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Eine Tänzerin und ein Tänzer des Junior Balletts bei den Proben für «The Butterfly Effect».

Eine Tänzerin und ein Tänzer des Junior Balletts bei den Proben für «The Butterfly Effect». Bilder: Carlos Quezada / Ballett Zürich

Klima & Energie Partner Inhalt: ETH

«Tanz kann das Bewusstsein für den Klimawandel schärfen»

Die ETH Zürich und das Ballett Zürich vereinen in einem besonderen Projekt ihre Kräfte, um die Erderwärmung auf der Bühne zu thematisieren und Emotionen zu wecken, wo Zahlen allein nicht ausreichen.

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«Tanz kann das Bewusstsein für den Klimawandel schärfen»

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  • Die ETH und das Ballett Zürich thematisieren mit dem Projekt «The Butterfly Effect» den Klimawandel und dessen Auswirkungen auf unser Leben.
  • Die Uraufführung von «The Butterfly Effect» findet am 16. Februar 2025 im Opernhaus Zürich statt.
  • Auch eine interdisziplinäre Vorlesung über Tanz und den Klimawandel ist am 10. Februar 2025 an der ETH Zürich geplant.

Kann der Klimawandel durch Tanz vermittelt werden? Dieser Frage haben sich die Direktorin des Ballett Zürich, Cathy Marston, und Chris Luebkeman, Leiter des Strategic Foresight Hub der ETH Zürich, angenommen. Das Resultat ist «The Butterfly Effect», ein neues Projekt des Junior Balletts. Im Interview sprechen Marston und Luebkeman über ihre aussergewöhnliche Zusammenarbeit und die künstlerische Interpretation bedrückender Daten.

Was inspirierte Sie dazu, den Klimawandel in einem Ballett zu thematisieren?

Chris Luebkeman: Die Idee entstand aus einem Projekt in Kalifornien, das den Klimawandel musikalisch erfahrbar machte. Das inspirierte mich, einen neuen Zugang zu suchen, um ein anderes Publikum zu erreichen – und Tanz schien perfekt. Also stellte ich das Konzept dem Ballett Zürich vor und wir haben sofort harmoniert.

Cathy Marston: Ja, wir haben sofort geklickt (lacht). Passenderweise suchte ich zu diesem Zeitpunkt gerade ein neues Projekt für das Junior Ballett – auch die beiden Choreographen, die ich für das Projekt eingeladen habe, gehören der jüngeren Generation der Tanzschaffenden an. Das schien mir eine sehr interessante Kombination zu sein.

Cathy Marston ist eine renommierte Choreographin und seit August 2023 als Direktorin des Ballett Zürich tätig. Die britisch-schweizerische Künstlerin absolvierte ihre Tanzausbildung in Cambridge und an der Royal Ballet School in London. Bekannt wurde Marston durch ihre Zeit als Associate Artist des Royal Opera House in London (2002–2006) und als Direktorin des Bern Ballett (2007–2013), wo sie das Ensemble mit innovativen Weltpremieren von der drohenden Schliessung zu neuer Blüte führte.

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Chris Luebkeman leitet den Strategic Foresight Hub der ETH Zürich, wobei er sich mit seinem Team mit zukunftsweisenden Veränderungen und deren Auswirkungen auseinandersetzt. Luebkemans berufliche Laufbahn ist geprägt von interdisziplinären Studiengängen – von Geologie und Bauingenieurwesen bis hin zu einem Doktorat in Architektur – sowie einer Karriere, die sich über verschiedene Länder erstreckt. Nach Stationen an Universitäten wie Vanderbilt, Cornell und der ETH Zürich übernahm er Lehrtätigkeiten in Hongkong oder am MIT. Bekannt für seine Vorträge und Projekte rund um die Zukunft, ist er ein gefragter Redner und Moderator bei Veranstaltungen wie TED und dem World Economic Forum.

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Welche Botschaft möchten Sie dieser nächsten Tänzergeneration mit diesem Projekt vermitteln?

Marston: Ich denke, es geht hauptsächlich darum, den Dialog zu eröffnen und neue Möglichkeiten aufzuzeigen. Tanz kann diverse Themen ansprechen und die Tänzerinnen und Tänzer in völlig neue Lebensbereiche führen. Denn nicht immer liegt ihre berufliche Zukunft im Ballett. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der ETH zu treffen, die Universität zu besuchen, all das sind Türen, die sich für diese jungen Menschen öffnen.

Luebkeman: Mir gefällt die Idee, Türen zu öffnen – für das Herz und den Verstand. Informationen zu vermitteln, die den ganzen Körper ansprechen. Ich denke dabei auch an unsere Studierenden. In einer Vorlesung weinen die wenigsten (lacht). Doch eine Ballettaufführung löst Emotionen aus. Man kann weinen, lachen, fühlen. Das ist gerade beim Thema Klimawandel wichtig, denn es gibt vieles, worüber man traurig sein kann. Danach stehen wir wieder auf und kämpfen weiter. Wir können nicht erstarren – auch das ist eine wichtige Botschaft.

Marston: Ein Ballett oder ein Konzert zu besuchen hat eine kathartische Wirkung. Man kann sich befreien und loslassen. Tanz und Musik bieten Raum, Blockaden zu lösen.

Sie haben es erwähnt, Herr Luebkeman, die Erkenntnisse zum Klimawandel sind ernüchternd. Welche wissenschaftlichen Daten und Fakten standen für Sie im Vordergrund, um die Thematik in die Kunst zu übersetzen?

Luebkeman: Ich glaube, es ist sehr wichtig, eine Botschaft der Hoffnung und des Mutes zu vermitteln – und nicht von Verzweiflung und Resignation. Das ist für viele Forschende und auch unser Team sehr wichtig.

Marston: Das hat mich persönlich sehr beeindruckt; denn es gab wirklich viele bedrückende Informationen.

Frau Marston, wie können wissenschaftliche Erkenntnisse choreografisch veranschaulicht werden?

Marston: Wir können keine Statistiken klar durch Bewegung ausdrücken – Tanz spricht die Emotionen an. Daher sehe ich eine meiner Aufgaben darin, trockene Informationen und Daten in etwas Emotionales zu übersetzen. Diesen Ansatz wollte ich auch bei diesem Projekt anwenden. Die Daten bestehen zwar hauptsächlich aus Zahlen und Grafiken, aber sie beziehen sich auf unsere Welt, die wir als Menschen täglich erleben. Genau das möchte ich in meiner Choreografie umsetzen.

Können Sie das genauer beschreiben?

Marston: Meine Vision dreht sich um die kostbarste Ressource, die Zeit, die uns zunehmend entrinnt, sowohl im persönlichen Leben als auch im Kontext des Klimawandels. Ich möchte diese Dringlichkeit durch das Werk «De Snelheid» von Louis Andriessen ausdrücken, das in seiner zunehmenden Intensität den wachsenden Zeitdruck symbolisiert. In Kombination dazu denke ich an klassisches Ballett. Zu Beginn noch graziös und weich, wurden die Tanzbewegungen in den letzten Jahrzehnten immer verzerrter und anspruchsvoller – was für mich die unter Druck stehende Welt widerspiegelt. Nach dem dramatischen Höhepunkt dieses Werks wollte ich jedoch eine Perspektive bieten, damit die Performance nicht im völligen Zusammenbruch endet. Deshalb dachte ich an «The Unanswered Question» von Charles Ives, ein zeitloses Stück, das mit Streichern und einer in der Luft verhallenden Frage eine stille Weite vermittelt. Dieses Werk soll eine Antwort auf die drängende Thematik Zeit bieten.

Luebkeman: Wow! Man kann die Atmosphäre und den Spannungsbogen bereits deutlich spüren. Es ist wie ein hoffnungsvoller Traum mit der Frage «Können wir das schaffen?». Ich finde es inspirierend zu hören, was für eine emotionale Antwort auf die wissenschaftlichen Informationen und Daten zurückgegeben werden kann.

Tanz kann Ihrer Meinung nach also auch das Bewusstsein für komplexe Themen wie den Klimawandel schärfen?

Luebkeman: Ja, definitiv! Meiner Meinung nach ist es entscheidend, unterschiedliche Zugänge zu schaffen, um möglichst viele Menschen zu erreichen, denn jede und jeder nimmt Informationen anders auf. Manche bevorzugen Zahlen und Fakten, andere visuelle Darstellungen und wieder andere sprechen auf Kunst an. Tanz und Ballett bieten dabei eine besondere Möglichkeit, Menschen zu erreichen, die vielleicht nicht an einer wissenschaftlichen Vorlesung der ETH Zürich teilnehmen würden.

Warum haben Sie den «Schmetterlingseffekt» als Metapher gewählt, um die Thematik zugänglicher zu machen?

Marston: Der «Schmetterlingseffekt» ist ein Titel, den ich vorgeschlagen habe, weil ich mich oftich mir oft die Frage stelle: «Was kann ich tun, um einen Unterschied zu machen?» In gewisser Weise glaube ich daran, dass Tanz die Welt verändern kann. Aber kann er auch unsere Umwelt retten? Das zu glauben wäre vermessen. Dennoch ist die poetische Idee des Schmetterlingseffekts eine hoffnungsvolle Vorstellung, dass selbst der kleinste Flügelschlag eines Schmetterlings die Welt verändern kann. So ist der Titel ein hoffnungsvoller, poetischer Gedanke, der die drei Stücke miteinander verbindet.

Luebkeman: Mir persönlich gefällt, dass jeder es für sich interpretieren kann. Ich bin davon überzeugt, dass in jedem von uns ein Schmetterling steckt. Denn genau wie Schmetterlinge durchlaufen auch Menschen verschiedene Lebensphasen. Und wir können einen grossen Einfluss haben, indem wir bewusst handeln.

Marston: Ganz genau. Ich denke oft: «Ich bin doch nur ein einzelner Mensch». Aber viele Einzelpersonen können wirklich einen grossen Unterschied bewirken.

Luebkeman: Und das Bild des Flügelschlags gefällt mir. Es ist poetisch.

Was hoffen Sie, wird das Publikum von der Aufführung mitnehmen?

Marston: Da es drei eigenständige Stücke gibt, ist es schwer zu sagen, was das Publikum letztlich mitnimmt, aber ich bin gespannt auf die Reaktionen. Ich hoffe, mein Stück wirkt wie ein Alarm, der daran erinnert, sich selbst mehr Raum zu geben. Was man aber sicherlich sagen kann: Das Publikum wird nicht das Gefühl haben, einen wissenschaftlichen Vortrag gehört zu haben – das wäre auch nicht das Ziel. Vielmehr soll das Projekt Aufmerksamkeit auf das Thema lenken, mit drei neuen Tanzwerken im Fokus, die inspirieren, das Programmheft zu lesen oder sich zu informieren. Es geht nicht darum, konkrete Fakten über die Umwelt zu vermitteln, sondern eine tiefergehende Auseinandersetzung anzustossen.

Luebkeman: Dem kann ich nur zustimmen. Wir hoffen, dass die Zuschauer am Ende mit Neugierde hinausgehen, vielleicht sogar mit dem Wunsch, mehr über das Thema zu erfahren und dem Glauben, selbst etwas bewirken zu können.

Die Uraufführung des Junior Ballett «The Butterfly Effect» findet am 16. Februar 2025 um 13 Uhr im Opernhaus in Zürich statt. Weitere Aufführungen des Projekts sind am 21. Februar um 19 Uhr sowie am 23. Februar um 13 Uhr geplant. Weitere Informationen zum Stück und Tickets finden Sie auf der Website des Opernhauses.

Deklaration: Dieser Inhalt wurde vom Sustainable Switzerland Editorial Team im Rahmen der Partnerschaft mit der ETH Zürich erstellt.

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