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Para-Cyclerin Flurina Rigling bei einem Rennen auf der Bahn.

Flurina Rigling holte an den Paralympics 2024 Bronze im 3000-m-Rennen auf der Bahn. Bild: Gabriel Monnet/Swiss Paralympic

Gesellschaft Partner Inhalt: ETH

«Dass ich viele Herausforderungen überwinden musste, hilft mir heute im Spitzensport»

Kaum hat die Zürcher Para-Cyclerin Flurina Rigling bei den Paralympics brilliert, steht sie bereits vor dem nächsten Wettkampf: der Weltmeisterschaft in Zürich. Wir sprachen mit ihr während der Vorbereitung über ihr intensives Jahr und ihr Leben abseits der Rennbahn.

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«Dass ich viele Herausforderungen überwinden musste, hilft mir heute im Spitzensport»

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Innerhalb weniger Wochen treten Sie gleich bei zwei grossen Wettkämpfen an. Wie sieht ihre Vorbereitung aus, um bei beiden ihr volles Potential auszuschöpfen?

Da zwischen den Paralympics und der Weltmeisterschaft nur zwei Wochen liegen, konzentriere ich mich in erster Linie auf die Erholung. Es ist eine grosse Herausforderung, während dieser Zeit die richtige Balance zwischen Fokussierung und Erholung zu schaffen, da ich über einen Monat hinweg in Höchstform sein muss.

Wie fühlt es sich an, dass die Para-Cycling-WM dieses Jahr in ihrer Heimat Zürich stattfinden wird?

Eine Heim-WM erleben zu dürfen, ist einmalig. Ich freue mich sehr darauf, besonders auf die grossartige Stimmung und dass viele Freunde, Familienmitglieder und Bekannte vor Ort sein werden.

Poträtbild von Flurina Rigling, Schweizer Para-Cyclerin

Flurina Rigling, Schweizer Para-Cyclerin

Die WM in Zürich wird auch dazu beitragen, den Sport sichtbarer zu machen, denn noch immer gibt es Unterschiede in der Anerkennung und Behandlung vom Para-Sport. Wie empfinden Sie das?

Der Para-Sport hatte lange ein Nischendasein und erhielt nicht die gleiche Anerkennung der Leistungen in der öffentlichen Wahrnehmung. Doch ich kann seit einigen Jahren auch eine Veränderung in der Sportlandschaft beobachten: Verbände müssen sich mit dem Thema Inklusion auseinandersetzten, die Medienberichterstattung nimmt zu. Es ist also ein Bestreben da, den Para-Sport sichtbarer zu machen, was mich sehr freut.

Hat das auch auf Sie und ihre Karriere einen Einfluss?

Ja, ich durfte zum Beispiel die Spitzensport-Rekrutenschule absolvieren, was ein Novum war. Auch der Austausch mit Regelsportlern wird gefördert, was wiederum Verständnis füreinander schafft. Para-Athletinnen haben zwar eine andere Lebensgeschichte, doch sie haben die gleiche Leidenschaft für den Sport und trainieren genauso hart für ihre Ziele wie Regelsportler.

Um dieses Verständnis zu fördern, sind Sie unter anderem Athletenvertreterin im Stiftungsrat von Swiss Paralympics.

Genau. Ich habe ein sehr erfülltes Leben – vor allem, weil ich Optionen habe und selbst darüber entscheiden kann. Ich glaube aber, dass das nicht selbstverständlich ist. Es gibt viele Menschen mit Handicap, die diese Möglichkeiten nicht haben, und ich möchte ihnen etwas zurückgeben. Zudem möchte ich die Sensibilisierung der Gesellschaft für Menschen mit Einschränkungen vorantreiben.

Wo sehen Sie in der Schweiz das grösste Verbesserungspotenzial, um Menschen mit Einschränkungen besser in der Gesellschaft zu integrieren?

Was sicherlich wichtig ist, ist die konsequente Umsetzung der Barrierefreiheit im öffentlichen Raum. Obwohl ich mich selbst ohne grosse Einschränkungen bewegen kann, fällt mir im Alltag mit anderen Para-Athletinnen auf, wie viele Hürden es nach wie vor gibt. Barrierefreiheit ist mir daher ein grosses Anliegen. Und sie kommt ja nicht nur Menschen mit Einschränkungen zugute, sondern auch Personen mit Kinderwagen oder älteren Menschen. Das zweite wichtige Thema ist die Anerkennung des Grundrechts auf Selbstbestimmung für Menschen mit einer körperlichen Einschränkung. Dafür müssten wir als Gesellschaft unsere Einstellung ändern: Man sollte davon ausgehen «ein Mensch kann das». Es mag mehr Unterstützung erfordern, aber das ist völlig in Ordnung, denn auch Kinder und ältere Menschen benötigen in unserer Gesellschaft Hilfe.

Auch Sie selbst sind im Alltag auf Hilfsmittel angewiesen.

Richtig, meine Einschränkung betrifft sowohl meine Hände als auch meine Füsse. Dadurch muss ich viel in Anpassungen investieren. So benötige ich zum Beispiel Schuhe, die für mich massgefertigt werden. Doch der technologische Fortschritt kommt mir sehr zugute.

Flurina Rigling zieht ihre massgefertigten Schuhe an

Im Alltag sowie im Spitzensport benötigt Flurina Rigling massgefertigte Schuhe. Bild: Tobias Lackner/zvg

Inwiefern?

Ich kann stark von Innovationen profitieren. Meine Schuhe wurden bisher in einem aufwändigen Prozess handgearbeitet. Dank meiner Zusammenarbeit mit Numo und dem Orthoteam kann ich diese nun aber auch mit einem 3D-Drucker herstellen lassen. Das benötigt weitaus weniger Zeit, die Schuhe sind leichter und können genauer angepasst werden. Das ist vor allem für den Spitzensport unabdingbar. Ein weiteres Beispiel ist mein Velolenker. Wegen meiner Einschränkung an den Händen habe an meinem Fahrrad zwei Schalen, um den Lenker besser greifen zu können. Auch diese wurden mit einem 3D-Drucker hergestellt, in der Zusammenarbeit mit der ETH Zürich. Diese Anpassung war für mich ein Quantensprung: Ich bin sicherer und aerodynamischer unterwegs, ausserdem habe ich mehr Komfort.

Bild von vier Prototypen von Flurina Riglings Lenker

Flurina Riglings Lenker wurde in Zusammenarbeit mit der ETH Zürich entwickelt. Bild: ETH Zürich / Daniel Winkler

Das unterstreichen auch ihre sportlichen Leistungen: Bei ihrer ersten Weltmeisterschaft im Jahr 2021 standen Sie sowohl im Strassenrennen wie auch im Zeitfahren auf dem Podest. Ein Jahr später konnten Sie ihre Saison mit sechs WM-Medaillen, zwei EM-Medaillen, einem neuen Weltrekord und dem ersten Schweizer Weltmeistertitel der Frauen auf der Bahn beenden. Wie gehen Sie mit diesem schnellen Erfolg um?

Für mich hat die Entwicklung hin zu diesen Erfolgen einiges länger gedauert, als man das als Aussenstehende wahrnimmt. Schon vor Beginn meiner Karriere habe ich in verschiedene Lebensbereiche investiert und mich mit diversen Möglichkeiten auseinandergesetzt. Dadurch habe ich schon sehr viel Vorarbeit geleistet. Darin sehe ich auch einen Teil meines Erfolgs. Es ist mein Lebensstil, der sehr gut zum Leistungssport passt.

Wie erklären Sie sich diesen inneren Antrieb?

Meiner Meinung nach hängt dies zu grossen Teilen mit meiner Erziehung zusammen. In meiner Familie standen immer unsere Stärken im Fokus. Es ging darum, Lösungen zu finden, um mir ein normales Leben zu ermöglichen. Ich ging normal zur Schule und lernte in der Handarbeit zu häkeln. Ich ging Reiten, absolvierte das Brevet oder probierte mich im Bergsteigen. Natürlich musste ich dafür meist mehr investieren als andere. Ich musste mir eine passende Lösung suchen und verschiedene Möglichkeiten ausprobieren. Doch das wiederholte Überwinden dieser Herausforderungen hat mich stark geprägt und hilft mir heute im Spitzensport.

Portätfoto von Flurina Rigling mit ihren Medaillen der UCI-WM

2022 gewann Flurina Rigling sechs WM-Medaillen, zwei EM-Medaillen, stellte einen neuen Weltrekord auf und holte sich den ersten Schweizer Weltmeistertitel der Frauen auf der Bahn. Bild: Benavant/zvg

Gab es auch negative Erfahrungen?

Ja, als Kind macht man oft negative Erfahrung. So hatte ich zum Beispiel in der Stadt ständig das Gefühl, von anderen Menschen angestarrt zu werden. Das war mir sehr unangenehm. Doch glücklicherweise hat sich das mit dem Älterwerden verändert. Wenn ich heute durch die Stadt laufe, und das Gefühl habe, beobachtet zu werden, trifft es mich nicht mehr so sehr wie früher.

Werden Sie heute auch auf der Strasse erkannt?

In meinem Alltag kann ich mich frei bewegen, aber rund um Wettkämpfe kommt es vor, dass ich erkannt werde. Nach meinem Sieg bei der Weltmeisterschaft auf der Bahn in Glasgow habe ich das Strassenrennen der Regelsportler von den Zuschauerrängen aus verfolgt. Dabei erkannte mich ein Mann, der seit einem schweren Unfall im Rollstuhl sitzt. Er hatte Tränen in den Augen und bat mich um ein Foto. Solche Begegnungen berühren mich sehr. Es kommt auch vor, dass mir Menschen in schwierigen Lebenssituationen schreiben und von ihren Schicksalsschlägen erzählen. Dass meine sportlichen Erfolge anderen Mut geben, war mir anfangs gar nicht bewusst, aber es ist eine unglaublich schöne Erkenntnis, dass mein Weg Hoffnung schenkt.

Sie sind eine Art Vorbild für andere.

Wenn ich inspiriere oder wenn meine sportlichen Erfolge abfärben und anderen Menschen Möglichkeiten aufzeigen, freut mich das.

Flurina Rigling bei einem Strassenrennen.

Flurina Rigling (2.v.r.) bei einem Strassenrennen. Bild: Scott Bugden/zvg

Sie sind aber ja nicht nur im Spitzensport aktiv, sondern Sie absolvieren auch ihr Masterstudium in Politikwissenschaften an der Universität Zürich. Wie schaffen Sie es, alles unter einen Hut zu bringen?

Es ist eine grosse Herausforderung und manchmal auch belastend. Es gab Zeiten, in denen mir alles über den Kopf wuchs. Mein Umfeld spielt dabei eine entscheidende Rolle – insbesondere meine Trainer, die ein gutes Gespür für die Balance zwischen sportlicher Belastung und dem Alltag haben. Trotz der Anstrengungen möchte ich es nicht anders haben. Ich finde es wichtig, dass das Leben auf mehreren Säulen aufgebaut ist. Es bietet mir auch einen Ausgleich. An der Uni bin ich nicht nur Athletin oder jemand mit einem Handicap – ich bin einfach Flurina, die Politik studiert.

Jedoch nicht mehr allzu lange. Ihre Masterarbeit haben Sie bereits abgegeben, zum Abschluss fehlt ihnen nur noch ein Modul. Was machen Sie anschliessend mit all ihrer neugewonnenen Freizeit?

(Flurina lacht) Nach meinem Abschluss möchte ich mich zunächst nur auf meine sportliche Karriere konzertieren. Aber ich bin mir sehr sicher, dass ich mir daneben eine Beschäftigung suchen werde. Ich möchte zum Beispiel gerne Spanisch lernen. Vielleicht könnte ich das mit dem Training verbinden – ohne Druck und aus reinem Interesse. Darauf freue ich mich.

Die Rad- und Para-Cycling Strassen-WM 2024 in Zürich

Vom 21. bis 29. September 2024 werden die UCI-Rad- und Para-Cycling-Strassen-Weltmeisterschaften Zürich in den Mittelpunkt des internationalen Radsports rücken. Erstmals werden die Para-Cycling-Rennen integraler Bestandteil der Weltmeisterschaften sein. Rund 1000 Athletinnen und Athleten aus etwa 75 Nationen kämpfen in verschiedenen Disziplinen um die begehrten Titel. Die ETH ist Institutional Partner der WM. Das ganze Rennprogramm finden Sie hier. Zuschauer erhalten in den Fanzonen entlang der Strecke und am Sechseläutenplatz sowie in Public Viewings die Möglichkeit, die Rennen hautnah mitzuerleben. Alle Informationen zum Zürcher «Velofäscht»: zurich2024.com.

Deklaration: Dieser Inhalt wurde vom Sustainable Switzerland Editorial Team im Auftrag der ETH Zürich erstellt.

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