Vor allem im Bereich Carbon Capture gibt es bereits ausgereifte Technologien, die kommerziell genutzt werden. Doch sie sind teuer und selbst energieintensiv, «also nicht besonders umweltfreundlich », sagt Professor Kumar Agrawal, Leiter des Laboratory of Advanced Separations und des Demonstrator- Projekts. «Unser Ansatz hat grosses Potenzial, weil er im Vergleich viel Energie spart.»
Mit seinem Team hat Agrawal Membranen aus Graphen für die Kohlendioxidabtrennung entwickelt. Dieser Werkstoff besteht aus Kohlenstoffmolekülen, die geometrisch wie Bienenwaben angeordnet sind – in Schichten, die nur ein Atom dick sind. Und er ist so interessant, weil er so variabel ist und ganz unterschiedliche Anwendungen hat. «Das sorgt gerade für viel Wirbel im Feld», konstatiert Agrawal.
Grossformatige Membrane
In einem ersten Schritt entwickelte der EPFL-Professor ein Verfahren zur Herstellung hauchdünner Graphen-Membranen, die weder brechen noch reissen. Der nächste Schritt bestand darin, die Membranen mit Löchern zu versehen, deren Grösse präzise kontrolliert werden kann. Nur dann bilden sie einen selektiven Filter, der einzig Kohlendioxid durchlässt.
Kleinere Demonstratoren haben gezeigt, dass dieser Carbon-Capture- Ansatz funktioniert: für Punktquellen und in geringerem Umfang auch für die Atmosphäre. Jetzt geht es wie bei anderen Ansätzen im Projekt um die Skalierung. «Im Moment stecken wir noch in der ersten Phase des Projekts bei der Produktion grossformatiger Membranen », sagt Agrawal. «Danach geht es an den Bau und die Inbetriebnahme des Demonstrators.» Ein Härtetest für die neuen Technologien mit engem Bezug zur Realität.
Dafür wird die Zusammenarbeit mit dem Enevi-Abfallsammelzentrum im Herzen des Wallis sorgen, in dem viel Müll verbrannt wird. «Die Anlage produziert bereits jetzt Wärme für die EPFL», sagt Agrawal. «Dabei entsteht CO₂, das wir mit unseren Membranen auffangen und nutzen wollen. So wird die Anlage insgesamt grüner und der ökologische Fussabdruck der EPFL kleiner.» Neben der CO₂-Abscheidung ist auch die Technologie für die nachfolgende Umwandlung von Kohlendioxid in Methan einsatzbereit.
Die Speicherung von Kohlendioxid dagegen wird simuliert werden. Sie konnte bislang nur im Labor in einer Grössenordnung von wenigen Zentimetern berechnet werden. Es geht dabei unter anderem um die Wechselwirkungen zwischen dem Gestein und dem Gas in einer Tiefe von einem Kilometer, wo hoher Druck und Spannung herrschen. In der Praxis wären entsprechende Versuche zu kostspielig und zu komplex in der Überwachung.
Im Rahmen des Demonstrators wird es nun erstmals um Meter gehen. Mit real abgeschiedenem Kohlendioxid und einem einzigartigen Simulator. Dieser wird unter kontrollierten Bedingungen zeigen, wie sich verschiedene Strategien zur Einlagerung des Kohlendioxids oder auch Lecks in den Depots auswirken werden. Im Erfolgsfall könnten hier dank hochmoderner und hochauflösender Überwachung aussagekräftige 3D-Daten entstehen – die das gesamte Forschungsfeld entscheidend voranbringen.
Die Skalierung all dieser Technologien ist auch nötig, um Industriepartner von ihrer Tauglichkeit zu überzeugen. «Sie setzen ungern auf Ansätze, die sich nur im Labor bewährt haben», weiss Agrawal. «Das ist zu kleinteilig. Mit dem Demonstrator arbeiten wir zwar auch nur im mittleren Massstab. Das reicht aber als Nachweis dafür, dass Ansätze auch kommerziell funktionieren können.»
Kommerzielle Nutzung
Das Interesse der Wirtschaft ist gross. Allein Agrawals Gruppe steht schon jetzt mit Unternehmen aus dem Maschinen- und Schiffbau, der Stahl- und Zementindustrie und nicht zuletzt mit Abfallentsorgern in Kontakt. Der Energieversorger Gaznat finanziert Agrawals Lehrstuhl. «Sie alle werden unsere Ergebnisse mit dem Demonstrator genau analysieren», betont Agrawal. »Unsere Industriepartner wünschen sich, dass wir Erfolg haben.»
Schliesslich steht viel auf dem Spiel: Wir müssen die Klimakrise schnell und umfassend in den Griff bekommen. Der Demonstrator könnte zeigen, dass und wie eine geschlossene Lösung für die Abscheidung, Nutzung und Speicherung von Kohlendioxid aussehen wird. Bewährt er sich, können diese Ansätze kommerziell genutzt werden – und zwar weltweit.