Die Rede ist von einem neuen Trend, der aktuell auf TikTok und Instagram immer grössere Wellen schlägt: Unter dem Schlagwort «Mikrofeminismus» werden hier kleine, bewusste Akte vorgestellt, die für mehr Gleichberechtigung im Alltag sorgen sollen. Zu den Trendsetterinnen gehört eine junge Produzentin und Radiomoderatorin namens Ashley Chaney. In einem im März 2024 veröffentlichten TikTok-Video berichtete die Amerikanerin, dass sie zum Beispiel in den Adresszeilen ihrer geschäftlichen E-Mails stets die Assistentinnen vor ihren männlichen Chefs nennt. Einfach um ihnen zu signalisieren: «Ich sehe dich». Es geht hier um eine subtile Art der Auflehnung gegen männerdominierte Hierarchien. «Das ist meine bevorzugte Form des Mikrofeminismus», teilte Chaney mit.
In der Social-Media-Community hat sie mit ihren persönlichen Strategien erheblichen Wirbel ausgelöst. Unter dem Hashtag #microfeminism ging ihr Video rasend schnell viral. Und immer mehr Followerinnen berichten nun nach Chaneys Vorbild, was sie selber tun, um ihre Umwelt in kleinen Schritten zu mehr Gleichberechtigung zu drängen.
Die Influencerin Silvia Carlsson teilt auf ihrem Account mikrofemenistische Gesten aus ihrer Community: «Mein Freund bekommt regelmässig Blumen von mir. Er freut sich immer sehr darüber und erzählt es allen», schreibt eine Userin. Eine andere berichtet von ihrer Arbeit in der Kita: «Wenn ein Kind die Kleidung verschmutzt und sich darüber beschwert, sage ich immer, dass es kein Problem ist und der Papa die ja waschen kann.»
Inzwischen hat der Trend auch den deutschsprachigen Raum erreicht. So finden sich unter dem Hashtag #Mikrofeminismus auf TikTok und Instagram jede Menge Tipps und Anleitungen, die dazu animieren, die vielen, mehr oder weniger verdeckten Formen des Alltags-Sexismus offenzulegen und gängige Stereotype aufs Korn zu nehmen.
Manchmal reichen dazu schon geringe Änderungen im Sprachgebrauch. So erklären TikTok-Nutzerinnen, dass sie bei Personen- oder Berufsbezeichnungen nur noch die weibliche Form verwenden. Andere schlagen vor, Männern einfach mal ungefragt Komplimente zu machen oder auf dem Weg ins Büro die Türe aufzuhalten. Angeregt wird auch, beim Talk über Sportevents konsequent von «Männer-Fussball» oder «Männer-Basketball» zu sprechen.
Solche mikrofeministischen Akte sind in ihrer Wirkung nicht zu unterschätzen. Zumindest können sie helfen, etablierte Klischees auf den Prüfstand zu stellen und zum Umdenken anzuregen. Und sei es nur, weil die eine oder andere überraschende Geste oder Formulierung beim männlichen Gegenüber für Irritationen sorgt.
Die TikTokerin Katie Wood, von Beruf Anwältin, berichtet in einem Video über entsprechende Erfahrungen im Berufsalltag. «Es sind kleine Handlungen, die Männer nerven, und ich liebe es einfach», erzählt sie. «Wenn jemand zum Beispiel sagt, er oder sie müsse mit dem CEO, dem CFO oder so reden, dann sage ich ‹Lass mich wissen, was sie sagt.› Mein Standard ist immer ‹sie› statt ‹er›.» Ausserdem achte sie stets darauf, Frau zuerst zu nennen: «Also ich sage dann ‹Jane und John› und nicht ‹John und Jane›».
Wood setzt auf die wissenschaftliche Erkenntnis, dass die Sprache unser Denken und unsere Sicht auf die Welt beeinflusst. So gesehen, mögen mikrofeministische Akte manchmal banal erscheinen. Doch wer weiss: Bei immer häufigerer Anwendung könnten sie am Ende vielleicht mehr bewirken als so manche Gesetze und Kampagnen.