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«Tischlein deck dich ist ein tolles Märchen, aber ein solches Schlaraffenland bieten wir nicht»

Für das grösste Foodsave-Projekt der Schweiz in Winterthur werden regelmässig Helfer:innen gesucht. Wer Gutes tun will und Food-Waste bekämpfen will, wird hier fündig. Foto: PD

Gesellschaft Partner Inhalt: Lidl Schweiz

«Tischlein deck dich ist ein tolles Märchen, aber ein solches Schlaraffenland bieten wir nicht»

«Iss auf, andere Kinder haben gar nichts zu knabbern!» Diesen Satz kennen wir alle. Schon früh wollten uns die Eltern dazu animieren, sorgsam mit Lebensmitteln umzugehen. Trotzdem ist Food-Waste ein zentrales Problem: Rund ein Drittel des Essens wird weggeworfen.

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Food-Waste, also die Verschwendung von Nahrungsmitteln, beginnt schon bei der Produktion. Das Angebot soll der Nachfrage mehr als gerecht werden, die Devise lautet daher: «Lieber zu viel als zu wenig». Im Laden bleibt dann einiges übrig, doch noch mehr auf den Tellern. Private Haushalte sind zu einem Grossteil für die Verschwendung verantwortlich. Bis 2030 will die Schweizer Regierung das Problem nun angehen und Food-Waste hierzulande um die Hälfte reduzieren. Mit dabei sind auch Detailhändler wie Lidl Schweiz. Gemeinsam mit Bundesrätin Simonetta Sommaruga haben sie im Mai eine Vereinbarung zur Bekämpfung der Essensverschwendung unterzeichnet, dazu mehr in der Infobox. Wir haben zum Thema Food-Waste mit Alex Stähli, Geschäftsführer von «Tischlein deck dich» (Tdd) gesprochen.

Welche Lebensmittel bleiben aus Ihrer Erfahrung am häufigsten übrig?

Alex Stähli: Insbesondere das, was wir gerne frisch essen wollen. Dazu gehören vor allem Früchte und Gemüse, Brot und süsses Gebäck. Häufig und in grossen Mengen fortgeschmissen werden auch die Convenience-Produkte, welche nur etwa 24 Stunden haltbar sind. Was jedoch kaum als Food-Waste übrig bleibt, sind Grundnahrungsmittel wie Salz, Trockenteigwaren oder Reis. Genau das hätten unsere Kundinnen und Kunden gerne, aber wir funktionieren nicht nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage.

Welches Lebensmittel ist bei den Tdd-Kunden besonders beliebt?

Da das Angebot jedes Mal anders ist, können wir das so nicht sagen. Die Kundinnen und Kunden wissen nie, was sie beim nächsten Einkauf bekommen. «Tischlein deck dich» ist zwar ein tolles Märchen, aber ein solches Schlaraffenland können wir natürlich nicht bieten.

Der Slogan von Tdd lautet «Lebensmittelrettung und Lebensmittelhilfe». Seit 1999 gehört Ihr Verein damit zu den Food-Waste-Pionieren der Schweiz. Liegt darauf das besondere Augenmerk?

Neben der Lebensmittelrettung fokussieren wir uns auf die sinnvolle Umverteilung und wollen vor allem armutsbetroffene Personen und Familien damit unterstützen. Ein Einkauf kostet symbolisch einen Franken.

Jedes sechste Kind in der Schweiz wächst in Armut auf. Wie kommt Ihr Angebot zu den Familien?

Wir sind in Kontakt mit 1400 Sozialfachstellen. Neben dem gängigen Beratungsangebot können diese dann Kundenkarten von uns anbieten. Mit dieser Karte und dem symbolischen Franken sowie einer eigenen Tragtasche können unserer Kundinnen und Kunden dann bei einer der 149 Abgabestellen einkaufen. Sie erhalten dabei ein richtiges Einkaufserlebnis.

Und damit erreicht Tdd wöchentlich wie viele Menschen?

Schweizweit rund 23'000.

Lebensmittel werden aber immer günstiger. Kommen deshalb weniger Menschen zu Tdd einkaufen?

Nein, im Gegenteil: Wir haben einen wachsenden Kundenstamm. Wenn es um die Food-Waste-Problematik geht, sehen wir in einem längerfristigen Kontext, dass günstigere Lebensmittel das Wegwerfen davon verstärken. Gaben vor 50 Jahren Haushalte noch rund 40 Prozent des Budgets für Lebensmittel aus, sind wir heute bei rund acht Prozent. Im Bereich Food-Waste sowie bei der Unterstützung von Armutsbetroffenen gibt es noch enorm viel Potenzial. Das Ziel wäre natürlich, dass Tdd eines Tages nicht mehr benötigt wird.

Was ist der Hauptgrund für die Lebensmittelverschwendung?

Das Angebot richtet sich an den Bedürfnissen aus: Viele Leute wollen auch im Dezember noch Erdbeeren essen. Würden wir den Einkauf der tatsächlichen Nachfrage anpassen, gäbe es definitiv weniger Ressourcenverschleiss.

Wo fängt man am besten an, wenn man den Überfluss zurückfahren möchte?

Es beginnt bei einem selbst. Hierfür müssen wir subito lernen, gemeinsam anzupacken. Sensibilisierte, mündige Konsumentinnen und Konsumenten treffen umweltfreundlichere Entscheidungen, doch auch die Detailhändler müssen mitmachen und ihr Angebot verschlanken. Anstatt abends 20 Brotsorten anzubieten, würden fünf ja auch reichen, oder? Da müssten aber die Konsumenten mitziehen und sagen: Ja, da wird jetzt nun nicht mein Lieblingsbrot angeboten, aber ich versteh’s und finde es super. Das mag nicht so attraktiv sein, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, es wäre jedoch deutlich nachhaltiger. Produzenten, Verkäufer und Kunden müssen an einem Strang ziehen.

Ist die Sensiblierung dafür vor allem Sache der Politik, von Detailhändlern oder Organisationen wie Tdd?

Im ersten Jahrzehnt gegen Food-Waste waren es insbesondere Organisationen wie wir, die aktiv wurden. Im letzten Jahrzehnt dann auch die Detailhändler. Und aktuell findet dieses Engagement in der Politik Anklang. Ziel der Agenda 2030 ist ja unter anderem, Food-Waste zu halbieren. Wir alle müssen komplementär einen Beitrag leisten und das Problem gemeinsam angehen.

Tdd arbeitet mit Lidl Schweiz zusammen. Doch wie läuft das eigentlich – von den unverkauften Produkten im Laden bis zur Abgabe?

Bei Detailhändlern wie Lidl gibt es zwei Orte, an denen sich überschüssige Lebensmittel ansammeln: In den Filialen und in den logistischen Verteilzentren. Diese Ware bringen wir dann unser regionales Logistiklager nach Winterthur, wo alles sortiert und geprüft wird. Wichtig ist nämlich, dass die Lebensmittel bis zur nächsten Abgabe frisch sind. Die Abgabestellen sind für jeweils eine Stunde geöffnet. Bis dahin lagern wir die Lebensmittel in grossen Kühlräumen oder trocken und sicher verpackt.

Foto: PD

Alex Stähli, Geschäftsführer von «Tischlein deck dich»

Was Lidl Schweiz konkret gegen das Problem unternimmt

  1. Straffe Bestellprozesse Effizienz und Einfachheit gehören zu den Kernkompetenzen – dies auch bei den Bestellprozessen der Filialen. Das heisst, dass sehr knapp Artikel und Frischware bestellt werden, damit möglichst wenig weggeworfen werden muss.

  2. Gezielte Rabattierung Preise werden gezielt rabattiert, wenn die Lebensmittel des Mindesthaltbarkeitsdatum erreichen. Insbesondere Brot wird am Folgetag als «Brot vom Vortag» mit einem Rabatt angeboten. Kann es nicht mehr verkauft werden, geht es an Bauernhöfe zur Tierfütterung.

  3. Abgabe an Organisationen Gemeinnützige Organisationen wie «Tischlein deck dich», Caritas oder der Schweizer Tafel werden mit Spenden bedacht.

  4. Biogasanlage Lebensmittel, die nicht mehr verzehrt werden können oder aus gesetzlichen Gründen nicht an die Tafel-Organisationen abgegeben werden dürfen, landen nicht einfach auf dem Müll, sondern werden an Biogasanlagen abgegeben.

Überraschungspäckli und Kochplattform

Um die Kundensensibilisierung aktiver anzugehen, hat Lidl Schweiz unter anderem die Initative «Oft länger gut» ins Leben gerufen. Kundinnen und Kunden können «Überraschungspäckli» über die App «Too Good To Go» reservieren und in der Filiale abholen. Die Päckli beinhalten überschüssiges Essen wie beispielsweise Früchte, Gemüse und Backwaren, welche nicht mehr verkauft werden konnten, aber noch bedenkenlos geniessbar sind.

Auch die Initative «Zero Foodwaste Kitchen» zielt auf eine Reduktion der Verschwendung ab. Hierfür lancierte Lidl Schweiz mit Fernsehkoch René Schudel eine Plattform, mit der jede und jeder ohne grossen Aufwand Essen retten kann. Einfach auf www.lidl.ch/zerofoodwastekitchen ein Lebensmittel auswählen, das gerettet werden soll, und schon wird einem ein kinderleichtes, blitzschnelles und sehr leckeres Rezept dazu vorgeschlagen. So entstehen im Handumdrehen beispielsweise aus hartem Brot herrliche Zopf-Gnocchi al Limone, aus müdem Lattich gebratener Salat mit Blueberry Sauce oder aus liegengebliebenen Kartoffeln Kartoffel-Pancakes mit Apfel-Salsa.

Deklaration: Dieser Inhalt wurde vom Sustainable Switzerland Editorial Team im Auftrag von Partner erstellt.

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