Dies ging der linken Mehrheit im Parlament gegen den Strich. Sie beharrte darauf, dass die nationale Lösung auf die kommunale aufgestülpt wird und sich die Gesamtdauer des Urlaubs entsprechend verlängert. «Aus finanzieller Sicht entspricht dies der Lösung, welche das Parlament 2019 gutgeheissen hatte. Andernfalls hätte die Stadt ja auf Kosten des Bundes gespart», sagt Monica Mendez (Grüne), die Urheberin des Vorstosses.
«Staat muss vorangehen»
Der Parlamentsmehrheit geht es um weitaus mehr als monetäre Aspekte. Mit der Einführung des schweizweit grosszügigsten Vaterschaftsurlaubs will sie eine gesellschaftliche Diskussion anstossen – weit über die Stadtmauern von Freiburg hinaus. Mendez spricht von einem «Schritt in Richtung Gleichberechtigung der Geschlechter».
Dass die Mitarbeiter der Stadt nun gegenüber den Kantonsangestellten – sie erhalten 15 Tage Vaterschaftsurlaub – und erst recht gegenüber jenen in den (meisten) Firmen privilegiert sind, stört sie nicht. Im Gegenteil. «Wenn der Staat nicht mit gutem Beispiel vorangeht, ändert sich nichts. Wir hoffen, dass nun weitere Arbeitgeber nachziehen», sagt Mendez und verhehlt nicht, dass das Fernziel ein noch grosszügigerer Elternurlaub ist.
Mütter werden eher ersetzt
Auch die Stadtregierung von Freiburg ist klar links dominiert. Am Montag sprach sie sich nicht gegen die Reglementsänderung aus – sie konnte auch gar nicht, hatte sie doch den Parlamentsauftrag auszuführen. In einer früheren Debatte hatte sie aber darauf hingewiesen, dass der Ausbau des Vaterschaftsurlaubs nicht gratis zu haben ist.
Dabei ging es weniger um finanzielle als um administrative Aspekte. «Ob ein Projektleiter in der entscheidenden Phase eines Vorhabens sechs oder acht Wochen abwesend ist, macht einen Unterschied», erklärt Stadtpräsident Thierry Steiert. Dies stimme zwar auch in Bezug auf Frauen, die im Mutterschaftsurlaub seien. Für vier bis sechs Monate organisiere man in der Regel einen Ersatz, während kürzere Absenzen vom Rest des Teams – mit Überstunden als Konsequenz – aufgefangen werden müssten, sagt er.
Der SP-Mann macht sich grundsätzliche Gedanken über das Image der Stadtangestellten. «Es wirft Fragen auf, wenn nach aussen das Bild eines privilegierten Personalsegments vermittelt wird», so Steiert. Er spielt damit auf andere, kürzlich erfolgte Parlamentsbeschlüsse an – notabene auf die Einführung eines Menstruationsurlaubs, der schweizweit auch seinesgleichen sucht. Die Regierung hatte zwar darauf hingewiesen, dass Mitarbeiterinnen bei Beschwerden aufgrund des Personalreglements schon zuvor eine gewisse Zeit der Arbeit fernbleiben durften. Aber sie stellte sich der Überweisung des Vorstosses nicht entgegen.
Rücktritt aus Protest
Ihren Alleingang bekräftigt die Zähringerstadt freilich nicht nur in personalrechtlicher Hinsicht. Für Aufsehen sorgte zuletzt auch, dass seit Oktober auf 60 Prozent des Strassennetzes eine Tempolimite von 30 km/h gilt – und zwar Tag wie Nacht. Auch wenn das Thema in praktisch allen Städten der Schweiz ein konstantes Politikum ist, lehnte sich noch keine so weit aus dem Fenster wie Freiburg. Und: Bei dieser Vorlage ging die Initiative nicht vom Parlament, sondern von der Exekutive aus.
In einem Kanton, der zwar seit Jahren enorm wächst, aber über ein traditionell geprägtes Hinterland verfügt, kommt die ultraprogressive Hauptstadtpolitik nicht überall gut an – insbesondere die Entscheide zur Mobilität ecken an. Aber wer in der Stadt zur politischen Minderheit gehört, hat einen schweren Stand.
Dies illustriert ein Fall, den die Zeitung «La Liberté» vor wenigen Tagen bekanntgemacht hat: In einem Brief, den sie an sämtliche Ratskollegen schickte, geisselte Mitte-Parlamentarierin Claudine Sautaux das «dogmatische Wettbieten» ihrer politischen Gegner und kritisierte sie dafür, keine Kompromisse eingehen zu wollen. Aus Protest verlässt Sautaux nun das Parlament – und in wenigen Wochen gar die Stadt.