NZZone: Frau Butterweck, soeben ist der aktuelle Nachhaltigkeitsbericht von Lidl Schweiz erschienen. Hält man diesen Bericht in den Händen, sieht man sofort, dass sehr viel Arbeit drinsteckt. Aber jetzt einmal ehrlich: Wer liest schon einen 84-seitigen Nachhaltigkeitsbericht?
Jenny Butterweck: Sie haben recht: Ich denke nicht, dass der Bericht ein Massenpublikum anziehen wird. Wir haben den Nachhaltigkeitsbericht für Interessierte geschrieben. Er ist Teil unserer Bestrebung, transparent aufzuzeigen, wo wir in Sachen Nachhaltigkeit stehen. Wo setzen wir den Fokus? Wo sind wir vorangekommen? Und wo gibt es noch Herausforderungen?
Was genau zeigt denn der Bericht auf?
Der Bericht zeigt übersichtlich auf, was wir alles vor und hinter den Kulissen tun, um uns auf verschiedenen Ebenen für eine nachhaltigere Welt einzusetzen. Wir haben ein ganzes Jahr an diesem Bericht gearbeitet. Entsprechend informativ ist er ausgefallen.
Das klingt nicht nach leichter Lektüre. Wem empfehlen Sie, den Bericht zu lesen?
Experten, Interessierte und Branchenkenner finden darin viele spannende Fakten und Erkenntnisse. Wer gerne tief in die Materie eintaucht, der wird sicher fündig. Zudem teilen wir durch unseren Bericht auch unsere langjährigen Erfahrungen und Best Practices – und das sehr detailliert.
Bevor wir auf diese Fakten und Erkenntnisse eingehen, eine generelle Frage: Lidl ist ein rasch wachsender Smartdiscounter in der Schweiz. Wie ist es möglich, Wachstum und Nachhaltigkeit miteinander zu verbinden?
Das ist tatsächlich eine Herausforderung. Als Smart Discounter zählt Effizienz und Einfachheit zu unseren Kernkompetenzen. Davon profitiert auch die Nachhaltigkeit. Die maximierte Effizienz kommt auch der Umwelt und dem Klima zugute. Die optimierten Prozesse sorgen dafür, dass keine Logistikkilometer, Wertstoffe, Betriebsmittel, Lebensmittel oder Energie leichtfertig verschwendet werden. Lidl Schweiz bietet im Vergleich zu anderen Detailhändlern ein kleineres Sortiment an. Ein überschaubares Sortiment macht es auch einfacher, darauf zu achten, wie die Waren produziert werden.
Reden Sie jetzt von Bio-Produkten?
Nein, ganz generell. Wir haben in der Vergangenheit zwar den Umsatz mit Bio-Produkten gesteigert und wollen das auch weiter tun. Der Ausbau unseres Bio-Sortimentes ist aber nur ein Teilaspekt eines nachhaltigeren Sortimentes. Wir arbeiten über unser ganzes Sortiment hinweg daran, Nachhaltigkeitsstandards umzusetzen und voranzutreiben.
Aber nochmals zur vorherigen Frage: Ist Wachstum und Nachhaltigkeit nicht ein Widerspruch in sich selbst?
Je stärker das Wachstum wird, desto schwieriger wird es, die Emissionen absolut zu reduzieren. Lassen Sie mich ein konkretes Beispiel geben: Wir berechnen jedes Jahr den Klimafussabdruck vom Feld bis zur Entsorgung von Produkten. Also über die ganze Wertschöpfungskette hinweg. Diese steigen zwar durch das Wachstum. Was aber erfreulicherweise sinkt, ist die CO2- Intensität unserer Tätigkeit, sprich die CO2Emissionen in Relation mit der Ladenverkaufsfläche. Diese Emissionen sind kontinuierlich gesunken. Wir werden also relativ gesehen stetig nachhaltiger.
Seit der Eröffnung der ersten Lidl-Filiale in der Schweiz vor 14 Jahren wurde fast jede einzelne bereits zweimal modernisiert – warum?
Es geht uns nicht nur um eine Modernisierung im ästhetischen Sinne. Wir nutzen die Umbauten auch, um die Filialen in Sachen Nachhaltigkeit auf den neuesten Stand zu bringen. So achten wir darauf, dass die Kühlmöbel so energieeffizient wie nur möglich sind. Auch legen wir bei jedem Neu- und Umbau darauf Wert, dass die Wertschöpfung in der Schweiz bleibt, indem wir zu 95 Prozent Handwerksbetriebe aus dem Inland berücksichtigen. Soeben haben wir eine Filiale im zürcherischen Adliswil gebaut. Sie ist komplett aus Schweizer Holz erstellt.
Wer streng auf sein Haushaltsbudget achten muss, kauft in erster Linie günstig ein. Sind nachhaltige Produkte daher nicht per se einer zahlungskräftigen Kundschaft vorbehalten?
Nicht bei uns: Jeder soll sich nachhaltige Produkte leisten können. Das gehört zu unserer Grundphilosophie.
Kommen wir auf den Nachhaltigkeitsbericht zurück: Sie sprachen von interessanten Erkenntnissen. Worauf basieren diese?
Unsere Nachhaltigkeitsstrategie liegt einer doppelten Wesentlichkeitsanalyse zugrunde. Diese haben wir durchgeführt, weil wir herausfinden wollten, wo wir den grössten Impact erzielen und welche Themen unser Geschäftsmodell am meisten beeinflussen. Anhand dieser Analyse wird ersichtlich, welche Massnahmen wirklich etwas bewirken und welche Themen vielleicht viel weniger wichtig sind, als wir angenommen hatten.
Es gab also Überraschungen bei der Wesentlichkeitsanalyse?
Durchaus. So haben wir festgestellt, dass zum Beispiel die Kreislaufwirtschaft eine viel grössere Bedeutung hat als angenommen: Das Potenzial dahinter ist gross und unsere Kunden legen immer mehr Wert darauf, zu erfahren, wie der Kreislauf eines Produktes aussieht.
Kreislaufwirtschaft ist definitiv das Schlagwort der Stunde, genauso wie man viel über Food Waste spricht. Wie sieht es damit aus?
Food Waste zu vermeiden, ist etwas, für das wir uns sehr stark einsetzen. Auch, weil es unseren Mitarbeitenden ein Anliegen ist: Sie müssen jeden Tag wegen des Ablaufdatums Produkte aus den Regalen räumen, die man eigentlich noch essen könnte. Für die Mitarbeitenden ist das frustrierend.