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In Texas wird überschüssiges Erdgas abgefackelt – das kann auch zu Methanemissionen führen.

In Texas wird überschüssiges Erdgas abgefackelt – das kann auch zu Methanemissionen führen. Bild: Reuters

Klima & Energie

Methan heizt den Klimawandel an. Und neue Zahlen zeigen: Das Problem ist weitaus grösser als angegeben

Das mächtige Treibhausgas ist verantwortlich für rund 30 Prozent der Erderwärmung seit der Industriellen Revolution. Unternehmen versprechen seit Jahren, Methanemissionen zu reduzieren. Neue Daten zeigen jedoch: Die Emissionen fallen nicht.

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Methan heizt den Klimawandel an. Und neue Zahlen zeigen: Das Problem ist weitaus grösser als angegeben

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Inhaltsverzeichnis

1. Problem 1: Die Datenlage

2. Problem 2: Öl, Gas- und Kohleproduktion

3. Problem 3: Viele kleine Emissionsquellen

4. Problem 4: Es gibt Versprechen, aber die Umsetzung fehlt

Methan heizt die Atmosphäre stärker auf als Kohlendioxid – zerfällt aber auch sehr viel schneller. Denn Methan verschwindet zwar nach rund einem Jahrzehnt wieder aus der Atmosphäre, erwärmt auf 20 Jahre gerechnet aber die Atmosphäre rund 80-mal so stark wie CO2.

Das macht es zu einem zentralen Hebel in der Klimapolitik – und erklärt, warum Aktivisten zunehmend grosse Kampagnen fahren, um Methanemissionen zu reduzieren, und das insbesondere in der Öl- und Gasbranche.

Die orange-rote Farbe zeigt an, wo im Jahr 2021 die Durchschnittswerte von Methankonzentrationen besonders hoch waren. Bild: European Space Agency

Dieser Fokus hat auch ein neues Geschäftsfeld eröffnet: Unternehmen spüren mittels Satelliten und anderer Technologien Methanquellen weltweit auf.

Erdgas besteht hauptsächlich aus Methan. Bei der Ölförderung tritt Methan als Beiprodukt aus. Die Emissionen entstehen aus verschiedenen Gründen, zum Beispiel wenn Methan aus stillgelegten Erdöl- und Erdgasraffinerien, aus Erdgasfeldern oder Flüssiggas-Terminals unbemerkt in die Luft entweicht oder durch Lecks austritt. Auch beim Abfackeln werden Emissionen verursacht.

Unternehmen versprechen seit Jahren, Methanemissionen zu reduzieren. Neue Daten der Internationalen Energieagentur (IEA) zeigen jedoch: Die Emissionen fallen nicht. Das ist ein Problem. Vier Probleme – inklusive möglicher Lösungen – stechen dabei besonders hervor.

Problem 1: Die Datenlage

Die Methanemissionen sind weltweit insgesamt weitaus höher, als es die offiziellen Daten durch Regierungen angeben. Das ist ein Problem, das laut der IEA vor allem einen Grund hat: In den meisten Teilen der Welt melden Regierungen keine kompletten Datensätze oder schätzen die Zahlen, statt tatsächlich zu messen.

In Europa ist die Diskrepanz zwischen den IEA-Zahlen und denjenigen der offiziellen Emissionsinventare am geringsten. Der Grund? Regierungen aktualisieren regelmässig ihre Daten, auch einige Hersteller melden ihre Emissionen.

Auch in anderen Ländern gibt es zunehmend Bemühungen, die Datenlage zu verbessern, so die IEA. Kanada etwa – einer der grössten Öl- und Gasproduzenten der Welt – änderte erst vor kurzem die Methodologie zur Datenerhebung. Das Ergebnis? Die verbesserte Statistik fand 35 Prozent mehr Methanemissionen aus der Öl- und Gasindustrie, als man vorher angenommen hatte.

Im Mai hat die Energieagentur neue Zahlen vorgelegt, die auf einer Reihe von Quellen beruhen. Darunter sind wissenschaftliche Studien, Messdaten einzelner grosser Emissionsquellen und Satellitendaten. Dabei wird klar, wie gross die Schere zwischen Realität und verfügbaren Zahlen ist:

«Unsere Schätzung der gesamten energiebedingten Methanemissionen weltweit liegt etwa 80 Prozent über der Gesamtzahl, die von den Ländern an die UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) gemeldet wird», so die IEA.

Problem 2: Öl, Gas- und Kohleproduktion

So viel steht jedenfalls fest: Kohle, Öl- und Gasanlagen setzen grosse Mengen des Klimakillers Methan frei. Die Industrie der fossilen Brennstoffe ist heute für rund ein Drittel der weltweiten – und menschengemachten – Methanemissionen verantwortlich. Rechnet man die Bioenergie hinzu, steigt der Anteil auf über 35 Prozent.

Öl, Gas und Kohle haben derweil im vergangenen Jahr grosse Mengen von Methan produziert. Der Energiesektor hat laut IEA weltweit Methanemissionen von über 120 Millionen Tonnen ausgestossen – im vergangenen Jahr lagen die Emissionen laut Angaben noch leicht darunter.

Aktivisten haben einen besonderen Grund, warum sie vor allem auf die Öl- und Gasunternehmen abzielen. Hier können sie für einmal mit ökonomischen, nicht nur moralischen und umweltpolitischen Argumenten punkten. «Die Landwirtschaft und die Müllindustrie seien zwar auch grosse Emissionsquellen, aber die Herstellung von fossilen Brennstoffen stelle das grösste Potenzial für schnelle Reduktionen dar», schreibt auch die IEA. Denn es ist relativ einfach und kostengünstig, die Emissionen in den Griff zu bekommen.

Wieso das? Laut IEA könnten etwa 70 Prozent der Methanemissionen mit bestehenden Technologien vermieden werden. Dazu gehören im Öl- und Gassektor die Nachrüstung von Anlagen, insbesondere bei Dichtungen, die aufgrund der Bauweise Emissionen freisetzen. Auch beim Kohleabbau wird Methan frei, das zuvor im Boden eingeschlossen war. Um Minenarbeiter zu schützen, wird Methan in die Luft abgelassen. Emissionen könnten beispielsweise durch den Einsatz von Abfackelungstechnologien gemindert werden.

Was das zusätzlich wirtschaftlich attraktiv macht: Die erforderlichen Ausgaben seien geringer als der Marktwert der zusätzlich abgeschiedenen Gasmengen, die weiterverkauft oder von den Unternehmen selbst genutzt werden könnten, schreiben die IEA-Analysten. Rechnet man mit den durchschnittlichen Energiepreisen vom letzten Jahr, könnten rund 35 Millionen Tonnen der gesamten Methanemissionen aus Öl, Gas und Kohle ohne Nettokosten vermieden werden.

Die Rechnung ist sehr theoretisch. Das räumen die Analysten der IEA ein. In der Praxis gibt es für einige Massnahmen hohe Vorlaufkosten, und in vielen Fällen ist es nicht möglich, das abgeschiedene Gas auch tatsächlich auf den Markt zu bringen. Dafür müssten Unternehmen erst einmal in neue Infrastrukturen oder Transportmittel investieren, ein aufwendiger und kostspieliger Schritt.

Problem 3: Viele kleine Emissionsquellen

Der Krater von Darvaz brennt seit 1971 – und stösst grosse Mengen von Methan aus. Er ist heute sogar eine Touristenattraktion. Bild: Imago

Für die Aktivisten und Forscher steht fest: Um Unternehmen und Regierungen zu Emissionsminderungen zu bewegen, muss das Problem sichtbar werden.

Alle paar Monate gibt es aus diesem Grund neue Bilder von grossen und bislang unentdeckten Emissionsquellen, die Schlagzeilen machen. Das «Tor der Hölle» in Turkmenistan, ein offenes Loch, aus dem seit Jahrzehnten Methanemissionen aufsteigen, ist dabei ein besonders anschauliches Bild für ein sonst unsichtbares Phänomen.

Dabei sind die grossen, vereinzelten Emissionsquellen etwa durch Lecks nicht einmal das wirkliche Problem, sagen Experten. Die Mehrheit der Emissionen wird von vielen kleinen Ereignissen verursacht, verteilt auf Tausende von Anlagen in der ganzen Welt.

Dabei hat die IEA in diesem Jahr zum ersten Mal ein zusätzliches Problem identifiziert. «Stillgelegte Anlagen emittieren mehr Methan als einige der grössten Produzenten fossiler Brennstoffe», heisst es in dem jüngsten Bericht.

Alleine auf der Basis der begrenzten Daten schätzt die IEA, dass es weltweit etwa 8 Millionen verlassene Onshore-Öl- und -Gasbohrungen sowie eine grosse Anzahl verlassener Kohlebergwerke gibt. Davon befindet sich die Hälfte in den USA. Zwar würden die meisten Bohrlöcher den Regeln entsprechend geschlossen und stossen entsprechend «vernachlässigbare Mengen an Methan» aus.

Ist das jedoch nicht der Fall, können Bohrlöcher oder Entlüftungsöffnungen noch viele Jahre lang Methan emittieren, wie die IEA-Analyse warnend darlegt. Letztes Jahr wurden laut Schätzungen weltweit fast 5 Millionen Tonnen Methan aus stillgelegten Kohlebergwerken und etwas mehr als 3 Millionen Tonnen aus stillgelegten Öl- und Gasbohrungen freigesetzt. Zusammen machen sie rund 5 Prozent der energiebedingten Methanemission aus und stehen so nach China, den USA und Russland an vierter Stelle auf der Liste der grössten Methanverschmutzer aus der Industrie der fossilen Brennstoffe.

Noch ist das Problem kaum präsent in öffentlichen Debatten. Aber das wird sich insbesondere in Europa ändern, je mehr Anlagen stillgelegt werden – nicht nur auf dem Land, sondern auch in den europäischen Meeren. Forschungsmissionen in der Nordsee fangen schon an, die Emissionen durch stillgelegte Bohrlöcher am Meeresgrund zu berechnen.

Der Druck auf Unternehmen steigt auch regulatorisch – in der EU sowie im Vereinigten Königreich. Sie müssen sicherstellen, dass die alten Anlagen keine zusätzlichen Emissionsquellen darstellen.

Problem 4: Es gibt Versprechen, aber die Umsetzung fehlt

Seit 2021 versprechen immer mehr Regierungen und Unternehmen, dass sie Methanemissionen bis 2030 um 30 Prozent reduzieren würden. Auf der Weltklimakonferenz in Glasgow wurde dieses Methan-Pledge mit Pauken und Trompeten angekündigt. Seither ist kaum etwas geschehen. Kaum eines der vielen Versprechen ist mit konkreten Auflagen und Abgaben untermauert.

Die Satellitenbilder und Messungen vor Ort durch Umweltaktivisten und Forscher haben jedoch in der EU den Druck erhöht, konkrete Schritte zu unternehmen. Regierungen beschlossen 2023 neue Auflagen, die darauf abzielen, die Kontrolle und die Reparatur von Lecks zu verbessern. Neue Emissionsnormen für Gaseinfuhren zielen darauf ab, die grossen Exportnationen USA, Russland oder auch die Golfstaaten zu Emissionsminderungen zu zwingen. Unter Präsident Donald Trump planen die USA jedoch, Methanauflagen wieder aufzuheben.

Die kommenden Jahre werden zeigen, ob die EU ihre Marktmacht nutzen kann, um Veränderungen zu erreichen. Was in den kommenden Jahren sicher ist: Mithilfe von Satelliten- und anderen Technologien wird das Ausmass des Methanproblems immer deutlicher werden.

Kalina Oroschakoff, «Neue Zürcher Zeitung» (28.05.2025)

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