Die Empfehlung des Bundesrats lautet, aussagekräftige, vorwärtsblickende Indikatoren für alle Finanzanlagen und Kundenportfolios zu verwenden. Dabei sollten, wo es sinnvoll erscheint, die Swiss Climate Scores Anwendung finden. Warum lanciert die Schweiz einen eigenen Ansatz, obwohl es bereits Taxonomien gibt?
Blick in die Zukunft
Die EU beispielsweise fokussiert auf die Momentaufnahme. Ihre Kriterien setzen bei den wirtschaftlichen Aktivitäten zu einem bestimmten Zeitpunkt an. Die Schweizer Lösung reflektiert dagegen nicht nur den Ist-Zustand der Unternehmen im Portfolio, sondern wirft auch den Blick in die Zukunft. Die ersten zwei Scores konzentrieren sich auf den Ist-Zustand, während die restlichen vier Scores auf die Transition hin zu Netto-Null fokussieren. Ausserdem wird dabei vermieden, dass lediglich zwischen «nachhaltig» und «nicht nachhaltig» unterschieden wird. Die Lösung erlaubt es Finanzmarktakteuren beispielsweise, Kundinnen und Kunden aufzuzeigen, welche Produkte nicht klimafreundlich sind und was mögliche Alternativen wären. Letztlich gibt sie Auskunft darüber, inwieweit die Firmen bereit sind, Anstrengungen zu unternehmen, um die Klimaneutralität zu erreichen.
Entscheidend ist auch, dass die Swiss Climate Scores in enger Zusammenarbeit mit Fachleuten aus der Praxis erarbeitet wurden. Ausserdem fliessen Erkenntnisse aus internationalen Arbeiten und Untersuchungen, beispielsweise der Glasgow Financial Alliance for Net Zero (GFANZ) und der Task Force on Climate related Financial Disclosures (TCFD), in die Scores ein.
Regelmässige Überprüfungen
Überhaupt verstehen sich die Swiss Climate Scores nicht als «der Weisheit letzter Schluss». Im Gegenteil: Es ist geplant, sie regelmässig zu überprüfen und an die jeweils neusten Erkenntnisse anzupassen. Der Bund will gemäss dem Eidgenössische Finanzdepartement prüfen, «wie die Scores angewendet wurden, wie vergleichbar die Anwendungen sind und welche Klima-Anreizwirkung damit verbunden ist. Darauf aufbauend werden die Scores, wenn nötig, weiterentwickelt.»
Schon viele nachhaltige Finanzinnovationen haben in der Schweiz ihren Anfang genommen. So begründete etwa ein Schweizer Unternehmer das Ökoeffizienz- Prinzip und stellte den ersten Umweltgipfel 1992 in Rio auf die Beine. Der Nachhaltigkeitsindex Dow Jones Sustainability ist ursprünglich «made in Switzerland». Und sogar das Kürzel ESG (für Environmental, Social und Governance – also Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) geht auf einen Schweizer Finanzspezialisten zurück. Die Chancen, dass sich die Swiss Climate Scores im Markt durchsetzen, stehen, historisch betrachtet, also gut. Anlegerinnen und Anleger werden wohl schon bald nicht nur nach Renditen und Risiken von Anlagen fragen, sondern auch nach den Swiss Climate Scores eines Anlageprodukts verlangen.