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Der 17 Meter lange Satellit Earthcare gehört zum Earth-Explorer-Programm der ESA. Bild: ESA

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Klima & Energie

Ein Satellit für das Klima: Der «weisse Drache» ist erfolgreich gestartet. Er hat Wolken, Staub und Strahlung im Blick und soll bei Wettervorhersagen helfen

Die europäisch-japanische Mission «Earthcare» hat vier Messinstrumente an Bord. Von ihnen erwarten Klimaforscher viele nützliche Daten.

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Ein Satellit für das Klima: Der «weisse Drache» ist erfolgreich gestartet. Er hat Wolken, Staub und Strahlung im Blick und soll bei Wettervorhersagen helfen

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Wie warm es auf der Erde in den kommenden Jahrzehnten wird, hängt nicht allein von den Treibhausgasen ab. Sondern auch vom Staub in der Luft und von den Wolken. Um bessere Messungen zu erhalten, haben die Raumfahrtagenturen von Europa und Japan – ESA und Jaxa – in der Nacht vom Dienstag auf den Mittwoch den Forschungssatelliten Earthcare ins All geschickt.

Eine Rakete des Typs Falcon 9 der amerikanischen Raumfahrtfirma SpaceX, die kurz nach Mitternacht unserer Zeit in Kalifornien startete, brachte den Satelliten in seine Umlaufbahn. Jetzt kreist er in einer Höhe von knapp 400 Kilometern über der Erdoberfläche.

Der Satellit Earthcare ist 17 Meter lang und hat damit ungefähr die Grösse eines Zürcher Gelenkbusses. Mit einem Gewicht von 2,4 Tonnen ist er der schwerste Forschungssatellit, den die ESA im Rahmen ihrer Missionen zur Erderkundung («Earth Explorer Missions») entwickelt hat.

Um zu untersuchen, wie Staubpartikel und die Wolken das Klima beeinflussen, hat Earthcare vier Messinstrumente an Bord:

  • Ein Instrument misst die vom Erdboden, den Wolken und dem Staub reflektierte Sonnenstrahlung; ausserdem erfasst es die Wärmestrahlung, die von der Erde ausgeht.
  • Ein Instrument soll Bildaufnahmen von dem Gebiet machen, das sich unter dem Satelliten befindet – im sichtbaren Bereich, aber auch im Infrarotbereich.
  • Ein Radar erfasst die Wassertröpfchen und Eiskristalle im Inneren der Wolken. Es soll auch Vertikalbewegungen beobachten.
  • Ein sogenanntes Lidar tastet die Wolkenoberseite ab. Zusätzlich liefert es detaillierte Messdaten von Staubteilchen.

Das Lidar-System von Earthcare wird dringend benötigt. Denn im August 2023 ist Calypso ausgefallen. Der Vorgängersatellit der ESA hatte seit 2006 mit einem Lidar die Wolken vermessen, aber zum Schluss ging ihm der Treibstoff aus. Jetzt können Klimaforscher die Messreihe mit einem neuen, noch präziseren Instrument fortsetzen.

Das Lidar von Earthcare könne verschiedene Staubpartikel unterscheiden – ob sie zum Beispiel aus Russ oder Sulfat bestünden, erläutert Bjorn Stevens, Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg. Er zählt zum erweiterten Beraterkreis der ESA-Mission.

Das Radargerät misst Auf- und Abwinde

Die Atmosphärenphysikerin Ulrike Lohmann von der ETH Zürich freut sich ganz besonders über das Radargerät des Satelliten, das in Japan entwickelt wurde. «Ich finde es faszinierend, dass wir dank dem Radar endlich einen globalen Überblick über die Vertikalgeschwindigkeiten bekommen – das ist eine neue Dimension», sagt sie.

Das Radargerät kann nämlich messen, wie schnell Regentropfen oder Schneeflocken zu Boden fallen. Starke Auf- und Abwinde treten zum Beispiel in Gewittern auf. Immer wenn Earthcare über sie hinwegfliegt, soll er diese Vertikalgeschwindigkeiten aufzeichnen. Sie sind vom Boden aus nur sehr schwer zu ermitteln.

Klimaforscher interessieren sich auch für niedrigere Vertikalgeschwindigkeiten, die in anderen Wettersystemen auftreten, zum Beispiel in Wirbelstürmen. Wie schnell ein Regentropfen oder ein Eiskorn fällt, hängt von der Grösse und von vertikalen Luftströmungen ab. Das sei beides schwer zu messen, sagt Stevens. Er betont, wie wertvoll es sei, dass Earthcare diese Daten jetzt zum ersten Mal aus dem All liefern könne.

Ein weiterer Vorteil von Earthcare ist, dass er mehrere Messgeräte an Bord vereint, die früher auf verschiedene Satelliten verteilt waren. Das soll es ermöglichen, eine lokale Strahlungs- und Energiebilanz aufzustellen und mit zusätzlichen Messungen, etwa am Boden oder von anderen Satelliten, zu vergleichen.

Doch nicht nur den Klimaforschern liefert der Satellit nützliche Daten, sondern auch den Wetterprognostikern. Das Europäische Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage in Reading, England, hat bereits damit experimentiert, derartige Messdaten von Calypso und dem Wolkensatelliten Cloudsat einzubeziehen. Mit Earthcare soll das Vorhaben fortgesetzt werden – mit dem Ziel, die Prognosen genauer zu machen.

Schweizer Unternehmen stellten mehrere Bauteile her

Earthcare ist ein internationales Projekt, an dem auch Schweizer Firmen mitgewirkt haben. Zum Beispiel stammt der Hitzeschild des Satelliten von Beyond Gravity in Zürich. Thales Alenia Space Switzerland, ebenfalls aus Zürich, lieferte ein Element zur Wellenselektion – das ist die Schlüsseleinheit für das atmosphärische Lidargerät. Gebaut wurde der Satellit bei Airbus in Friedrichshafen am Bodensee.

Die Entwicklung von Earthcare hat 15 Jahre gedauert. Ursprünglich hätte er bereits 2013 ins All geschickt werden sollen, aber etliche Schwierigkeiten führten zu Verzögerungen. Es gab technische Probleme, die Kooperation der Partner erwies sich als anspruchsvoll, und schliesslich musste auch noch die Trägerrakete für den Start gewechselt werden – ursprünglich war eine russische Sojus-Rakete dafür vorgesehen gewesen. Darum wuchs das Budget immer weiter an. Inzwischen hat Earthcare die Europäer rund 800 Millionen Euro gekostet. Im Jahr 2011 waren noch weniger als 600 Millionen Euro veranschlagt worden.

Earthcare heisst der Satellit für die westlichen Partner. «Hakuryu», auf Deutsch «weisser Drache», ist hingegen der Name, den die japanische Raumfahrtagentur Jaxa gewählt hat. In der Tat besitzt der Satellit, betrachtet man ihn mit viel Phantasie, die Form eines Drachens, und eine weisse Tönung besitzt er wegen der Hitzeisolierung. Um Hakuryu in der Öffentlichkeit bekannt zu machen, bereitete Jaxa eine Vorlage für eine traditionelle Papierfahne vor – mit einem Drachen darauf.

Sven Titz, «Neue Zürcher Zeitung» (29.05.2024)

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9 - Industrie, Innovation und Infrastruktur
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