supplemente einnehmen und wie schützt man sich gut genug – aber nicht zu gut – vor der Sonne?

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Zu viel Sonnenschutz ist auch nicht gut: Wie lange man ungeschützt in der Sonne sein sollte, um ausreichend Vitamin D zu produzieren

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Sobald sich der Mensch im Liegestuhl in der Sonne entspannt, beginnt sein Körper mit der Arbeit. Sonnenstrahlen treffen auf die Haut – und damit auf ein Molekül, das reichlich in der Haut vorhanden ist: 7-Dehydrocholesterin. Die energiereiche UVB-Strahlung baut seinen sogenannten B-Ring ab – und setzt damit einen Prozess in Gang, der unbedingt nötig ist, damit der Mensch gesund leben kann.

Ist der B-Ring kaputt, wird das Molekül zu Prävitamin D3. Wenig später wandelt es sich zu Vitamin D3. Und das ist nur der Beginn der körpereigenen Vitamin-D-Produktion.

Als Nächstes gelangt das Vitamin D3 in die Blutbahn und wird zur Leber transportiert. Dort wird es zur nächsten Zwischenstufe umgewandelt: 25-Hydroxyvitamin D. Dieser Wert wird übrigens für gewöhnlich erhoben, wenn der Arzt die Vitamin-D-Versorgung eines Patienten ermitteln will.

Dann geht es in die Niere. Sie wandelt den Stoff in 1,25-Dihydroxyvitamin D um, die aktivste Form von Vitamin D. Diese kann der Körper an den unterschiedlichsten Stellen nutzen. Besonders wichtig ist sie für die Knochengesundheit.

Ohne Vitamin D wird der Körper krank. Doch etwa 35 Prozent der Deutschen und 20 Prozent der Schweizer haben auch im Sommer einen Mangel daran. Dabei muss man die Sonnenstrahlen gar nicht allzu lange auf die Haut treffen lassen, um genügend davon zu produzieren. Das Schweizer Bundesamt für Gesundheit hat eine Tabelle erstellt, in der grob nach Hauttyp unterschieden wird, wie lange man Gesicht, Arme sowie Hände der Sonne aussetzen sollte, um 600 internationale Einheiten Vitamin D zu bilden – das Mindestmass, das man täglich erreichen sollte.

Diese kurzen Zeiten gelten für den Mittag. Wer vormittags oder nachmittags draussen ist, muss laut der Tabelle einige Minuten länger warten. Und ganz wichtig: Um in der angegebenen Zeit genügend Vitamin D zu bilden, dürfen die Hautareale nicht mit Sonnenschutzmitteln eingecremt sein. «Die Zeiten sind je nach Hauttyp so gewählt, dass es nicht zum Sonnenbrand kommen sollte. Und der muss unbedingt vermieden werden», sagt Jörg Reichrath, mit Blick auf das Hautkrebsrisiko. Der Professor an der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie am Universitätsklinikum des Saarlandes ist Sprecher des deutschen Arbeitskreises Dermato-Endokrinologie. Und er beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit den Vor- und Nachteilen von Sonnenstrahlung.

Die Tabelle zeigt, dass helle Typen mittags schon nach fünf Minuten genügend Strahlung abbekommen haben, während Personen mit dunklerer Haut mindestens zwanzig Minuten lang in der Sonne ausharren sollten. Reichrath erklärt: «Das liegt an der Pigmentierung der Haut. Dunkle Hauttypen besitzen mehr Melanin-Pigmente, die ihre Haut dunkel färben und vor UVB-Strahlung schützen.» Dafür müssen sie aber länger warten, bis das UVB genügend B-Ringe in ihrem 7-Dehydrocholesterin aufgebrochen hat.

Weshalb die Vitamin-D-Produktion sehr individuell ist Es wäre praktisch, wenn man mit Blick auf die Tabelle klipp und klar sagen könnte: Mein Sonnen-Soll ist erfüllt, mein Vitamin-D-Speicher ist aufgeladen. Doch die Realität ist komplex. Und die Tabelle liefert eher Richtwerte. Je nachdem, ob man auf einem Berg oder im Tal ist, in den Ferien im Süden oder im Norden, unterscheidet sich der UV-Index.

Das Alter spielt ebenfalls eine Rolle für die Vitamin-D-Herstellung. Denn mit den Jahren sinkt der Gehalt an 7-Dehydrocholesterin in der Haut – der Stoff, der den Ausgangspunkt für die gesamte Vitamin-D-Produktionskette bildet. Zusätzlich gibt es genetische Unterschiede, die den Prozess beeinflussen. «Es ist unmöglich, definitiv zu sagen, wie viel Vitamin D der Einzelne produziert, wenn er sich an die Zeiten in der Tabelle hält», sagt Christian Surber, emeritierter Titularprofessor für Dermatopharmakologie und Spitalpharmazie an der Universität Basel. Sein wissenschaftliches Interesse gilt seit langem dem Sonnenschutz.

Sitzt also ein hellhäutiger Zwanzigjähriger neben seinem ebenso hellhäutigen Vater und seinem Grossvater in der Sonne, wird nach fünf bis zehn Minuten vermutlich jeder von ihnen eine unterschiedliche Menge an Vitamin D produziert haben. Einer vielleicht zu wenig.

Und womöglich hat einer der drei vor dem Aufenthalt im Freien Sonnencrème aufgetragen. Aber produziert der Körper in diesem Fall überhaupt Vitamin D? Immerhin hält sie die UVB-Strahlung ab. Man könnte schlussfolgern: Wer Sonnenschutzmittel nutzt, muss auch im Sommer Vitamin-D-Tabletten schlucken oder Tropfen einnehmen. Doch ganz so einfach ist es nicht.

Viele cremen sich ohnehin schlecht ein

Die Studienlage rund um die Vitamin-Produktion bei Sonnenschutz ist dürftig. Es gibt einige Studien, die das untersucht haben, allerdings nur nach dem Auftragen eines Produkts mit einem eher niedrigen Lichtschutzfaktor um die 15. Solche Untersuchungen kommen zu dem Schluss, dass man trotz der Crème noch ausreichend Vitamin D produziert.

Viele Dermatologen empfehlen jedoch, Sonnencrème mit Lichtschutzfaktor 50 zu verwenden, der die Haut besonders gut schützt. Ob der Körper damit noch ausreichend Vitamin D produziert, ist unbekannt. Solche Studien gibt es nicht.

Christian Surber geht davon aus, dass man in der Regel trotzdem mit ausreichend Vitamin D versorgt ist. Denn keine Sonnencrème hält UV-Strahlung komplett ab. Die Bildung von Vitamin D kann also nicht ganz gestoppt werden. Und er ergänzt: «Die meisten Menschen cremen sich ausserordentlich schlecht ein.» Sie streichen viel zu wenig Sonnenschutzmittel auf, um den auf der Packung angegebenen Lichtschutzfaktor zu erreichen, und sie lassen im Alltag zum Teil ganze Hautareale aus.

Nun könnte man argumentieren: Die Leute sollen sich endlich lückenlos eincremen, um ihre Haut vor Schäden zu schützen. Und sie sollen das ganze Jahr lang Vitamin-D-Tabletten schlucken, weil viele im Sommer ohnehin einen Mangel haben. Doch beide Vorschläge greifen zu kurz.

«Sonne, die Dosis macht’s», so heisst ein Buch, das Jörg Reichrath geschrieben hat. Und diese Botschaft vermittelt er auch im Gespräch. Bei jedem Wetter und zu jeder Tageszeit Sonnencrème mit dem höchsten Lichtschutzfaktor auftragen – das empfehlen zwar viele Dermatologen. Übrigens nicht nur, um Hautkrebs zu vermeiden, sondern auch, weil sie den Menschen helfen wollen, Hautalterung vorzubeugen. Denn Sonnenstrahlen fördern die Faltenbildung.

Aus rein gesundheitlicher Sicht hält Jörg Reichrath solch eine Empfehlung aber für Quatsch. Genau wie Christian Surber. Sonnenschutzmittel solle man auftragen, wenn es nötig sei – und dann sehr grosszügig, um den angegebenen Lichtschutzfaktor zu erreichen. Bei nur kurzen Aufenthalten im Freien sollte man Sonnenstrahlen auf die ungeschützte Haut treffen lassen. «Dabei aber immer unterhalb der Rötungsgrenze bleiben», mahnt Surber.

Supplemente oder Sonne?

«Natürlich kann man zusätzlich Tabletten schlucken, wenn man ganz sicher gehen will», sagt Jörg Reichrath. Für nötig hält er das im Sommer aber nicht. Mehr noch: Es ist umstritten, ob sich Vitamin-D-Supplemente tatsächlich ebenso positiv auf die Gesundheit auswirken wie regelmässig verbrachte Zeit in der Sonne.

Ob allerdings das Sonnenbad allein verantwortlich ist für gesundheitliche Benefits gegenüber den Kapseln, das ist ebenfalls unklar. Wer regelmässig draussen ist und Sonnenstrahlen abbekommt, bewegt sich zum Beispiel vermutlich mehr als Menschen, die ihre Zeit vor allem drinnen verbringen. Und die Aktivität wiederum nützt der Gesundheit ebenfalls. «Es ist wohl eine Kombination aus verschiedenen Faktoren, die sich positiv auswirkt», sagt Reichrath.

Einen Aspekt hat die hauteigene Vitamin-Produktion den Supplementen auf jeden Fall voraus: Man kann sich mit dem selbst hergestellten Vitamin D nicht überdosieren. Wer die Kapseln in zu grossen Mengen schluckt, riskiert etwa Nierenschäden, wie das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung schreibt. Es empfiehlt deshalb, nicht mehr als 4000 internationale Einheiten Vitamin D pro Tag einzunehmen, lieber weniger.

Ein gesunder Körper hingegen schützt sich selbst vor einer zu starken Vitamin-D-Produktion. Scheint die Sonne lange auf die Haut, wird die Produktion gedrosselt. Überschüssiges Prävitamin D3 und auch das daraus entstehende Vitamin D3 werden dann zum Teil wieder abgebaut. Auf diese Weise gelangt nicht zu viel davon in die Blutbahn. Und der Mensch kann sorglos in der Sonne entspannen. Aber trotzdem bitte nicht zu lange. Die Dosis macht’s.

Eva Mell, «Neue Zürcher Zeitung» (31.07.2025)

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Dieser Artikel behandelt folgende SDGs

Die Sustainable Development Goals (SDGs) sind 17 globale Ziele für nachhaltige Entwicklung, vereinbart von den UN-Mitgliedsstaaten in der Agenda 2030. Sie decken Themen wie Armutsbekämpfung, Ernährungssicherheit, Gesundheit, Bildung, Geschlechtergleichheit, sauberes Wasser, erneuerbare Energie, nachhaltiges Wirtschaftswachstum, Infrastruktur, Klimaschutz und den Schutz der Ozeane und der Biodiversität ab.

3 - Gesundheit und Wohlergehen

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