Die Fussball-EM als nachhaltiges Pilotprojekt
Bei der UEFA Women’s EURO 2025 geht es nicht nur um Tore und Siege auf dem Platz. Nach dem Willen der Veranstalter soll das Turnier auch Massstäbe im Bereich Nachhaltigkeit setzen.
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Die EURO 2025 soll mehr sein als ein Fussballfest: Die Veranstalter setzen auf ökologische Verantwortung, soziale Gerechtigkeit und langfristige Veränderungen. Bild: Imago
Bei der UEFA Women’s EURO 2025 geht es nicht nur um Tore und Siege auf dem Platz. Nach dem Willen der Veranstalter soll das Turnier auch Massstäbe im Bereich Nachhaltigkeit setzen.
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5 Min. • • Elmar zur Bonsen
Wer wird gewinnen? Neben dem Sport auch die Frauenförderung und der Umweltschutz? So viel steht zu Beginn der UEFA Women's Euro 2025 fest: Die acht Schweizer Austragungsstädte freuen sich nicht nur über fussballerische Höhepunkte in ihren Stadien. Sie verfolgen auch gemeinsam das Ziel, die gesellschaftliche Gleichstellung und Förderung von Mädchen und Frauen im Sport voranzutreiben sowie einen schonenden Umgang mit Ressourcen zu unterstützen. In einer Nachhaltigkeits-Charta haben die Städte Basel, Bern, Genf, Luzern, Sitten, St. Gallen, Thun und Zürich im Vorfeld der EM konkrete Handlungsfelder definiert, die sich an den Empfehlungen des Schweizer Verbands für nachhaltige Events (SVNE) sowie den Sustainable Development Goals (SDG) der Vereinten Nationen orientieren.
Um die Bemühungen in puncto Nachhaltigkeit voranzutreiben und einen langfristigen Mehrwert zu schaffen, hat auch die UEFA als Turnierveranstalterin eine detaillierte Strategie im Bereich Umwelt, Soziales und Governance (ESG) entwickelt.
Match-Ticket gilt als ÖV-Billett
Im Bereich Umwelt und Klimaschutz steht – wie bei vielen Grossveranstaltungen der letzten Jahre – die Reduktion des ökologischen Fussabdrucks im Zentrum. Besonders ins Gewicht fällt dabei der Verkehr: Rund 700 000 Fans werden zu den 31 Spielen erwartet – viele davon reisen aus dem Ausland oder quer durch die Schweiz an.
Bis zu 700 000 Fans aus ganz Europa: Die Anhänger der niederländischen Mannschaft auf dem Weg zu einem Spiel im Basler St. Jakob-Park. Bild: Imago
Um die negativen Auswirkungen dieser Reiseströme abzufedern, setzt das Organisationskomitee auf eine klimafreundliche Lösung: Match-Tickets gelten während der EM automatisch als Fahrschein für den öffentlichen Verkehr in der Schweiz. Am Spieltag berechtigen sie zur kostenlosen Hin- und Rückfahrt – von jedem Ort in der Schweiz zum jeweiligen Austragungsort. Es wird erwartet, dass rund 60 bis 70 Prozent der Zuschauenden dieses Angebot nutzen.
Auch die Nationalteams leisten ihren Beitrag: Laut dem Verkehrs-Club der Schweiz reisen sie grösstenteils mit Zügen und Bussen – ganz im Sinne des Nachhaltigkeitskonzepts der UEFA. Der Spielplan wurde so gestaltet, dass die Teams während der Gruppenphase möglichst wenig reisen müssen. Viele Verbände haben ihre Teamquartiere strategisch so gewählt, dass sie entweder zentral gelegen sind oder in unmittelbarer Nähe zu den Austragungsorten.
Fussballstars als Vorbild: Auch die Teams reisen mit Zügen und Bussen zu den Spielen an. Bild: Imago
Nachhaltigkeit endet jedoch nicht beim Transport. Auch die Infrastruktur rückt in den Fokus: An den Spielorten werden gezielt Massnahmen ergriffen, um den Strom- und Wasserverbrauch zu senken und auf erneuerbare Energien umzusteigen. Ein entscheidender Vorteil: Für die EM waren laut Bundesamt für Sport (Baspo) keine Neubauten nötig – ein potenzieller Hauptfaktor für Emissionen konnte somit vermieden werden. Stattdessen waren teilweise gewisse Auffrischungs- oder Anpassungsarbeiten erforderlich.
Weniger Abfall, mehr Teilhabe
Was den Ressourcenverbrauch betrifft, setzt die UEFA auf das Modell der Kreislaufwirtschaft. So soll das Abfallproblem in allen acht EM-Stadien gemäss dem «4R-Prinzip» bewältigt werden: Wiederverwendung, Verringerung, Recycling und Wiederverwertung. Zur Müllvermeidung werden in den Fan-Zonen Mehrweggeschirr und betreute Abfallstationen eingesetzt.
Da die Infrastruktur für die EURO 2025 bereits vorhanden war, waren keine Neubauten erforderlich. Bild: Reuters
In Übereinstimmung mit der Menschenrechtserklärung für die UEFA Women‘s EURO 2025 soll ein umfassendes Massnahmenpaket das Wohlbefinden und die Sicherheit aller Beteiligten gewährleisten. Dazu gehört ein Beschwerde- und ein sofort wirksamer Reaktionsmechanismus zur Bekämpfung von Diskriminierung und zum Schutz der Fans, die auf unmittelbare Hilfe zählen können.
Im Sinne der sozialen Nachhaltigkeit, insbesondere der Inklusion, der Vielfalt und der Geschlechtergleichheit, sind die Fan-Erlebnisse bis zum Turnierfinale am 27. Juli barrierefrei und für alle zugänglich. Der Gesundheitsschutz umfasst unter anderem Sonnencremespender und Trinkwasserbrunnen.
Wie gut alle diese Massnahmen im Detail greifen – sozial und ökologisch – wird die Analyse im Nachgang zeigen. Ein Bericht über die Umsetzung der ESG-Strategie soll Ende 2025 veröffentlicht werden sein.
Gemeinsam auf und neben dem Platz: Die Fussball-EM setzt auch auf soziale Nachhaltigkeit. Bild: Reuters
Förderung von Frauen und Mädchen
Natürlich soll die EM auch sportlich neue Impulse setzen. So will der Schweizerische Fussballverband (SFV) den Grossanlass nutzen, um die Förderung der Frauen und Mädchen nachhaltig voranzubringen. Das vom SFV lancierte Legacy-Programm umfasst mehr als 20 Förder- und Entwicklungsprojekte. Es ist darauf ausgerichtet, Fussballvereine in der Schweiz motivieren, aktiv zur Förderung des Mädchen- und Frauenfussballs beizutragen. Klubs sammeln dabei Punkte für verschiedene Aktivitäten wie die Ausbildung von Trainerinnen und Trainern, die Integration von Mädchen-Teams oder das Anbieten von Schnuppertrainings. «Unser Ziel: Für den Fussball in der Schweiz ein neues Fundament legen und bis 2027 spürbar Veränderung schaffen», so der SFV. «Das bedeutet konkret: doppelt so viele lizenzierte Spielerinnen, Trainerinnen, Schiedsrichterinnen und Funktionärinnen in Vereins- und Verbandspositionen.»
Der Schweizerische Fussballverband (SFV) will den Grossanlass nutzen, um die Förderung der Frauen und Mädchen voranzubringen. Bild: Imago
An die EM sind von Anfang an grosse Erwartungen geknüpft worden. Baspo-Direktorin Sandra Felix brachte es bei einer Veranstaltung im Mai so auf den Punkt: «Das Turnier wird den Menschen in der Schweiz und im Ausland zeigen, was der Sport leisten kann. Dieses sportliche Grossereignis ist auch ein Symbol für das Engagement im Bereich der sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit. Mit seiner hohen internationalen Aufmerksamkeit und Anziehungskraft bietet das grösste und wichtigste europäische Sportereignis in diesem Jahr eine Kommunikationsplattform, die dazu beitragen kann, die Menschen für Umweltfragen und die Bedeutung von Respekt zu sensibilisieren.»
Diskussion um die Kosten
Um die EM überhaupt veranstalten zu können, mussten enorme finanzielle Mittel bereitgestellt werden. Städte und Kantone haben insgesamt Bruttokredite von rund 63 Millionen Franken gesprochen. Der Schweizerische Fussballverband (SFV) ist mit mindestens 5 Millionen Franken von der Partie. Der grösste Kostenanteil entfällt auf die UEFA: Sie zahlt zusätzlich rund 150 Millionen Franken für das Grossevent. Ein Zehntel dieses Betrags, rund 15 Millionen Franken, trägt der Bund bei – und auch diese Summe erst nach heftigem Drängen. Ursprünglich wollte Bern nur gerade einmal 4 Millionen Franken bereitstellen, was für breite öffentliche Empörung sorgte. Zum Vergleich: Für das EM-Turnier der Männer 2008, bei dem die Schweiz nur Co-Gastgeber war, flossen noch 82 Millionen von staatlicher Seite.
Dieser Artikel behandelt folgende SDGs
Die Sustainable Development Goals (SDGs) sind 17 globale Ziele für nachhaltige Entwicklung, vereinbart von den UN-Mitgliedsstaaten in der Agenda 2030. Sie decken Themen wie Armutsbekämpfung, Ernährungssicherheit, Gesundheit, Bildung, Geschlechtergleichheit, sauberes Wasser, erneuerbare Energie, nachhaltiges Wirtschaftswachstum, Infrastruktur, Klimaschutz und den Schutz der Ozeane und der Biodiversität ab.
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Gesellschaft
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