Seit wann ist mehr besser als genug? In unserer Kultur hatten Ausgewogenheit und Gleichgewicht einen hohen Stellenwert: vom Mittelweg über das rechte Mass bis zur goldenen Mitte. Und doch hat sich in den letzten Jahrzehnten, insbesondere seit den 1950er-Jahren, ein anderer Wert durchgesetzt – Masse statt Klasse.
Besonders deutlich wird das im Bereich Produktion und Konsum. Während früher Qualität das A und O war, geraten heute Unternehmen unter Druck, wenn günstige Konkurrenzprodukte als Massenware auf den Markt kommen – oft wenig nachhaltig, kurzlebig und mit zweifelhaftem Nutzwert.
Gegengesteuert werden kann auf zwei Ebenen, die sich nicht ausschliessen: Einerseits durch gesetzliche Rahmenbedingungen – etwa indem bestimmte Produkte vom Schweizer Markt ausgeschlossen oder über Zölle verteuert werden, wie dies bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen längst gängige Praxis ist. Andererseits durch unternehmerisches Handeln: Unternehmen können ihre Prozesse gezielt auf Langlebigkeit, Reparaturfähigkeit und Qualität ausrichten.
Die Outdoor-Marke Vaude zeigt exemplarisch, wie das geht: Sie bietet nicht nur einen Reparaturservice an, bei dem Produkte eingeschickt werden können, sondern betreibt auch Repair-Cafés, in denen Kundinnen und Kunden ihre Ausrüstung mit professioneller Unterstützung selbst instand setzen können.
Auch in anderen Branchen wird Qualität neu gedacht. Das deutsche Unternehmen Shift etwa produziert seit 2014 das modulare Shiftphone – ein Smartphone, bei dem sich einzelne Bauteile leicht ersetzen oder aufrüsten lassen. Inzwischen stellt SHIFT auch nachhaltige Kopfhörer, Tablets, Bildschirme und sogar Fahrräder her – alle modular aufgebaut, langlebig und reparierbar.
Solche Innovationen sind nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern auch ökonomisch attraktiv: Sie stärken die Kundenbindung, verlängern Produktzyklen und senken langfristig die Kosten. Gerade kleine und mittlere Unternehmen haben hier die Chance, sich mit Qualität, Service und Glaubwürdigkeit klar vom globalen Preisdruck abzuheben.
Andere Unternehmen setzen auf den Verleih. So etwa die Schweizer Plattform Sharely, die sich auf das Vermieten von Produkten spezialisiert hat: Ob Auto, Drohne, Hochdruckreiniger oder Gartengerät – gemietet wird, was nur gelegentlich gebraucht wird. Das spart Ressourcen, reduziert Platzbedarf und fördert einen gezielten, hochwertigen Konsum. Und vor allem spart es Geld.
Ivo David Kuhn, CEO von Sharely, sieht vermehrtes Teilen daher als äusserst effizient und sinnvoll an, um Geld und Platz zu sparen – und gleichzeitig bessere Produkte nutzen zu können: «Ein hochwertiges Produkt kann dutzende Male gemietet werden – und trotzdem bleibt das Mieten günstiger, als es einmal selbst zu kaufen.»