Das Minilabor ermöglicht die Sequenzierung von Umwelt-DNA (eDNA), das heisst von Spuren des genetischen Materials, das jede lebende Art von Pflanzen und Tieren in die Umwelt abgibt und die überall vorhanden sind: im Wasser, in der Luft, im Boden, auf den Ästen der Bäume und selbst auf Computerbildschirmen.
Anders gesagt: Durch die Analyse dieser so genannten Umwelt-DNA können Forschende herausfinden, wie viele unterschiedliche Organismen in einem Lebensraum vorkommen.
Die Analyse von eDNA ist ein sich rasch entwickelnder Forschungszweig und hat Möglichkeiten eröffnet, die noch vor wenigen Jahren unvorstellbar waren.
Bis anhin musste ein Heer von Biologinnen und Biologen ausschwärmen, um das an einem bestimmten Ort vorkommende genetische Material zu erfassen und aufzulisten. Mittlerweile reicht die Analyse von einem Reagenzglas mit Wasser oder der Abstrich einer Baumrinde.
Neue Lösungen dank der Pandemie
Seit zehn Jahren arbeitet Deiner an der Entwicklung immer leistungsfähigerer Methoden und Instrumente für die Analyse von eDNA. Das Minilabor, das neben dem Teich aufgebaut ist, ist ein Ergebnis dieser Forschungen. Es ermöglicht die Sequenzierung von genetischem Material innerhalb weniger Stunden direkt vor Ort.
Es ist also nicht notwendig, die entnommenen Proben in ein Labor zu schicken. Das ist nicht nur ein zeitlicher Vorteil: Denn so lässt sich das Risiko einer Kontamination mit genetischem Material verringern, das nicht aus dem Gebiet der Probe stammt.
«Die Entwicklung wurde durch die Covid-19-Pandemie beschleunigt, da überall 'Pop-up-Labors' zum Nachweis des Virus installiert wurden. In den letzten vier Jahren hat es viele Innovationen gegeben, um diese Labors günstiger und zugänglicher zu machen», sagt Professorin Deiner.
Solche mobilen Labors könnten auch an Orten zum Einsatz kommen, an denen Ressourcen wie Energie nur begrenzt zur Verfügung stehen würden.
Das im Zürcher Zoo getestete Minilabor ist eine Synthese dieser Innovationen, welche die ETH auf die Erforschung der Biodiversität ausgerichtet hat. Es bleibt jedoch das Problem, auf welche Art und Weise die Proben gesammelt werden. Und an diesem Punkt kommt die Robotik ins Spiel.
Drohnen und Sonden zur Erfassung von eDNA
Genetik und Robotik sind zwei Bereiche, die nur selten miteinander in Berührung kommen. Als Stefano Mintchev, Professor für Umweltrobotik an der ETHZ, jedoch von einem Wettbewerb der XPRIZE-Stiftung zur Biodiversität hörte, kontaktierte er sofort seine Kollegin Deiner. Bei der Stiftung handelt es sich um eine Nonprofit-Organisation für technologische Innovation.
Die Aufgabenstellung des Wettbewerbs: in kürzester Zeit so viele Arten wie möglich identifizieren. Gemeinsam gründeten die beiden das ETH-Team Biodivx und meldeten sich 2021 beim Wettbewerb an.
Deiner kannte sich mit der Analyse von eDNA aus, während Mintchev über die Fähigkeiten verfügte, DNA-Proben zu sammeln. Zur Vorbereitung auf den Wettbewerb passte das Forschungsteam des Robotikexperten Drohnen für diese Aufgabe an.
Die Idee: Von der Drohne wird eine Scheibe aus Vliesmaterial hinunter ins Geäst abgeseilt, um dort Spuren von Tieren und Pflanzen zu sammeln. Mit einer Pumpe und einem Luftfilter entnimmt die Drohne zusätzlich Proben aus Wasser und Luft. Die Drohne bringt das genetische Material schliesslich zurück zum Minilabor.
Die Idee war relativ einfach, die Umsetzung in die Praxis jedoch nicht. «Wir mussten viel Arbeit investieren, um das Design der Sonde und den Steuerungsalgorithmus zu optimieren», sagt Mintchev.
Es sei vor allem darum gegangen, das Risiko eines Verhedderns zu verringern. Mit Hilfe von Sensoren könnten nun programmierte Bewegungen ausgelöst werden, die ein verheddertes Kabel befreien. Und sollte dies nicht gelingen, kann ein Mechanismus das Kabel von der Drohne trennen.
Diese Arbeit musste vor dem Halbfinale des Wettbewerbs erfolgt sein, das Anfang Juni in Singapur in einem 100 Hektar grossen Regenwaldgebiet stattfand. Die Ergebnisse werden für Ende Juli erwartet.
Falls das Zürcher Team weiterkommt, kann es an der Endrunde teilnehmen, die 2024 in Südamerika oder Afrika stattfinden wird. Insgesamt stehen zehn Millionen Dollar an Preisgeld zur Verfügung, wovon fünf Millionen Dollar an das siegreiche Team gehen.
Um sich optimal vorzubereiten, mussten die Tests in tropischer Vegetation durchgeführt werden, also einer Vegetation, die in den Schweizer Wäldern nicht zu finden ist.
Glücklicherweise aber gibt es auch in der Schweiz einen Mini-Regenwald: in der eingangs erwähnten Masoala-Halle im Zoo Zürich. In dieser grossen Halle leben neben den Lemuren rund 40 Tier- und 500 Pflanzenarten.
«Forschung ist eine der Aufgaben moderner Zoos. Ein Teil davon erfolgt in Kooperation mit Fachhochschulen und Universitäten», sagt Leyla Davis, Forschungsleiterin im Zoo Zürich.
Jedes einzelne Wirbeltier in der Masoala-Halle sei katalogisiert, sagt Davis. So konnte das Forschungsteam von Mintchev und Deiner fast in Echtzeit überprüfen, ob die gesammelten DNA-Proben tatsächlich zu den Arten in der Halle passen.
Auf der Suche nach unbekannten Arten
Unabhängig vom Erfolg der Regenwald-Experimente beim XPRIZE versprechen Lösungen, wie sie das ETH-Team entwickelt hat, weiteren Nutzen in anderen Bereichen. Denkbar sind Einsätze in der Landwirtschaft, um schädliche Krankheiten und Schädlinge schnell aufzuspüren.
«Der Einsatz von Drohnen bietet den Vorteil, dass sie den Zugang zu Gebieten ermöglichen, die zu dicht, zu abgelegen oder zu gefährlich sind, um sie auf andere Weise zu erreichen», sagt Elizabeth Clare, Biologin an der York University in Toronto, die sich auf die Untersuchung von eDNA spezialisiert hat.
«Die Ergebnisse könnten auch sehr nützlich sein, um zu verstehen, wie sich genetisches Material in der Luft bewegt und schichtet.» Die grösste Herausforderung wird laut Clare jedoch die Automatisierung solcher Technologien sein, damit sie in industriellem Massstab eingesetzt werden können.
«Für die Bedienung der Drohnen sind im Moment noch sehr spezifische Fähigkeiten erforderlich», sagt die Forscherin.
Für das Team der ETH Zürich ist es jedenfalls ein sehr spannender Moment. Denn durch die Technik der Analyse von Umwelt-DNA-Strängen lassen sich neue Arten entdecken.
So fand die Forschungsgruppe mit ihrer Technik acht neue Arten im Regenwald von Singapur. Darunter befanden sich Palmenarten und eine biolumineszierende, also leuchtende Schnecke.
Es wird geschätzt, dass es mehr als acht Millionen Arten auf der Erde gibt, von denen derzeit etwa ein Viertel katalogisiert ist. Diese Zahlen beruhen auf einer Schätzung aufgrund empirischen Materials.
«Wir haben jetzt eine Methode, mit der wir überprüfen können, ob das stimmt. Das ist eine neue Phase in der Erforschung unserer Welt», sagt Deiner mit einem Lächeln. «Und es erinnert mich an die Menschen, die vor Jahrhunderten mit ihren Schiffen neue Länder entdeckten. Jetzt haben wir für unsere Reisen eine neue Art von Schiff.»