Die so skizzierte ambitionierte Nachhaltigkeitsstrategie umfasst viele Gebiete – von der Stahlherstellung über die Zusammensetzung von Akkus für Elektroautos bis zum Energiebezug für den Betrieb von BMW-Werken. Anfang Jahr beispielsweise wurde bekanntgegeben, dass die BMW Group den Bezug von Stahl aus CO2-armer Herstellung ausweitet. Der umweltfreundliche Stahl wird nicht mit fossilen Rohstoffen wie Kohle hergestellt, sondern auf Basis von Erdgas oder Wasserstoff und grünem Strom. Dank Vereinbarungen mit den Zulieferern Salzgitter AG und H2 Green Steel sollen bis zum Jahr 2030 mehr als 40 Prozent des Bedarfs in den europäischen Werken mit Stahl aus CO2- armer Produktion abgedeckt werden. Die CO2-Emissionen werden dadurch um bis zu 400’000 Tonnen pro Jahr vermindert.
«Unsere Spitzenposition bei der Ressourceneffizienz in der Produktion wollen wir auf den gesamten Lebenszyklus unserer Fahrzeuge ausweiten.»
Einen speziellen Fokus legt der Konzern auch auf die Rohstoffgewinnung, die für batterieelektrisch betriebene Fahrzeuge notwendig sind – und wo der Bedarf an Metallen wie etwa Kobalt, Nickel und Aluminium für den Hochvoltspeicher der Fahrzeuge mit dem Angebotsausbau naturgemäss steigt. Hier liege ein grosses Potenzial, um die Materialien im Sinne einer Kreislaufwirtschaft wiederzuverwenden – denn für die Hochvoltspeicher ihrer Fahrzeuge hat die BMW Group zusammen mit Partnern bereits eine technische Machbarkeit der Recycling-Effizienz von über 90 Prozent nachgewiesen.
Im Hochvoltspeicher des neuen BMW iX etwa liegt der Anteil von Sekundär-Nickel bereits bei bis zu 50 Prozent, beim Gehäuse beträgt der Anteil von Sekundär-Aluminium bis zu 30 Prozent. Diese Werte will die BMW Group für zukünftige Produktgenerationen nochmals deutlich ausbauen. Denn die Bereitstellung von Sekundärmaterialien ist deutlich weniger CO2-intensiv, als dies bei Primärmaterial der Fall ist. Damit kann die CO2-Bilanz von Fahrzeugen – insbesondere bei Einbeziehung der gesamten Lieferkette in die Rechnung – deutlich verbessert werden. Bei Sekundär-Aluminium liegt die CO2-Einsparung gegenüber Primärmaterial etwa bei Faktor 4 bis 6, Stahl und Thermoplasten kommen auf Faktor 2 bis 5.
Recycling beginnt bei der Planung
Heute werden Fahrzeuge im Durchschnitt zu knapp 30 Prozent aus rezyklierten und wiederverwendeten Materialien gefertigt. Mit dem Ansatz Secondary First soll dieser Wert sukzessiv auf 50 Prozent ausgebaut werden. In einem Pilotprojekt mit BASF und der ALBA Group beispielsweise wird erforscht, wie es gelingen kann, noch mehr Automobil- Kunststoffe wiederzuverwerten.
Der Ansatz einer erhöhten Wiederverwertungsquote beginnt allerdings bereits bei der Grundidee für ein Fahrzeug: Schon das Design und die Konstruktion eines Autos sollten darauf ausgelegt sein, am Ende von dessen Lebenszyklus Sekundärmaterialien möglichst schnell und kosteneffizient demontieren zu können. So lässt sich ein wettbewerbsfähiger Preis erzielen.
Dass ein solcher umfassender Ansatz in der industriellen Produktion nicht dazu führt, dass man sich im Kreis bewegt, sondern sich einen sinnvollen Weg in die Zukunft baut, wird am Beispiel des Konzeptfahrzeugs BMW i Vision Circular sichtbar. So soll nach den Vorstellungen der Designer und Entwickler der Marke im Jahr 2040 Nachhaltigkeit und Luxus harmonisch in einem Fahrzeug vereint werden können. Das Konzeptauto ist konsequent nach den Gesetzen der Kreislaufwirtschaft designt und gefertigt, es wird vollelektrisch angetrieben, vollständig aus Sekundärmaterial hergestellt und bietet auf vier Metern Länge in einem grosszügigen Innenraum Platz für vier Personen.
«Der BMW i Vision Circular zeigt, wie umfassend und konsequent wir nachhaltige Mobilität denken. Er steht für unseren Anspruch, Vorreiter bei der Entwicklung einer Kreislaufwirtschaft zu sein. Unsere Spitzenposition bei der Ressourceneffizienz in der Produktion wollen wir auf den gesamten Lebenszyklus unserer Fahrzeuge ausweiten. Da- bei geht es auch um betriebswirtschaftliche Nachhaltigkeit. Denn die aktuelle Entwicklung von Rohstoffpreisen zeigt, mit welchen Auswirkungen eine Industrie rechnen muss, die von begrenzten Ressourcen abhängig ist», sagt der Vorstandsvorsitzende der BMW AG, Oliver Zipse.
Die Leitmotive der BMW Group für die eigene Idee einer Kreislaufwirtschaft wurden beim BMW i Vision Circular exemplarisch angewandt: RE:THINK bedeutet, alles in Frage zu stellen, Fertigungstechnologien und Prozesse wurden hinterfragt und neu gedacht. RE:DUCE kommt bei BMW schon lange unter dem Prinzip «I do more with less» zur Anwendung. Der BMW i Vision Circular zeigt dies durch die konsequente Reduktion von Bauteilen, Materialgruppen und Oberflächenveredelungen. So wurde auf Aussenlacke, Leder und Chrom verzichtet. Darüber hinaus tragen Materialien aus biobasierten Rohstoffen dazu bei, den ökologischen Fussabdruck so gering wie möglich zu halten.
Ein langlebiges Produkt ist grundsätzlich nachhaltig.
Im Sinne von RE:USE kann das Konzeptfahrzeug dank digitalen Techniken immer wieder neu erfunden werden. Anzeigeflächen innen und aussen erlauben es dem Besitzer, seinem Auto wechselnde neue Impulse zu geben. Es kann aber auch wiederaufbereitet oder neugestaltet werden, indem einzelne Materialien ausgetauscht werden. Diese Möglichkeiten sorgen laut BMW für ein abwechslungsreiches Produkteerlebnis und eine stark erhöhte Nutzungsbereitschaft und -dauer.
Bei den Materialien liegt der Fokus auf Rezykliertem (RE:CYCLE), das am Ende des Produktlebenszyklus wiederverwendet werden soll. Entscheidend für gutes Recycling sind wenige unterschiedliche Materialgruppen aus Monomaterialien, deren Verbindungen sich einfach trennen lassen. Daher verzichtet der BMW i Vision Circular auf Verklebungen oder Verbundwerkstoffe und nutzt clevere Verbindungslösungen wie Kordeln, Knöpfe und Schnellverschlüsse. Der BMW i Vision Circular zeigt auf verblüffende Weise, wie komplex ein zirkulärer industrieller Ansatz ist – und wie interessant es ist, mit der Kreislauf-Methode einen nachhaltigen Ansatz für die Zukunft zu entwickeln.