Der letztjährige Overshoot Day der Schweiz fand am 13. Mai 2023 statt – dieses Jahr ist er am 27. Mai. Sind wir mit unseren Ressourcen besser umgegangen?
Im Vergleich zu den Vorjahren nimmt der Ressourcenverbrauch der Schweiz pro Kopf aktuell ein wenig ab. Aber wir bewegen uns weiterhin auf einem sehr hohen Niveau. Denn die Übernutzung verhält sich kumulativ. Das heisst, wenn Jahr für Jahr mehr CO2 in die Atmosphäre abgegeben wird, summiert sich die Menge. Selbst wenn die jährlichen Emissionen konstant bleiben, steigt die Gesamtmenge des CO2 in der Atmosphäre kontinuierlich an.
Der Ressourcenverbrauch der Schweiz nimmt demnach nicht schnell genug ab, um wirklich einen Unterschied zu machen?
Nein. Ob wir jetzt einen Viertel oder nur einen halben Planeten mehr brauchen – die Atmosphäre wird immer voller. Dass der diesjährige Overshoot Day 14 Tage später stattfindet, hängt aber auch mit der Datenlage zusammen. Diese ändert sich ständig. Daher passen wir unsere Footprint-Accounts ständig an.
Wie viele Erden bräuchten wir aktuell?
Die Daten der UN zeigen, dass die Menschheit aktuell etwa das 1,7-fache der Ressourcen braucht, die die Biosphäre regenerieren kann. In einem laufenden Jahr haben wir also unser «Budget» an Ressourcen nach ungefähr sieben Monaten aufgebraucht und leben dann vom Abbau der natürlichen Ressourcen. Hinzu kommt, dass auch die Biodiversität Ressourcen verbraucht und Platz benötigt. Selbst wenn die Menschheit es schaffen würde, ihren Ressourcenverbrauch auf einen Planeten zu reduzieren, wären wir im Overshoot.
Die Menschheit müsste ihren Ressourcenverbrauch demnach halbieren. Was geschieht, wenn uns das nicht gelingt?
Stagflation. Man kann das zeitlich noch ein bisschen herauszögern, aber am Ende werden wir einer Ressourcenknappheit gegenüberstehen, die auch die Wirtschaft beeinflussen wird.
Wie kann die Schweiz dieses Szenario abwenden?
Die Vorbereitung auf die Zukunft liegt in unserer eigenen Hand. Das grösste Missverständnis ist zu glauben, dass es keinen Sinn macht, zu reagieren, wenn alle anderen es nicht tun. Doch je weniger die anderen sich auf die Zukunft vorbereiten, desto wesentlicher wird es für uns. Die Schweiz muss sich fragen, wie viele Ressourcen wir nutzen und woher wir diese Ressourcen beziehen wollen. Weltweit stammt 60 Prozent des materiellen Inputs aus fossilen Energiequellen. Wenn wir diese auf null reduzieren wollen und unser Ziel Ressourcensicherheit ist, müssen wir alternative Energiequellen finden. Wir müssen uns fragen: «Was wird wertvoll?».
«Was wird wertvoll?», können Sie diese Frage beantworten?
Die Zukunft war noch nie so voraussehbar wie heute. Wir wissen, dass Ressourcenknappheit und Klimawandel die Zukunft bestimmen werden. Und wir wissen, dass diese Zukunft schneller eintreffen wird, als sich die physische Infrastruktur anpassen kann. Was wertvoll sein wird, sind Dinge, die in dieser Zukunft funktionieren. Unternehmen, die Produkte oder Dienstleistungen produzieren, die Menschen benötigen und bereit sind, dafür zu bezahlen, werden im Vorteil sein.
Das klingt, als sei die Lösung offensichtlich.
Ist sie meines Erachtens auch. Warum sich nicht alle Investoren darauf stürzen, ist mir schleierhaft.
Kann sich die Situation also noch zum positiven verändern?
Zu verstehen, wie die Welt funktioniert, ist meiner Meinung nach nur positiv. Dadurch erhalten wir die Chance, uns auf die Zukunft vorzubereiten. Wir wissen, worin wir investieren müssen. Der Markt versteht noch nicht, wie wertvoll die Dinge sind, die in Zukunft wichtig werden. Dadurch kann man diese Dinge aktuell zu einem günstigen Preis erwerben. Das ist eine gute Nachricht.
Was braucht es, dass der Markt schaltet?
Der Markt wird sich wahrscheinlich irgendwann aus Neid wieder ausgleichen.