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Mit der Annahme des neuen Stromgesetzes ist der Weg frei zur Förderung von einheimischen erneuerbaren Energien. Die Aufnahme zeigt den Windpark Gries im Kanton Wallis. Bild: Adobe Stock

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Der Ukraine-Krieg hat Folgen für die Schweizer Strompolitik

Handeln ist besser als Nichthandeln, wenn eine Energiekrise verhindert werden soll: Das Schweizer Stimmvolk auf dem langen Weg in die Klimazukunft.

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Alle reden nun von Albert Rösti, aber man sollte Wladimir Putin nicht vergessen. Dass fast 70 Prozent der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger Ja zum neuen Stromgesetz gesagt haben, darf sicher zu einem guten Teil dem politischen Geschick des Berner Oberländers zugeschrieben werden, der noch als Parlamentarier eine mehrheitsfähige Vorlage gezimmert und diese als Bundesrat im Wahlkampf geschickt vertreten hat. Aber ohne den russischen Diktator wäre es am 9. Juni viel knapper geworden.

Rückblende: Am 13. Juni 2021 lehnte das Stimmvolk das CO2-Gesetz ab, das als grosser Sprung vorwärts Richtung klimaneutrale Energiezukunft galt, wie sie die bundesrätliche Energiestrategie 2050 definiert. Die Gegner des Gesetzes bemängelten aber, das Gesetz bringe eine übermässige Verteuerung von Benzin und Heizöl; Fliegen werde verteuert; beim Neubau von Gebäuden würden viel zu rigorose Klimaschutzziele vorgeschrieben. Als Gesamtpaket wirkte das vorgeschlagene Gesetz offensichtlich für viele allzu dirigistisch.

Breiter abgestützt

Bern nahm einen zweiten Anlauf, der unter dem Namen Stromgesetz firmierte. Dieser wollte die wichtigsten Kritikpunkte entschärfen. Subventionen ersetzten Vorschriften, die Umweltverbände wurden in die Vorbereitungsarbeiten eingebunden, ein runder Tisch fand einen Kompromiss beim Ausbau der Wasserkraft. Insgesamt zeichnete sich diese zweite Version dadurch aus, dass er breiter abgestützt war und auf staatlichen Dirigismus weitgehend verzichtete. Das hiess: Er verfügte über bessere Chancen an der Urne, obwohl dann die SVP unter dem Einfluss der Familie Blocher eine Kehrtwende machte und erneut die Nein-Parole beschloss. Dabei hatte die Partei im Parlament das Stromgesetz noch unterstützt. Das ging dann manchen Parteiexponenten doch zu weit; einige SVP-Parlamentarier schlossen sich deswegen demonstrativ dem befürwortenden Komitee an.

Doch fast so wichtig wie das politische Geschick von Rösti für das Ja war ein anderes Ereignis, das zwischen den beiden Abstimmungen die Welt und auch die Schweiz erschütterte: Am 24. Februar 2022 überfiel Russland die Ukraine. Dieses Ereignis hat die Stimmungslage der Schweizer Bevölkerung gerade in der Energiepolitik massgeblich verändert. Europa drohte plötzlich eine Energiekrise, weil Putin Erdgas und Erdöl als Waffe gegen den Westen einsetzte. Die Schweiz gehörte zu den potenziellen Opfern, weil sie im Winter auf Stromimporte aus dem Ausland angewiesen ist. Sollte es dort zu einer Mangellage kommen, erschien es nun als höchst unsicher, dass die Nachbarländer dann noch Strom in die Schweiz exportieren würden.

Grafik: Bahar Büyükkavir

Dass ein offizieller Vertreter der Energiebranche die Schweizerinnen und Schweizer im Herbst 2022 aufforderte, Kerzenvorräte anzulegen, illustrierte das Ausmass des Schocks, den Russlands Aggression in Bezug auf die Energiesicherheit in der Schweiz auslöste. Wie prekär es um diese stand, wurde jetzt allen schlagartig bewusst. Und damit auch die Einsicht, dass nach Jahren des energiepolitischen Stillstands, des fruchtlosen Pingpongs zwischen den verschiedenen Interessengruppen endlich gehandelt werden sollte. Eine Ablehnung des Stromgesetzes hätte diese Pattsituation nochmals um Jahre verlängert, was die Mehrheit der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger offensichtlich als fahrlässig beurteilte. Nichthandeln erschien nun als die schlechteste aller Optionen.

Vielzahl von Massnahmen

Die Zustimmung zum Stromgesetz bringt zunächst einmal eine Bestätigung, dass die Schweizerinnen und Schweizer am Grundsatz festhalten wollen, aus den fossilen Energieträgern auszusteigen. Deswegen befürworten sie eine Förderung von CO2-freien Energiequellen wie Photovoltaik, Windkraft oder Wasserkraft. Aber dies geschieht nicht mit einer grossen Geste, sondern einer Vielzahl von Massnahmen, die dann im konkreten Anwendungsfall noch heftig umstritten sein werden. Um eine Vision, wie gewissermassen auf einen Schlag die Energiezukunft 2050 erreicht werden könne, handelt es sich also nicht.

Die letzte Vision in diesem Politikgebiet stellte der Ausstieg aus der Kernkraft dar, den die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel nach der Katastrophe im AKW Fukushima durchdrückte und der von der Schweiz kopiert wurde. Mittlerweile weiss man, dass darauf in Deutschland die Abhängigkeit von der schmutzigen Kohle und von Putins Gaslieferungen massiv zunahm.

Viele hegen längst second thoughts, was diese Vision betrifft. Die Schweizerinnen und Schweizer, solchen ohnehin abhold, haben sich in der Energiepolitik nun dezidiert einem pragmatischen Vorgehen verschrieben. Die Zukunft liegt weit weg und ist nebelverhangen; der Weg dorthin in vielerlei Hinsicht noch unklar, weshalb dieser nun Schritt für Schritt beschritten werden soll. In der Tat sind die Herausforderungen immer noch gewaltig. Der Stromverbrauch wird in den nächsten Jahrzehnten massiv zunehmen. Grund dafür sind etwa der wachsende Anteil an Wärmepumpen für die Gebäudeheizung oder die Umstellung auf E-Mobilität im Verkehr. Aber auch das starke Bevölkerungswachstum bringt eine stetige Zunahme der Nachfrage.

«Braucht es am Ende doch Gaskraftwerke als Back-up für den Winter?»

Die bis jetzt beschlossenen Massnahmen werden jedenfalls nicht ausreichen, um diese Stromlücke CO2-frei zu füllen, vor allem nicht, wenn dann noch die AKWs abgeschaltet werden sollen. So werden neue Debatten und neue Entscheidungen auf die Schweizerinnen und Schweizer zukommen. Wie weiter mit der Atomenergie? Wie lassen sich die Netze rasch so ausbauen, dass sie mit dem neuen Energiemix mit seinen stark wechselnden Belastungen zurande kommen? Welche Folgen hat es, wenn die Verhandlungen mit der EU scheitern und ein Stromabkommen in weite Ferne rückt? Braucht es am Ende doch Gaskraftwerke als Back-up für den Winter? Oder doch mehr Zwang und Dirigismus?

Die Schweizer Energiepolitik befindet sich im Umbruch. Es ist kein Umbruch im Sinne eines singulären Ereignisses, sondern ein Umbruch als Prozess, der sich über einige Jahrzehnte hinziehen wird. Nach der Abstimmung ist folglich vor der Abstimmung, und zwar noch einige Male.

Der Autor Felix E. Müller ist freier Publizist und ehemaliger Chefredaktor der NZZ am Sonntag.

Dieser Artikel behandelt folgende SDGs

Die Sustainable Development Goals (SDGs) sind 17 globale Ziele für nachhaltige Entwicklung, vereinbart von den UN-Mitgliedsstaaten in der Agenda 2030. Sie decken Themen wie Armutsbekämpfung, Ernährungssicherheit, Gesundheit, Bildung, Geschlechtergleichheit, sauberes Wasser, erneuerbare Energie, nachhaltiges Wirtschaftswachstum, Infrastruktur, Klimaschutz und den Schutz der Ozeane und der Biodiversität ab.

7 - Bezahlbare und saubere Energie

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