Weit problematischer ist jedoch, dass das Modell ein falsches Bild von der Realität vermittelt. Es geht davon aus, dass sich jede Dimension stetig entwickeln und damit wachsen kann – allein unter der Bedingung, dass die anderen zwei Dimensionen mitziehen. Für die Dimension Umwelt kann dies aber offensichtlich nicht zutreffen. Unsere Erde ist endlich, die natürlichen Ressourcen sind endlich und die Kapazität, schädliche Stoffe aufzunehmen und zu regenerieren, ist beschränkt. Unsere Umwelt und unsere Ressourcen können wir nur bewahren, schützen oder schonend nutzen, wir können sie aber nicht vermehren.
Das Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit gilt deshalb unter Fachleuten als überholt. Lieber sprechen sie heute von einer Wirtschaft innerhalb der planetaren Grenzen und vom Modell der «Donut-Ökonomie» (s. Grafik oben), in Anlehnung an das süsse Hefegebäck. Das Modell zeigt einen dicken hellgrünen Ring. Er steht für die Wirtschaft und den Platz, innerhalb der sie sich zu unserem Wohle weiterentwickeln kann. Begrenzt wird sie von einem äusseren, dunkelgrünen Ring, den planetaren Grenzen. Werden diese über längere Zeit überschritten, ist das Funktionieren der Wirtschaft gefährdet. Gegen innen ist das Modell von einem zweiten dunkelgrünen Ring begrenzt. Er repräsentiert das soziale Fundament, auf dem Gesellschaft und Wirtschaft aufbauen. Hier ist ein Minimalniveau für alle Menschen anzustreben.
Doch was sollen uns diese Modelle im Alltag kümmern? Häuser isolieren, von Verbrennern auf Elektroautos wechseln, Kohlekraftwerke durch Solaranlagen ersetzen – all das müssen wir tun, egal, welches Modell dahintersteckt. Dasselbe gilt für die die Beseitigung von Armut, Analphabetismus oder die Steigerung der Lebenserwartung bei möglichst guter Gesundheit.
Trotzdem sind die Modelle und die Bilder, die bei ihrer Verwendung in unseren Köpfen entstehen, wichtig. Denn sie beeinflussen unser Denken und damit die Lösungen, die wir vorantreiben. Wer den neuen Modellen folgt, wird eher nach Lösungen suchen, die mit Limiten arbeiten, während Ansätze nach dem Drei-Säulen-Modell auch ein stetes materielles Wachstum zulassen. Ein einfaches Beispiel ist die Frage, wie wir in Zukunft immer mehr Menschen ernähren können. Der klassische Ansatz lautet: Wir brauchen mehr landwirtschaftliche Fläche oder einen höheren Flächenertrag. Eine Donut-kompatible Lösung sieht komplett anders aus: Wir müssen Foodwaste reduzieren und unsere fleischbasierte Ernährung durch eine weitgehend pflanzenbasierte ersetzen, da dies selbst bei steigendem Nährwert weniger Ressourcen verbraucht.