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Winzer Vincent Connes setzt inzwischen auch auf den Anbau von Pistazien

Winzer Vincent Connes setzt inzwischen auch auf den Anbau von Pistazien.

Produktion & Konsum

Pistazien statt Rebensaft

Im Süden Frankreichs haben Landwirte mit anhaltender Dürre zu kämpfen. Besonders betroffen ist der Weinbau. Manche Winzer satteln notgedrungen auf neue Produkte um.

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Pistazien statt Rebensaft

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Im Weinbaugebiet Rivesaltes und Côtes du Roussillon regnet es. Winzer Vincent Connes kniet vor einem Weinstock und kratzt mit blossen Händen etwas Erde zur Seite. «Wir leiden unter Dürre, daran ändert auch der heutige Regen nichts. Wir erwarten fünf Millimeter Niederschlag, das befeuchtet gerade mal die oberste Schicht. Darunter ist die Erde steinhart.»

Vincents Felder liegen im Vallée de l'Agly, einem malerischen Tal im Vorland der Pyrenäen. Aber seit Monaten versiegt der Küstenfluss Agly nun schon 30 Kilometer vor seiner Mündung im Mittelmeer. Im Städtchen Rivesaltes wuchern mittlerweile Gräser, Sträucher und junge Bäume im Flussbett.

Wasser Fehlanzeige: das Flussbett der Agly bei Rivesaltes

Wasser Fehlanzeige: das Flussbett der Agly bei Rivesaltes. Bild: zvg

Der 40-Jährige befühlt das Laub eines Muscat d´Alexandrie. Vater, Grossvater, Urgrossvater – Vincent ist Winzer in vierter Generation. Das Land hat er geerbt und neues hinzu gekauft. Er keltert weissen Wein, aber auch roten und rosé, ausserdem produziert er den süssen «Muscat de Rivesaltes». Alles Bio. Die Weinstöcke sind dicht belaubt, aber nur jeder dritte von ihnen trägt Trauben.

«Die Rebe ist eigentlich an Dürreperioden gewöhnt», erläutert Vincent. «Aber zweieinhalb Jahre Trockenheit sind selbst für sie zuviel. In dieser Zeit hatten wir hier weniger Niederschlag als in Marokko. Und davor war das Wetter auch nicht normal. 2016 gab es Hitze bis zu 45 Grad, im Jahr darauf Spätfrost, 2018 und 2020 hatten wir viel zu viel Wasser. Acht Jahre Extremwetter – das hält der Wein nicht aus. Deshalb fragen sich viele Landwirte in der Roussillon-Ebene, ob sie nicht besser aufhören sollen – oder etwas Neues ausprobieren.

Die Pyrénées-Orientales sind mittlerweile das trockenste Departement in ganz Frankreich. Die Weinproduktion ist dort kaum noch rentabel. Zum Vergleich: Vor zwei Jahrzehnten produzierten die örtlichen Winzer 2,5 Millionen Hektoliter Wein. Im Jahr 2024 waren es nur noch 320 000 Hektoliter. Immer mehr Winzer gehen dazu über, ihre Rebstöcke aus dem Boden zu reissen. In diesem Winter werden 2600 Hektar Weinberge verschwinden, das sind fast 15 Prozent der bisherigen Fläche. Die Folgen: «Gerodete Flächen locken Wildschweine an», sagt Denis Basserie, von der Société d´aménagement foncier et d`établissement rural (SAFER, Gesellschaft für Bodenordnung und ländliche Ansiedlung) und Vorsitzender der Ausbildungsstätte Agricampus. «Ausserdem steigt die Feuergefahr. Denn die Weinberge sind eine natürliche Brandschneise. Wie jede Form von Landwirtschaft tragen sie auch zum Schutz unserer Dörfer bei.» Obwohl es zuletzt endlich wieder etwas geregnet hat, gilt für das Departement weiterhin Alarmstufe Rot.

Historische Tiefststände

Hochgebirge und Wasser: Im südfranzösischen Departement Pyrénées-Orientales treffen die Pyrenäen auf die Sandstrände des Mittelmeers. Das angenehme Kima mit trockenen Sommern, Schnee und Regen im Winter hat Landwirtschaft und Tourismus begünstigt. Der süsse «Muscat de Rivesaltes» und die rotbackige Aprikose aus der Roussillon-Ebene sind auch in der Schweiz bekannt. Doch seit Juni 2022 leidet das an Spanien grenzende Departement schon unter Dürre. Regenfälle im Oktober und November haben bei Weitem nicht ausgereicht, um die Defizite auszugleichen. Einige Grundwasserpegel verzeichnen weiterhin historische Tiefststände.

Vincent Connes hat sich angesichts der Misere entschieden, etwas Neues zu beginnen. Er geht ein paar Schritte zu einem anderen Feld. Dort, wo vor nicht langer Zeit ebenfalls Weinstöcke standen, wachsen jetzt zarte Bäumchen. Die Blätter sind dunkelgrün und etwas ledrig. Pistazien. «Ich habe drei verschiedene Arten gepflanzt. Sie stammen aus Italien, Griechenland und Zypern und wurden auf hiesige Terpentin-Pistazien gepfropft.» Die Terpentin-Pistazie wuchert inmitten der Büsche und Sträucher der Garrigue. Sie ist robust und anspruchslos, aber ihre Früchte sind winzig. Deshalb wird sie mit anderen Sorten veredelt, die brauchbare Früchte hervorbringen.

«Unsere Weinstöcke sterben langsam ab.»

Vincent Connes

Winzer

Eine Organisation namens APARM (Avenir production agricole résilientes méditerranéennes) hat Vincent Connes auf die Idee gebracht. Der Verein wurde von Bürgermeistern des Tals gegründet. Gemeinsam wollen sie helfen, dass sich die Bauern an die Trockenheit anpassen und zukunftsträchtige Wirtschaftszweige entwickeln können. Myriam Levalois ist die Koordinatorin und treibende Kraft von APARM. «Wir haben im März 2023 mit knapp zehn Landwirten angefangen. Heute machen schon über 60 mit. Sie halten an ihrem traditionellen Anbau fest, wollen aber neue Produkte finden, die den Klimawandel vertragen, damit sie auch in Zukunft von der Agrarwirtschaft leben können.»

Myriam Levalois bringt Landwirte, Kommunen und Ämter in Kontakt, organisiert Fortbildungen oder bündelt Einkäufe in den Baumschulen, um die Preise zu senken. Mit Pistazien kennt sie sich mittlerweile bestens aus. «Je nach Sorte braucht die Pistazie viele kalte Tage mit Temperaturen unter 7 Grad, sonst wird sie nicht bestäubt und bekommt keine Blüten. Aber in den östlichen Pyrenäen sind die Winter nicht mehr so kalt wie früher. Deshalb haben wir uns alle zusammen für Sorten entschieden, die mit maximal 600 Kältestunden auskommen und im Sommer nicht bewässert werden müssen.»

Also keine Pistazien zum Knabbern, die viel Wasser brauchen, damit sich die Schalen öffnen. Sondern solche, bei denen die Früchte grün geerntet werden. Die sind in der Backwarenindustrie und bei der Wurstverarbeitung beliebt. Das Projekt sei eine Wette auf die Zukunft, sagt Vincent Connes. Denn auf die erste Ernte muss er sieben Jahre warten. Eine lange Zeit, zumal er eine Familie mit drei Kindern zu ernähren hat. «Die letzten Jahre waren sehr hart. Unsere Weinstöcke sterben langsam ab. Die Stimmung unter den Landwirten ist miserabel. Aber dank all dieser Projekte schöpfen wir Hoffnung. Durch die Hilfe der APARM können wir so viel ausprobieren. Sobald einer von uns eine Idee hat, heisst es: Super, wir kaufen euch die Samen oder die Setzlinge, macht einen Test.»

Hoffnungen im Wunderbaum

Erst in der Früh hat er Moringa gesät, auch Wunderbaum genannt, weil er voller Proteine und alles an ihm essbar ist: von den Wurzeln über die Früchte und Blätter bis zum Samen. Eine Premiere in Frankreich, nur auf den Antillen wird der Baum bisher schon gezüchtet.

Auf einem anderen Feld wachsen mittlerweile stachelige Sträucher mit gefiederten Blättern und kleinen roten Früchten: Szechuan- und Timut-Pfeffer. Ihre aromatischen Beeren werden auch «falscher Pfeffer» genannt. Vincent Connes erzählt, dass er die erste kleine Ernte komplett auf den örtlichen Märkten und an Gastwirte verkaufen konnte. «Wir fühlen uns ein bisschen wie Wissenschaftler. Vielleicht schaffen wir es, ganz neue Branchen zu entwickeln und sogar Wegbereiter zu sein.»

Folgen der Erderhitzung

Nicht nur Weinbaugebiete in Frankreich, sondern auch in Spanien, Italien, Griechenland und Kalifornien leiden heute unter Hitze und starker Trockenheit. In Zukunft könnten sie sogar komplett für den Weinanbau ungeeignet werden. Davon zumindest geht eine Studie der Universität Bordeaux aus, die jüngst in der wissenschaftlichen Zeitschrift «Nature Reviews Earth & Environment» veröffentlicht wurde. Demnach könnten bis zu 70 Prozent der weltweiten Weinbauregionen nicht mehr für den Traubenanbau in Frage kommen, wenn die globale Erwärmung 2 Grad Celsius gegenüber vorindustrieller Zeit überschreitet.

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