In Einzelfällen folgten Razzien bei Banken und Bussen in Millionenhöhe. Seitdem ist die Finanzbranche vorsichtiger geworden, die Tonalität nüchterner, die Regulierung strenger. Vielen Finanzhäusern ist die Lust auf Nachhaltigkeit vergangen.
Das spürt man auch bei Pradelli. Der Italiener, seit diesem Jahr Präsident der Vereinigung der schweizerischen Asset-Management- und Vermögensverwaltungsbanken, sagt: «Die Greenwashing-Vorfälle haben die Branche zurückhaltender gemacht.»
Doch er will sich nicht aus dem Segment zurückziehen. Er glaubt, dass nachhaltiges Investieren Zukunft hat – auch wenn bisher nur ein kleiner Teil der Kundschaft mit seinen Portfolios explizite Nachhaltigkeitsziele verfolgt: «Bei EFG sind es etwa 10 bis 20 Prozent.»
Die neue Generation wohlhabender Kunden ticke anders, sagt Pradelli. Die Millionäre und Milliardäre der Zukunft seien mit dem Klimawandel aufgewachsen und entsprechend sensibilisiert. Er nennt sie «Sustainability Natives» – abgeleitet vom Begriff «Digital Natives», also jener Generation, die mit Computern und Smartphones gross geworden ist. «Sustainability Natives», davon ist Pradelli überzeugt, werden nicht nur bald als Erben vom grössten Vermögenstransfer in der Geschichte der Menschheit profitieren, sondern diesen Wohlstand auch für den Kampf gegen die Erderwärmung einsetzen.
Elektrofahrzeuge in China als Hoffnungsschimmer
Weniger revolutionär ist das, was die Vermögensverwaltungsbanken selbst im Bereich Nachhaltigkeit vorhaben. Jahr für Jahr legen sie in einem «Fortschrittsbericht» dar, wie es um die Erfüllung ihrer dreizehn selbstgesetzten Ziele steht.
Etliche Massnahmen decken sich inzwischen mit globalen Regulierungsvorgaben oder gehören längst zum Alltag in der Finanzbranche. Ein Beispiel: Alle Bankmitarbeiter sollen regelmässig zu den Grundlagen der Nachhaltigkeit geschult werden (Massnahme 7). Oder: Die Banken sollen ihre Treibhausgasemissionen messen und offenlegen (Massnahme 11).
Aber selbst vermeintlich harmlose Ziele bergen mittlerweile Reputationsrisiken – wie das Beispiel von Massnahme 1 zeigt. Diese verlangt, dass die Mitgliedsbanken einen Plan vorlegen, um ihre Treibhausgasemissionen bis 2050 auf netto null zu senken. Dabei sollen sie sich nach den Empfehlungen der angesehenen Science Based Targets Initiative (SBTi) richten.
Pikanterweise steht genau diese Initiative selbst unter Greenwashing-Verdacht: Sie bekundete in diesem Frühling die Absicht, Mitgliedsfirmen zu erlauben, einen Teil ihrer Emissionen mit Klimazertifikaten auszugleichen. Kritiker warnten davor, dass dies Unternehmen ermöglichen könnte, ihr Image aufzupolieren, ohne ihre Emissionen tatsächlich zu reduzieren. Wenige Monate später trat der Chef der Initiative zurück.
Die Episode zeigt, wie schmal der Grat im Nachhaltigkeitsbereich ist. Giorgio Pradelli jedoch bleibt optimistisch. Kürzlich habe er bei einer Reise nach China mehr Elektrofahrzeuge gesehen als je zuvor. «Die Entwicklung ist nicht mehr zu stoppen», sagt er.