Die Missachtung von Nachhaltigkeitsvorschriften kann unterschiedliche Folgen haben. Wenn eine Gesellschaft, die hierzu verpflichtet ist, in der Schweiz keinen oder einen unrichtigen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht, kann ein Verwaltungsrat mit bis zu
100 000 Franken gebüsst werden. Das im Mai beschlossene EU-Lieferkettengesetz (CSDDD) sieht sogar Bussen von fünf Prozent des weltweiten Umsatzes eines Unternehmens vor.
Ebenfalls denkbar sind zivilrechtliche Forderungen. Die Klimaklage gegen Holcim ist ein Beispiel hierfür. Im Fokus der Nachhaltigkeitsvorschriften standen bis jetzt vor allem die grossen Unternehmen. Als Lieferanten dieser Unternehmen treffen sie aber auch vermehrt KMU. Um die eigenen Pflichten erfüllen zu können, werden immer mehr Kunden von ihren Lieferanten Informationen oder Zusicherungen verlangen. Wer diese Informationen oder Zusicherungen nicht geben kann, weil er sich nicht selber frühzeitig in seiner eigenen Lieferkette abgesichert hat, könnte Umsatz verlieren.
Die Schokoladenherstellerin Maestrani, ein KMU mit 150 Mitarbeitenden, beschäftigt sich schon länger mit ihrer Lieferkette. 1987 hat sie die erste biologische Schokolade in Europa hergestellt. Seit 2016 verarbeitet sie nur noch zertifizierte Kakaobohnen. Heute haben 100 Prozent der Kakaobohnen für ihre eigenen Marken sogar ein Fairtrade- Max-Havelaar- und/oder ein Bio- Label. Daneben führt Maestrani jährlich eine Lieferantenanalyse durch, bei der insbesondere die Einhaltung des Children’s Right Index geprüft wird. Ausserdem stellt das Unternehmen ein Verfahren bereit, das genutzt werden kann, um einen Verdacht auf Menschenrechtsverletzung zu melden. Über ihre Massnahmen zur Einhaltung von Menschenrechten veröffentlicht Maestrani einen Bericht, der seit diesem Jahr für Schweizer Unternehmen mit erhöhtem Risiko für Kinderarbeit bei ihren Lieferanten Pflicht ist. Betreffen wird Maestrani auch die EU-Entwaldungsverordnung, deren Inkrafttreten die EU-Kommission um 12 Monate auf 2026 verschieben will. Ihr zufolge dürfen Produkte wie Kaffee und Schokolade nur noch mit einer besonderen Sorgfaltserklärung in die EU eingeführt werden.
Direkt anwendbar sind auf Schweizer KMU heute noch wenige Nachhaltigkeitsvorschriften. Sorgfaltspflichten gelten für KMU, die Mineralien oder Metalle aus Konfliktgebieten in die Schweiz einführen oder hier bearbeiten und die gesetzlichen Mindestmengen überschreiten. Unternehmen, die zur ordentlichen Revision verpflichtet sind, müssen in Bezug auf Kinderarbeit zumindest eine Risikoprüfung durchführen. Eine Schätzung im Auftrag des Bundes geht davon aus, dass diese Vorschriften zu Konfliktmineralien oder Kinderarbeit bis zu 1200 Unternehmen erfassen.
Rohstofffirmen sind ab einer gewissen Grösse verpflichtet, einen Bericht über Zahlungen an staatliche Stellen zu veröffentlichen. Die Gesetzgebung geht aber weiter. Die EU hat im Juli mit dem Lieferkettengesetz umfangreiche Vorschriften erlassen mit dem Ziel, den Schutz von Menschenrechten und Umwelt auszubauen. Das EU-Lieferkettengesetz wird in den nächsten Jahren gestaffelt von den EU-Mitgliedsländern umgesetzt und soll ab dem Geschäftsjahr 2028 auch für erste Schweizer Unternehmen verbindlich werden, ab dem Geschäftsjahr 2029 dann für alle mit einem Umsatz von mehr als 450 Millionen Euro im EU-Raum.