Mehr als nur Bäume
Geht es darum, der Atmosphäre CO₂ zu entziehen, gibt es keine universell wirksamen Patentlösungen, auf welche die Post CDR AG zurückgreifen könnte. Klar ist, dass Bäumen beim Kohlenstoffkreislauf eine wichtige Rolle zufällt. Ein einzelner grosser Baum kann über seine gesamte Lebensdauer der Atmosphäre bis zu 30 Tonnen CO₂ entziehen und speichern. Da scheint die Devise naheliegend: Aufforsten, was das Zeug hält!
So einfach sei dies leider nicht, werfen Fachleute ein. Im Zusammenhang mit dem Klimawandel müsse man das gesamte Ökosystem Wald betrachten und dürfe nicht bloss an den einzelnen Baum denken, heisst es. Zudem sei dieses Ökosystem mit dem Klimawandel zunehmend überfordert. Vergangene Klimaänderungen aus natürlichen Ursachen seien weit langsamer verlaufen, sodass Ökosysteme wie der Wald Zeit gehabt hätten, sich anzupassen. Das Dilemma: Der menschengemachte Klimawandel verläuft den Angaben zufolge um ein Vielfaches schneller, sodass schon heutige Wälder mit dem Klima nicht mehr im Gleichgewicht sind. Darum reiche die Zeit nicht mehr aus, heisst es, um das Ökosystem Wald sich selbst zu überlassen. Es müsse aktiv gemanagt werden, was eine «riesige Herausforderung» sei.
Statt alte Bäume einfach verrotten zu lassen – was zu einer Freisetzung des gespeicherten CO₂ führen würde –, müssen diese nach Expertenmeinung im richtigen Moment effizient und waldschonend geschlagen und der holzverarbeitenden Industrie zugeführt werden. Auf diese Weise könnten sie als Baumaterialien oder Möbelstücke noch Jahrzehnte, vielleicht sogar Jahrhunderte lang ihre Speicherfunktion beibehalten.
Suche nach dem idealen Wald
Um ihr Vorhaben, der Atmosphäre CO₂ zu entziehen, umsetzen zu können, hat die Post CDR AG unter anderem nach einem Wald gesucht, der als guter CO₂-Speicher und Lieferant für langlebige Holzprodukte dienen kann. Kriterien waren dabei nicht nur der Zustand des Walds, sondern auch die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen am Standort. Nicht zuletzt musste der Wald zum Kauf zur Verfügung stehen – etwas, das in der Schweiz kaum mehr der Fall ist. Die Post CDR AG entschied sich schliesslich für 2400 Hektar Wald, etwa die Fläche der Stadt Basel, im ostdeutschen Thüringen. Sie wird den Wald nachhaltig mit einem Fokus auf einen hohen Stammholzanteil bewirtschaften und eine sogenannte Kaskadennutzung einrichten, durch die geerntetes Holz mehrstufig über eine lange Zeit genutzt wird. Dies reduziert den Ressourcenverbrauch und sorgt dafür, dass das im Holz gebundene CO₂ dauerhaft gebunden bleibt.
Eine weitere natürliche Methode zur aktiven CO₂-Speicherung ist Pflanzenkohle (Biochar). Sie wird in der Schweiz aus schadstofffreiem heimischen Restholz hergestellt und hat vielfältige Einsatzmöglichkeiten: als Hilfsstoff für trockene oder Regulator für nasse Böden, als Einstreu, als Futtermittelzusatz oder zur Verbesserung der Bodenqualität. In Südamerika hat man damit positive Erfahrungen gemacht: Hier wird Pflanzenkohle von Bauern schon seit Jahrhunderten in die Böden eingebracht. Diese wurden auf diese Weise extrem fruchtbar.
Für den Kampf gegen den Klimawandel wichtiger ist jedoch, dass Pflanzenkohle als Langzeitspeicher für CO₂ dienen kann. Sie besteht zu einem Grossteil aus Kohlenstoff in einer Form, die nur sehr langsam abgebaut wird; das von der Ausgangspflanze aus der Luft «aufgefangene» CO₂ bleibt deshalb langfristig gespeichert. Auch hier engagiert sich die Post, indem sie langfristig CO₂-Zertifikate von ihrem Projektpartner First Climate erwirbt, der langjährige Erfahrung in diesem Bereich hat.
Zukunftsfähige Lösungen
«Das Engagement der Post, um auf Netto-Null zu kommen, geht über den sonst üblichen Einkauf von Zertifikaten mit unsicherem Nutzen hinaus», resümiert Prof. Dr. Armin Eberle, Leiter des Instituts für Nachhaltige Entwicklung an der ZHAW. Auch er gehört dem Beirat der Post CDR AG an. Eberle weiter: «Die negativen Emissionen beschafft sich die Post durch langfristige und messbare Wirkungen aus eigenen Investitionen. Mit der Nutzung von nachhaltig geerntetem Holz im Bau oder der Verarbeitung von Biokohle treibt sie zukunftsfähige CO₂-Neutralisationslösungen voran und leistet einen effektiven Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels.»