Die Zeit der Klimakompensation ist vorbei
WWF-Experte: Unternehmen sollen einen Beitrag zur Finanzierung von Klimaschutzmassnahmen leisten. Ion Karagounis*
Lange Zeit galt sie als Hoffnungsträgerin im Kampf gegen die Klimakrise: die CO2-Kompensation. Die Idee dahinter ist einfach: CO2-Emissionen, die in der Schweiz anfallen, werden im Ausland reduziert. Verschiedene Gründe kommen für eine solche Kompensation im Ausland in Frage:
Doch die Zeit der CO2-Kompensation läuft ab. Da sind zum einen verschiedene Unzulänglichkeiten im Kompensationsmechanismus, die bis heute nicht beseitigt werden konnten. So gab es in den letzten Jahren viele Projekte, bei denen es unsicher ist, ob die versprochene CO2-Reduktion tatsächlich erzielt wurde (Argumente für und gegen den Kompensationsmechanismus siehe hier).
Hinzu kommt ein grundsätzliches Problem: Mit dem Klimaabkommen von Paris (2015) haben im Gegensatz zum Kyotoprotokoll alle Länder Reduktionsziele erhalten: sie alle müssen ihre Emissionen bis 2050 auf Netto-Null senken. Damit wird die Kompensation obsolet. Denn alle technisch möglichen Reduktionen müssen ein Staat und dessen Unternehmen bei sich selbst leisten, innerhalb der eigenen Grenzen.
Mit dem Ende der Kompensationsmodelle bleibt eine gewichtige Herausforderung: Wirtschaftlich schwache Länder haben Probleme, die notwendigen Massnahmen zur Senkung von Emissionen und zum Schutz vor der Erderhitzung zu finanzieren. Für den WWF gibt es deshalb nur einen Weg: Weg von der CO2-Kompensation und hin zu einem Modell der Klimafinanzierung per CO2-Bepreisung!
Die Klimafinanzierung ist Teil einer glaubwürdigen und wirkungsvollen Klimastrategie von Unternehmen, die ihre Geschäftstätigkeiten Paris-kompatibel ausgestalten wollen. Wie eine solche Strategie aussehen kann, hat der WWF in einem Leitfaden festgehalten. Vier Bausteine sind dabei zentral:
Vollständige Bilanzierung und Offenlegung aller Treibhausgasemissionen (Scope 1-3, das heisst, Emissionen im eigenen Unternehmen und in der Lieferkette).
Reduktion der Treibhausgasemissionen eines Unternehmens inklusive seiner in- und ausländischen Wertschöpfungsketten, abgestützt auf einem wissenschaftsbasierten Pfad, der eine weltweite Erwärmung von maximal 1.5 Grad Celsius anvisiert (wie zum Beispiel wie von der Science-Based-Targets-Initiative vorgeschlagen).
Für die verbleibenden, aus technischen Gründen nicht vermeidbaren Emissionen eine Mitfinanzierung der Klimawende, idealerweise im Umfang der verursachten Klimafolgekosten. Das kann durch Innovationen in den Klimaschutz oder durch hochwertige ganzheitliche Klimaschutzprojekte für Mensch, Biodiversität und Klima geschehen.
Unterstützung von Partnern innerhalb der Wertschöpfungskette, der Branche und bei politischen Entscheidungsträgern hin zu ambitiösem und wirkungsvollem Klimaschutz.
«Wie können wir Emissionen kompensieren, und was sind die günstigsten Optionen?», lauten die Fragen, die sich viele Unternehmen bis heute stellen. Beim neuen Ansatz stehen andere Fragen im Vordergrund: «Stimmen unsere Bemühungen überein mit den globalen Klimazielen? Finanzieren wir einen angemessenen Mix von Massnahmen? Wie können wir einen möglichst hohen Beitrag zu den globalen Zielen leisten, und zwar ausserhalb unserer eigenen Wertschöpfungskette?
Das führt unbestrittenermassen zu Mehraufwänden und mag der gängigen Unternehmenslogik widersprechen, wonach es gilt, vermeidbare Kosten zu reduzieren. Trotzdem lassen sich die zusätzlichen Aufwände rechtfertigen. Unternehmen übernehmen damit Verantwortung, sie leisten einen Beitrag zum Erreichen der globalen Ziele und tragen dazu bei, die Lebensgrundlagen und damit auch die Produktionsgrundlagen für ihre Produkte und Dienstleistungen zu erhalten. Denn je schneller der Klimawandel fortschreitet, desto negativer wirkt sich das auf viele Geschäftsfelder aus und bedroht die Existenz eines Unternehmens.
Im Gegensatz zur Klimakompensation geht beim Konzept der Klimafinanzierung der Blick über den eigenen Tellerrand hinaus. Genau das ist nötig, wenn wir aus der Klimakrise herausfinden wollen.
*Ion Karagounis ist beim WWF Schweiz verantwortlich für neue Wirtschaftsmodelle und Präsident von Go for Impact
Dieser Artikel behandelt folgende SDGs
Die Sustainable Development Goals (SDGs) sind 17 globale Ziele für nachhaltige Entwicklung, vereinbart von den UN-Mitgliedsstaaten in der Agenda 2030. Sie decken Themen wie Armutsbekämpfung, Ernährungssicherheit, Gesundheit, Bildung, Geschlechtergleichheit, sauberes Wasser, erneuerbare Energie, nachhaltiges Wirtschaftswachstum, Infrastruktur, Klimaschutz und den Schutz der Ozeane und der Biodiversität ab.
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