Das schade nicht nur dem internationalen Klimaschutz, so Kritiker. Sondern entlasse auch Unternehmen und Regierungen aus der Verpflichtung, kostspielige und mühsame Schritte zu tätigen, um auf grüne Alternativen umzusteigen. Indem sie billige und vermeintliche Emissionseinsparungen aus dem Ausland einkauften, täten sie in Wirklichkeit nichts für das Klima. Die Schweiz steht aufgrund ihres Geschäfts mit den eingekauften CO2-Tonnen aus dem Ausland regelmässig unter Beschuss.
Die neuen Regeln versprechen Verbesserung
Inmitten der Skandale um die Klimazertifikate und Kompensationen ging die Arbeit auf Uno-Ebene in den vergangenen Jahren dennoch unbeirrt weiter. Auf den Klimaverhandlungen in Glasgow, in Sharm al-Sheikh und in Dubai gab es zwar immer wieder Fortschritte, ein Deal blieb dennoch aus.
Innerhalb der Messehallen und Kongresszentren sind die Verhandler zu dem sogenannten «Artikel 6» des Pariser Abkommens als besonders harte Knochen bekannt. Keine Gruppe von Unterhändlern und Experten könne länger durchhalten und über hochkomplexe und technische Details verhandeln, sagen Insider. Entsprechend war die Erleichterung unter Beteiligten und Fans gross darüber, dass es im Jahr 2024 endlich so weit war.
Die Klimakonferenz in Baku werde wohl eher für die aufgeladene Atmosphäre in Erinnerung bleiben, als dass die Arbeit zu einem neuen Kohlenstoffmarkt zu Ende gebracht worden sei, schrieb etwa IETA, der grosse und einflussreiche Unternehmerverband, der sich seit Jahren für den Emissionshandel einsetzt. Das könne sich in den kommenden Jahren jedoch ändern. IETA sei «optimistisch, dass die Entscheidungen der COP29 Investitionen in Milliardenhöhe in weltweite Emissionsminderungen und -entnahmen generieren werden». Märkte seien der wirtschaftlich effizienteste Weg, um die Klimaziele zu erreichen, so der Verband.
Aserbaidschan, das in diesem Jahr die Führung der Verhandlungen übernommen hatte und von vielen für die Handhabung der Konferenz kritisiert wird, feierte das Ergebnis erwartungsgemäss enthusiastisch. «Artikel 6 ist schwer zu verstehen, aber seine Auswirkungen werden in unserem täglichen Leben deutlich spürbar sein. Er bedeutet, dass Kohlekraftwerke stillgelegt, Windparks gebaut und Wälder gepflanzt werden. Es bedeutet eine neue Welle von Investitionen in den Entwicklungsländern», so Yalchin Rafiyev, der Chefverhandler aus Aserbaidschan.
Aktivisten sind skeptisch
Viele Beobachter aus der Zivilgesellschaft sind derweil sehr viel vorsichtiger in ihrer Beurteilung der Ergebnisse. Zu schwer wiegen Sorgen, dass die jüngst beschlossenen Regeln für den internationalen Emissionshandel nicht robust genug seien, um langfristig den Klimaschutz zu stärken und gegen kriminelle Aktivitäten zu schützen.
Dabei geht es nicht nur um die Frage der Emissionseinsparungen, sondern auch um den Schutz von Menschenrechten, Fragen zur Gerechtigkeit, Umsatzverteilung und Transparenz. So beklagten Aktivisten, dass Regierungen trotz den neuen Regeln nicht ausreichend gezwungen seien, die relevanten Informationen über den geplanten Handel mit Emissionsreduktionen zeitig bereitzustellen.
Es ist nicht das erste Mal, dass die internationale Gemeinschaft auf den Handel mit CO2-Gutschriften in Entwicklungsländern setzt, um mithilfe von Marktmechanismen Emissionen zu reduzieren. Schon Anfang der 2000er Jahre wurde ein solcher Markt auf die Beine gestellt. Skandale um die Qualität vieler Projekte und Korruptionsvorwürfe zerstörten die Glaubwürdigkeit, die Preise brachen ein, der Markt war am Boden.
Nun soll alles anders werden. Firmen, Anwaltskanzleien und Beratungsunternehmen positionieren sich schon seit einiger Zeit in Erwartung darauf, dass der Handel mit den Zertifikaten endlich offiziell beginnen kann. Während die Schweiz sowie einige wenige andere reiche kleine Länder schon auf bilateraler Ebene angefangen haben, werde der international agierende und von der Uno verwaltete Markt wohl im kommenden Jahr langsam anlaufen können, sagen Beobachter.
Gleichzeitig warnen kritische Beobachter vor allzu grossen Hoffnungen. Zu viel hänge davon ab, dass Projekte künftig scharf kontrolliert werden. «Vieles liegt jetzt in den Händen der Aufsichtsbehörde», so Federica Dossi von Carbon Market Watch. Fehlendes Vertrauen in die Qualität der neuen CO2-Gutschriften würde wohl nicht nur zu sehr niedrigen Preisen führen, sondern auch die Nachfrage in die Zertifikate gering halten. «Ein solches System wäre ein Ablenkungsmanöver und eine Verschwendung von 10 Jahren Verhandlungen über den Kohlenstoffmarkt im Rahmen der [Klimarahmenkonvention] UNFCCC», so Dossi.