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Glaubt trotz Kritik weiterhin an nachhaltige Anlagen: der EFG-Chef Giorgio Pradelli.

Glaubt trotz Kritik weiterhin an nachhaltige Anlagen: der EFG-Chef Giorgio Pradelli. Bild: Karin Hofer / NZZ

Wirtschaft

Jetzt kommen die «Sustainability Natives» – und sie haben Millionen auf dem Konto: Der Privatbank-Chef Giorgio Pradelli sagt, was er sich von ihnen verspricht

Greenwashing-Skandale haben das Ansehen von grünen Finanzanlagen ramponiert. Doch manche glauben, dass der Trend seine besten Zeiten noch vor sich hat.

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Jetzt kommen die «Sustainability Natives» – und sie haben Millionen auf dem Konto: Der Privatbank-Chef Giorgio Pradelli sagt, was er sich von ihnen verspricht

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Giorgio Pradelli sitzt in einem Konferenzraum seiner Privatbank am Zürcher Bleicherweg, vor ihm ein Teller Sushi. Ein Kellner hat die Thunfisch-Nigiri serviert. Doch der Chef der Privatbank EFG rührt den Teller während des eineinhalbstündigen Arbeitsmittagessens nicht an. Er ist hier, um über ein einziges Thema zu sprechen: nachhaltiges Investieren.

Noch vor wenigen Jahren war das ein unverfängliches Gesprächsthema. Die Marketingabteilungen der Banken überboten sich mit derselben Botschaft: Die Kunden müssten nur in einen der vielen grünen Fonds investieren, um dem Planeten zu helfen. Ihnen standen Tausende Finanzprodukte zur Auswahl, die die Nachhaltigkeitskriterien ESG (Environmental, Social, Governance) erfüllten.

Das Ende der grünen Welle

Dann kam 2021 die Wende, und die Banken gerieten unter allgemeinen Greenwashing-Verdacht. Umweltorganisationen, Whistleblower und Regulatoren warfen ihnen vor, die klimafreundliche Wirkung ihrer Anlageprodukte zu übertreiben. In den Vereinigten Staaten lancierten die Republikaner eine Kampagne gegen ESG-Anlagen. Nachhaltiges Investieren wurde für die Branche zu einem Hochrisikothema.

In Einzelfällen folgten Razzien bei Banken und Bussen in Millionenhöhe. Seitdem ist die Finanzbranche vorsichtiger geworden, die Tonalität nüchterner, die Regulierung strenger. Vielen Finanzhäusern ist die Lust auf Nachhaltigkeit vergangen.

Das spürt man auch bei Pradelli. Der Italiener, seit diesem Jahr Präsident der Vereinigung der schweizerischen Asset-Management- und Vermögensverwaltungsbanken, sagt: «Die Greenwashing-Vorfälle haben die Branche zurückhaltender gemacht.»

Doch er will sich nicht aus dem Segment zurückziehen. Er glaubt, dass nachhaltiges Investieren Zukunft hat – auch wenn bisher nur ein kleiner Teil der Kundschaft mit seinen Portfolios explizite Nachhaltigkeitsziele verfolgt: «Bei EFG sind es etwa 10 bis 20 Prozent.»

Die neue Generation wohlhabender Kunden ticke anders, sagt Pradelli. Die Millionäre und Milliardäre der Zukunft seien mit dem Klimawandel aufgewachsen und entsprechend sensibilisiert. Er nennt sie «Sustainability Natives» – abgeleitet vom Begriff «Digital Natives», also jener Generation, die mit Computern und Smartphones gross geworden ist. «Sustainability Natives», davon ist Pradelli überzeugt, werden nicht nur bald als Erben vom grössten Vermögenstransfer in der Geschichte der Menschheit profitieren, sondern diesen Wohlstand auch für den Kampf gegen die Erderwärmung einsetzen.

Elektrofahrzeuge in China als Hoffnungsschimmer

Weniger revolutionär ist das, was die Vermögensverwaltungsbanken selbst im Bereich Nachhaltigkeit vorhaben. Jahr für Jahr legen sie in einem «Fortschrittsbericht» dar, wie es um die Erfüllung ihrer dreizehn selbstgesetzten Ziele steht.

Etliche Massnahmen decken sich inzwischen mit globalen Regulierungsvorgaben oder gehören längst zum Alltag in der Finanzbranche. Ein Beispiel: Alle Bankmitarbeiter sollen regelmässig zu den Grundlagen der Nachhaltigkeit geschult werden (Massnahme 7). Oder: Die Banken sollen ihre Treibhausgasemissionen messen und offenlegen (Massnahme 11).

Aber selbst vermeintlich harmlose Ziele bergen mittlerweile Reputationsrisiken – wie das Beispiel von Massnahme 1 zeigt. Diese verlangt, dass die Mitgliedsbanken einen Plan vorlegen, um ihre Treibhausgasemissionen bis 2050 auf netto null zu senken. Dabei sollen sie sich nach den Empfehlungen der angesehenen Science Based Targets Initiative (SBTi) richten.

Pikanterweise steht genau diese Initiative selbst unter Greenwashing-Verdacht: Sie bekundete in diesem Frühling die Absicht, Mitgliedsfirmen zu erlauben, einen Teil ihrer Emissionen mit Klimazertifikaten auszugleichen. Kritiker warnten davor, dass dies Unternehmen ermöglichen könnte, ihr Image aufzupolieren, ohne ihre Emissionen tatsächlich zu reduzieren. Wenige Monate später trat der Chef der Initiative zurück.

Die Episode zeigt, wie schmal der Grat im Nachhaltigkeitsbereich ist. Giorgio Pradelli jedoch bleibt optimistisch. Kürzlich habe er bei einer Reise nach China mehr Elektrofahrzeuge gesehen als je zuvor. «Die Entwicklung ist nicht mehr zu stoppen», sagt er.

Lorenz Honegger, «Neue Zürcher Zeitung» (10.12.2024)

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