Am Rande von Kenias Hauptstadt Nairobi, in Dandora, türmt sich einer der grössten Müllberge Afrikas. Täglich wächst die Deponie, die längst zu einer eigenen Welt geworden ist, in der immer mehr Menschen inmitten toxischer Rauchschwaden ums Überleben kämpfen. Mehr als 15 Prozent des Mülls besteht aus Plastik. Plastik, das auch aus Europa stammt. Menschen aus den nahegelegenen Wohngegenden, insbesondere Frauen und Kinder, durchstöbern den Abfall auf der Suche nach verwertbaren Abfällen. Doch selbst auf der Müllkippe gibt es eine Hierarchie: Männer haben den ersten Zugriff auf die wertigeren Materialien. Was übrigbleibt, geht an die anderen.
Winifred ist 24 Jahre alt und Müllsammlerin. Eine von vielen, die sich in Dandora durch giftigen Abfall wühlen. Die junge Frau leidet unter Schmerzen in den Beinen, ihre Menstruationsblutung hält ungewöhnlich lange an – so wie bei vielen anderen Frauen dort, wie WECF, ein internationales Netzwerk von weltweit 270 Frauen-, Umwelt- und Bürgerrechtsorganisationen, berichtet. Ärzte vermuten hormonelle Ursachen, ausgelöst durch ständigen Kontakt mit Schadstoffen: brennendes Plastik, Chemikalien, Schwermetalle. Der Müll vergiftet nicht nur die Luft – sondern Körper und Leben.
Hochkomplexes Gemisch
Plastik ist allgegenwärtig und kaum noch aus unserem Alltag wegzudenken. Wir nutzen es für lebensrettende Medizingeräte, für Kleidung, Kosmetik und in landwirtschaftlichen und industriellen Produkten. 2023 wurden weltweit rund 414 Millionen Tonnen Kunststoffe produziert – das sind fast zwölf Prozent mehr als fünf Jahre zuvor. Tendenz weiter steigend.
99 Prozent der Kunststoffe werden aus fossilen Rohstoffen hergestellt: Öl, Gas, Kohle. (Recycelte Kunststoffe, die häufig stark belastet sind, spielen den Statistiken zufolge und in der Realität dagegen nur eine untergeordnete Rolle. Ihr Anteil an der globalen Plastikproduktion lag zuletzt bei rund neun Prozent.)
Was als harmloses Material erscheint, ist in Wirklichkeit ein hochkomplexes Gemisch. Plastik wird aus dem begrenzten fossilen Rohstoff Erdöl produziert und enthält eine ganze Menge unterschiedlicher Zusatzstoffe: Weichmacher, perflourierte Stoffe, sogenannte Ewigkeitschemikalien, Flammschutzmittel, UV-Filter – sie alle sorgen für Flexibilität, Haltbarkeit oder Transparenz, können aber fruchtbarkeitsschädigend oder sogar krebserregend sein. Laut dem UN-Umweltprogramm (UNEP) werden bis zu 13 000 Chemikalien mit Plastik assoziiert, die Hälfte davon mit negativen Effekten für Umwelt und Gesundheit.