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Die Folgekosten extremer Hitze abschätzen zu können, ist für die Wirtschaft relevant.

Die Folgekosten extremer Hitze abschätzen zu können, ist für die Wirtschaft relevant. Bild: Imago

Studien

Wie gross die Schäden des Klimawandels sein werden, ist ökonomisch bedeutsam. Jetzt gerät eine vielzitierte Studie in die Kritik

Die globale Erwärmung werde die Wirtschaftsleistung bis 2050 um ein Fünftel mindern, schrieben deutsche Forscher in einer Studie. Diese Berechnung soll zur Einschätzung der Klimarisiken von Banken dienen. Doch Wissenschafter monieren grobe Fehler.

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Wie gross die Schäden des Klimawandels sein werden, ist ökonomisch bedeutsam. Jetzt gerät eine vielzitierte Studie in die Kritik

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Wie gross die Schäden sind, die der Klimawandel anrichtet, etwa durch Hitze oder Dürre, ist eine Frage grosser politischer Sprengkraft. Mit der Antwort wird zum Beispiel die Forderung nach Kompensationszahlungen an betroffene Länder begründet.

Im April 2024 veröffentlichte das Wissenschaftsmagazin «Nature» eine Studie zur Abschätzung der künftigen Schäden, die hohe Wellen schlug. Das aufsehenerregende Resultat: Bis zum Jahr 2050 werde das weltweite Bruttoinlandprodukt wegen des Klimawandels um 19 Prozent niedriger ausfallen als in einer Welt ohne Klimawandel; bis 2100 müsse man sogar mit einer Reduktion um 60 Prozent rechnen. Diese Zahlen waren deutlich höher, als Forscher bis anhin berechnet hatten.

Das Medienecho war gross, und auch in der Wissenschaft fand die Studie viel Resonanz. Seit ihrer Publikation wurde sie in mehr als 300 anderen Studien zitiert. Ausserdem wurde sie als eine relevante Quelle von mehreren internationalen Organisationen berücksichtigt, etwa von der OECD und der Weltbank.

Seit der Publikation der prominenten Studie zu den Klimaschäden sind allerdings erhebliche Zweifel an ihr aufgekommen. In den vergangenen Wochen erschienen bei «Nature» zwei Beiträge, die deutliche Kritik an der Arbeit üben.

Fehlerhafte Daten aus Usbekistan

Um die Schäden der globalen Erwärmung zu berechnen, hatten sich die Autoren um Maximilian Kotz vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung auf Daten aus 1600 Regionen gestützt, die in den vergangenen 40 Jahren erhoben worden waren. Diese sehr detailreiche Basis war neu; zuvor hatten Forscher Daten auf Landesebene ausgewertet.

Die wissenschaftlichen Kritiken beziehen sich auf zwei Punkte. Problematisch sind gemäss ihnen sowohl die Methodik als auch die Datenbasis der Studie.

Tom Bearpark von der Princeton University moniert gemeinsam mit zwei Fachkollegen, die Autoren hätten fehlerhafte Daten zu Usbekistan einbezogen. Diese hätten die Resultate stark verzerrt. Ohne die usbekischen Daten gehe das weltweite Bruttoinlandprodukt bis 2100 nicht um 60 Prozent zurück, sondern nur um gut 20 Prozent. Ausserdem sei die Unsicherheit der Resultate wesentlich grösser, als die Autoren sie angegeben hätten, schreiben die Kritiker. Darauf, dass die Unsicherheit unterschätzt worden sei, weist auch Christof Schötz von der Technischen Universität München in einer weiteren Kritik hin.

Die Studie wurde bereits revidiert

Inzwischen haben die Autoren eine revidierte Version ihrer Studie veröffentlicht, die noch begutachtet werden muss. Dabei haben sie allerdings nicht nur die fehlerhaften Daten aus Usbekistan weggelassen. Zusätzlich haben sie auch ein Detail an der Methode zur Schadensberechnung geändert. Durch die beiden Änderungen kamen die Autoren zu ganz ähnlichen Ergebnissen wie in der ursprünglichen Studie, nur der Unsicherheitsbereich wurde etwas grösser.

Mehrere Kritiker äusserten sich skeptisch gegenüber der Art der Revision, etwa Greg Hopper vom Bank Policy Institute in Washington. Das Vorgehen wirke so, als ob das Rechenmodell gezielt so verändert worden sei, um die gewünschte Schlussfolgerung zu erreichen.

Noch sind die Querelen um diese Studie, die im Extremfall mit einem Widerruf enden könnten, nicht zu Ende. Es stellt sich aber nach dem bisherigen Verlauf schon jetzt die Frage, ob Berechnungen von Schäden des Klimawandels gründlich genug überprüft werden, bevor die Zahlen für politische oder ökonomische Zwecke verwendet werden.

Die Berechnung der Schäden ist relevant für den Finanzsektor

Die Schäden durch den Klimawandel abzuschätzen, ist zum Beispiel für die Finanzwelt relevant. Das Network for Greening the Financial System (NGFS), ein internationaler Verbund von Zentralbanken und Aufsichtsbehörden, änderte aufgrund der «Nature»-Studie vor kurzem die Methode, wie es die Schäden des Klimawandels berechnet.

Dieses Netzwerk will nach eigenen Angaben «zur Entwicklung des Umwelt- und Klimarisikomanagements im Finanzsektor beitragen, um beim Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft mitzuhelfen». Das Netzwerk erarbeitet Szenarien, um Klimarisiken von Banken einzuschätzen. Diese werden von den Mitgliedern genutzt. Dazu zählen zum Beispiel die Europäische Zentralbank, die Schweizerische Nationalbank und die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht.

Auf Anfrage teilt das Sekretariat des NGFS mit, dass es sich der Kritik an der Studie bewusst sei, derzeit aber keinen Handlungsbedarf sehe. Man wolle abwarten, wie das Magazin «Nature» im nächsten Schritt entscheiden werde.

Die Spanne der Schadensberechnungen ist weit

Grundsätzlich gehen die Berechnungen der Schäden, die der Klimawandel anrichtet, derzeit weit auseinander: Die Resultate des Potsdamer Instituts liegen im obersten Bereich der Spanne. Viele Wissenschafter kommen auf deutlich geringere Schäden. Es gibt sogar Gruppen, die einen ökonomischen Nutzen des Klimawandels für möglich halten.

Um die ökonomische Wirkung des Klimawandels zu ermitteln, ist eine komplizierte Rechnung nötig. Zum einen müssen die Forscher den Klimawandel und seine Folgen detailliert prognostizieren. Zum andern müssen sie die Wirtschaftsleistung vorhersagen. Schliesslich sind die Auswirkungen des Klimawandels auf die Wirtschaft zu beziffern. Das ist eine Rechnung mit vielen Unbekannten.

Generell ist das weltweite Bild der ökonomischen Folgen uneinheitlich: Manche Länder werden erheblich unter den Folgen des Klimawandels zu leiden haben, vor allem in den Tropen und Subtropen. Länder in Arktisnähe hingegen – vor allem Kanada und Russland – könnten von der Erwärmung profitieren, weil landwirtschaftlich nutzbare Flächen grösser werden. Ohnehin könnten Massnahmen zur Anpassung an den Klimawandel die Schäden in Grenzen halten. Andererseits besteht das Risiko, dass plötzliche Veränderungen im Klimasystem zusätzliche Kosten verursachen.

Vor dem Hintergrund dieser Unsicherheit ist es einigermassen verblüffend, dass das NGFS der umstrittenen «Nature»-Studie einen so hohen Stellenwert einräumt. Eine solch wichtige Frage wie die nach den ökonomischen Kosten des Klimawandels sollte schliesslich nur auf der Basis von Studien beantwortet werden, deren Solidität ausser Frage steht.

Sven Titz, «Neue Zürcher Zeitung» (27.08.2025)

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Dieser Artikel behandelt folgende SDGs

Die Sustainable Development Goals (SDGs) sind 17 globale Ziele für nachhaltige Entwicklung, vereinbart von den UN-Mitgliedsstaaten in der Agenda 2030. Sie decken Themen wie Armutsbekämpfung, Ernährungssicherheit, Gesundheit, Bildung, Geschlechtergleichheit, sauberes Wasser, erneuerbare Energie, nachhaltiges Wirtschaftswachstum, Infrastruktur, Klimaschutz und den Schutz der Ozeane und der Biodiversität ab.

8 - Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum
13 - Massnahmen zum Klimaschutz
16 - Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen
17 - Partnerschaften zur Erreichung der Ziele

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