Durch Mici, so hiess es in Folgestudien, könnte die Antarktis bis zum Jahr 2100 doppelt so viel zum Anstieg des Meeresspiegels beitragen, wie zuvor befürchtet worden war. Dieses Extremszenario hat es sogar in den letzten Uno-Klimabericht von 2021 geschafft.
Laut dem Klimabericht kann der Meeresspiegel im schlimmsten Fall bis 2100 höchstens um einen Meter steigen – wenn man nur Prozesse berücksichtigt, die gut verstanden sind. Der Mici-Mechanismus zählt aber nicht dazu, bei ihm ist die Ungewissheit noch sehr gross.
Zusammen mit anderen Mechanismen könne Mici im Extremfall dazu führen, dass der Meeresspiegel bis 2100 sogar um mehr als zwei Meter steige, heisst es im Uno-Klimabericht. Dann würden zum Beispiel weite Küstenbereiche von Florida überschwemmt werden, und an der Nordsee müssten die Deiche wesentlich höher ausgebaut werden.
Der Mici-Mechanismus wurde mit drei Modellen überprüft
DeConto, Pollard und Alley hatten die Instabilität namens Mici allerdings nur mit einem recht einfachen Rechenmodell durchgespielt. Ein Team um Mathieu Morlighem vom Dartmouth College in New Hampshire in den USA ist dem Mechanismus jetzt mit drei Gletschermodellen, die viel detaillierter sind, auf den Grund gegangen.
Laut der neuen Studie ist es höchst unwahrscheinlich, dass die Gletscher der Westantarktis im 21. Jahrhundert aufgrund von Mici kollabieren werden. Konkret untersucht haben die Forscher den Thwaites-Gletscher, der in dieser Hinsicht als besonders instabil gilt. Im Magazin «Scientific Advances» ist ihre Arbeit nachzulesen.
Das Team um Morlighem nutzte zur Berechnung der Instabilität eine neue Rechenmethode, die zuvor entwickelt worden war. Um sicherzugehen, analysierten die Forscher die Entwicklung des Thwaites-Gletschers mit drei Modellen, die sich leicht voneinander unterscheiden. Zu einem Kollaps des Gletschers aufgrund des Mici-Mechanismus kam es in keinem der Modelle.
Die Forscher weisen aber auch darauf hin, dass der Thwaites-Gletscher für andere Instabilitäten anfällig ist und in den kommenden hundert Jahren weiter schnell Eis verlieren wird.
Andere Fachleute stimmen der Studie zu
Eric Rignot, ein Glaziologe von der University of California, lobt die Modellierung in der Studie, an welcher er nicht beteiligt war. Die Mici-Hypothese sei zu Recht infrage gestellt worden, findet er. Die Hauptursache für die rasche Destabilisierung von Gletschern liegt nach seiner Auffassung in den Wechselwirkungen zwischen dem Eis der Antarktis und dem Ozean. Darüber müsse man noch mehr lernen.
Der Kollaps von Eiskliffs sei noch nie in der Realität in der Antarktis beobachtet worden, kommentiert Frank Pattyn von der Université libre de Bruxelles – auch er hat nicht an der Studie mitgewirkt. Der Glaziologe hält die Arbeit des Teams um Morlighem für wichtig und gut gemacht.
Möglicherweise werden die Autoren des nächsten Uno-Klimaberichts das Extremszenario (eine potenzielle Anhebung der Ozeane um zwei Meter bis 2100) also wieder ausschliessen. Pattyn erinnert allerdings daran, dass es auch ohne den Mici-Mechanismus einen beträchtlichen Anstieg des Meeresspiegels geben wird. Ein Meter mehr bis 2100 – das ist nach wie vor im Rahmen des Möglichen.