In der Schweiz sind rund 130 000 Elektroautos immatrikuliert. Nach zwei Boomjahren fallen die Zuwachsraten im laufenden Jahr aber nicht mehr ganz so hoch aus. Der Anteil verkaufter Steckerfahrzeuge lag von Januar bis Mitte September 2023 bei etwas über 28 Prozent, das sind 4 Prozentpunkte mehr als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres. Zum einen dürfte die angespannte Konjunkturlage die Zurückhaltung bei den Neuwagenkäufen generell erklären. Zum anderen schreckt mancher Autobesitzer auch angesichts vermeintlicher Lücken in der öffentlichen Ladeinfrastruktur davor zurück, den Schritt in die Elektromobilität gerade jetzt zu wagen, Ausbaupläne von Bund und Industrie hin oder her.
Auch fehlende Ladeinfrastruktur zu Hause kann ein Grund für die Kaufzurückhaltung sein: Gerade wenn man zur Miete wohnt, ist die Installation einer Ladestation oft nicht einfach möglich. «Und dann ist da noch die grundlegende Frage, wie viel Sinn ein Wechsel überhaupt macht, wenn sich ganz Europa Sorgen um die Energieversorgungssicherheit macht», sagt Jean-Marc Geiser, Mobilitätsspezialist beim Bundesamt für Energie (BFE). Der Ukrainekrieg und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Energieversorgung hätten das Grundvertrauen in die jederzeit sichere Stromversorgung mancherorts erschüttert. Gerade jetzt, da die kalte Jahreszeit vor der Tür stehe, komme die Thematik von möglichen Versorgungsengpässen wieder vermehrt auf den Tisch. «Elektroauto und Stromknappheit, das will nicht in aller Augen zusammenpassen», so Geiser.
Angst vor Engpässen
Die gute Nachricht an dieser Stelle: Aktuell geht der Bund nicht davon aus, dass es in diesem Winter zu Engpässen bei der Energieversorgung kommen wird (s. auch Kasten rechts). Trotzdem kann Geiser, der viele Jahre in der Automobilbranche tätig gewesen ist, die in Teilen der Bevölkerung vorhandene Skepsis nachvollziehen. Ein Grossteil davon hänge klar mit dem Wissensstand zusammen. Deshalb hat das BFE die Kampagne «Fahr mit dem Strom» lanciert, welche detaillierte Informationen zum Stand der Technologie und zu den drängendsten Fragen rund um die Elektromobilität liefert. Im Zusammenhang mit Klimazielen und Energiewende spiele diese eine zentrale Rolle, betont Geiser.
Anders als vielfach angenommen, ist hierzulande nicht die Industrie der grösste Energieverbraucher, sondern der Verkehr (36 Prozent gegenüber 19 Prozent in der Industrie). Aufgrund dessen, dass die Energie für den Verkehr nach wie vor zu über 90 Prozent aus fossilen Quellen stammt, sind die daraus resultierenden Treibhausgasemissionen auch deutlich höher als jene der übrigen Sektoren. Zudem verfügt die Schweiz bekanntlich über keine eigenen Vorkommen an fossilen Brennstoffen und muss deshalb fast die gesamte Verkehrsenergie teuer aus dem Ausland beziehen – Stichwort Auslandsabhängigkeit.
Aktuell geringer Verbrauch
Die Stossrichtung der Kampagne ist klar: Am wenigsten umweltbelastend unterwegs ist, wer die eigenen Füsse oder ein Velo nutzt. Auch die Berücksichtigung von Bus und Bahn helfen, wenig überraschend, mit, den Energieverbrauch zu senken und den CO₂-Ausstoss zu mindern. Wer allerdings auf einen motorisierten fahrbaren Untersatz angewiesen ist, tut der Umwelt (und nicht zuletzt dem eigenen Portemonnaie) einen grossen Gefallen, wenn der Tiger nicht aus dem Tank, sondern aus der Batterie kommt – sprich, auf ein Elektromobil umgestiegen wird.
Was den effektiven Stromverbrauch anbelangt, so nimmt sich die Elektromobilität mit einem Anteil von 0,6 Prozent am gesamten Stromverbrauch der Schweiz im Vergleich zu Haushalten (34 Prozent), Industrie (30 Prozent) und Dienstleistungssektor (25 Prozent) aktuell tatsächlich bescheiden aus. Zu diesem Schluss kommt die Elektrizitätsstatistik 2022 des Bundes. Interessant auch: Wenngleich die Bevölkerungszahl in der Schweiz zwischen 2010 und 2021 von 7,8 Millionen auf 8,8 Millionen gewachsen ist, so ging der Stromverbrauch in derselben Zeitspanne dennoch um 3 Prozent zurück. Zuzuschreiben ist dies der Tatsache, dass Geräte und Technologien stetig effizienter werden, mit Energie verantwortungsvoller umgegangen und letztlich auch weniger davon verschwendet wird. «Das A und O der Elektromobilität ist ganz klar ihre Effizienz», führt Jean-Marc Geiser aus. «Die möglichst wirkungsvolle Nutzung von Energie ist ein wesentlicher Pfeiler der Schweizer Strategie auf dem Weg zu Klimazielen und Energiewende.»