Die zwei Abstimmungsvorlagen zum Mietrecht auf einen Blick
Das Parlament hat zwei Gesetzesrevisionen zur Stärkung der Vermieterrechte beschlossen. Wegen eines Doppel-Referendums entscheiden die Stimmbürger am 24. November.
Bei der Abstimmung vom 24. November geht es um Untermiete und Eigenbedarf. Bild: Imago
Das Parlament hat zwei Gesetzesrevisionen zur Stärkung der Vermieterrechte beschlossen. Wegen eines Doppel-Referendums entscheiden die Stimmbürger am 24. November.
6 Min. • • Hansueli Schöchli, «Neue Zürcher Zeitung»
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Das Mietrecht ist politisch delikat. Die meisten Bürger sind direkt betroffen. Ende 2022 waren rund 61 Prozent aller Haushalte in Mietwohnungen untergebracht und 36 Prozent in Eigentumswohnungen; der kleine Rest sind Sondersituationen wie etwa Dienstwohnungen. Direkt betroffen sind auch die Vermieter. Rund 46 Prozent der Mietwohnungen gehören Privatpersonen. Der Rest gehört unter anderen Pensionskassen, Versicherungen, Immobiliengesellschaften, Wohnbaugenossenschaften oder dem Staat.
Der Wohnungsmarkt ist kein freier Markt. Zum einen sind die Preise vor allem für Altmieter stark reguliert, so dass in grossen Städten Altmieter weit günstiger wohnen als Neumieter. Zudem gibt es Regeln zum Kündigungsschutz der Mieter. Grundsätzlich sind zwar Kündigungen mit einer Frist von mindestens drei Monaten möglich. Doch Kündigungen sind in gewissen Fällen anfechtbar, zum Beispiel wenn der Mieter während eines laufenden Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens die Kündigung erhält. Losgelöst davon kann der Mieter in Härtefällen eine Erstreckung des Mietverhältnisses um bis zu vier Jahre oder bei Geschäftsliegenschaften gar um bis zu sechs Jahre verlangen.
Die beiden Abstimmungsvorlagen ändern nichts am genannten Kerngehalt des Mieterschutzes. Doch sie können indirekte Wirkungen auf den Kündigungsschutz haben. Die eine Vorlage senkt die Hürde zur Kündigung des Mietvertrags durch den Käufer bei akutem Eigenbedarf der Liegenschaft. Die andere Vorlage bringt strengere Rahmenbedingungen für die Untervermietung. Beide Vorlagen beziehen sich auf Wohn- und Geschäftsliegenschaften.
Die Knackpunkte der Vorlage
Zuerst zur Vorlage zum Eigenbedarf. Zur generellen Eigentumsgarantie der Bundesverfassung gehört im Prinzip auch, dass man vermietete Liegenschaften bei Bedarf selber nutzen kann. Das geltende Mietrecht berücksichtigt dies in dreifacher Hinsicht. Erstens: Bei einem Verkauf einer Liegenschaft muss zwar der Käufer im Prinzip bestehende Mietverträge übernehmen, doch bei dringendem Eigenbedarf «für sich, nahe Verwandte oder Verschwägerte» kann er das Mietverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Mindestfrist von drei Monaten bei Wohnräumen und sechs Monaten bei Geschäftsräumen kündigen.
Zweitens: Bei dringendem Eigenbedarf sind Kündigungen auch in Fällen zulässig, bei denen ein Rechtsstreit zwischen Mieter und Vermieter noch nicht geklärt ist oder weniger als drei Jahre zurückliegt. Und drittens: Bei der Beurteilung von Mietergesuchen zur Erstreckung des Mietverhältnisses müssen die zuständigen Behörden in der Interessenabwägung auch den Eigenbedarf des Vermieters und dessen Dringlichkeit berücksichtigen.
Das Bundesgericht hat in seiner Rechtsprechung den Begriff der Dringlichkeit zeitlich und sachlich interpretiert. Vereinfacht gesagt: Der Vermieter muss in Streitfällen nachweisen, dass der Verzicht auf die rasche Selbstnutzung seiner Liegenschaft nicht zumutbar ist. Laut Kritikern des Status quo ist dieser Nachweis zuweilen nur schwer zu erbringen, so dass betroffene Vermieter zum Teil noch Jahre auf die Eigennutzung verzichten müssten.
Die vom Parlament beschlossene Gesetzesrevision bringt auf den ersten Blick nur eine bescheidene Lockerung. In den drei genannten Fallkonstellationen müsste der Eigenbedarf des Vermieters nicht mehr dringlich sein, sondern nur noch «bedeutend» und «aktuell» – und dies bei «objektiver Beurteilung». Was diese neuen Adjektive für die Rechtsprechung genau heissen würden, wäre von den Gerichten zu entscheiden. In der Tendenz soll aber die Hürde für die Geltendmachung des Eigenbedarfs von Vermietern kleiner werden.
Bei der zweiten Abstimmungsvorlage geht es um die Rahmenbedingungen für die Untervermietung. Nach geltendem Recht kann der Mieter die gemietete Wohn- oder Geschäftslokalität ganz oder teilweise untervermieten. Der Vermieter kann diese Untervermietung nur verweigern, wenn mindestens eine der folgenden drei Bedingungen vorliegt: Der Mieter legt die Bedingungen der Untermiete nicht offen; die Bedingungen sind im Vergleich zu jenen des Hauptmietvertrags missbräuchlich (vor allem: zu hoch), oder dem Vermieter entstehen wesentliche Nachteile aus der Untervermietung.
Auch hier orten die Vermieter Missbrauch im Status quo. Zu hören ist von Fällen, in denen gemietete Wohnungen ohne Wissen des Vermieters während Jahren zum Mehrfachen des Hauptmietpreises untervermietet werden. Schon nach geltendem Recht könnten indes solche Missbräuche ein valabler Kündigungsgrund für den Vermieter sein. Doch laut Vermietervertretern steht bei solchen Streitigkeiten oft Aussage gegen Aussage.
Die vom Parlament beschlossene Gesetzesrevision bringt im Kern vier Änderungen. Erstens: Künftig braucht es für die Untervermietung eine schriftliche Zustimmung des Vermieters mit handschriftlicher oder elektronischer Signatur, sofern die Parteien nichts anderes abmachen; dies soll spätere Beweisschwierigkeiten vermeiden und die mentale Missbrauchshürde für Mieter erhöhen. Zweitens: Der Vermieter kann seine Zustimmung künftig auch verweigern, wenn die vorgesehene Dauer der Untervermietung zwei Jahre übersteigt; dies soll die missbräuchliche Dauer-Untervermietung erschweren. Drittens: Die im Gesetz genannten möglichen Verweigerungsgründe sind nicht mehr abschliessend, sondern mit dem Wort «insbesondere» ergänzt; dies soll mehr Flexibilität bei künftigen (noch unbekannten) Sachverhalten bringen. Und viertens: Die Untervermietung ohne Zustimmung des Vermieters oder mit Falschangaben wird neu ausdrücklich als ausserordentlicher Kündigungsgrund nach erfolgloser schriftlicher Mahnung genannt; schon heute riskieren Mieter mit solchem Verhalten die Kündigung.
Das sind die Argumente der Befürworter
Im Nationalrat waren SVP, FDP und Mitte für beide Revisionsvorlagen. Zudem unterstützten die Grünliberalen mehrheitlich die Gesetzesrevision zum Eigenbedarf der Vermieter. Der Hauseigentümerverband kämpft für beide Vorlagen. Laut den Befürwortern der Gesetzesrevision zum Eigenbedarf ist es kein akzeptabler Zustand, wenn der Eigentümer eines Wohnraums unter Umständen wegen langwieriger Rechtsstreitigkeiten und Mieterstreckungen während Jahren nicht in seine Wohnung ziehen darf. Weil Schlichtungs- und Gerichtsverfahren oft lange dauern, können Mieter mit ihrem Widerstand und Erstreckungsgesuchen die Wirkung einer Kündigung lange hinauszögern – oft um sechs bis achtzehn Monate, zuweilen auch um mehrere Jahre. Laut Vermietervertretern sind Missbräuche von Mietern viel häufiger als Missbräuche von Vermietern. Die Abstimmungsvorlage würde kaum etwas an den langen Verfahren ändern, doch die Hürden für die Geltendmachung des Eigenbedarfs durch den Vermieter sollen etwas niedriger werden.
Die Vorlage zur Verschärfung der Regeln für die Untervermietung begründen die Befürworter ebenfalls mit Missbräuchen von Mietern – etwa durch Dauervermietungen zu Preisen, die weit über dem lägen, was der Hauptmieter zahle. Im Zeitalter von Online-Vermietungsplattformen à la Airbnb habe sich das Missbrauchspotenzial vor allem in Städten und Tourismusorten noch verschärft. Gemäss den Befürwortern wären auch mit der Reform Wohngemeinschaften sowie reguläre Untervermietungen zum Beispiel während eines vorübergehenden Auslandsaufenthalts problemlos möglich.
Laut den Befürwortern würden die beiden Gesetzesrevisionen den privaten Wohnungsbau attraktiver machen und damit auch einen Beitrag zur Linderung der Wohnungsknappheit leisten.
Das sind die Argumente der Gegner
Gegen beide Revisionsvorlagen kämpfen der Mieterverband und generell die politische Linke. Laut den Gegnern erhöht die Lockerung beim Eigenbedarf die Gefahr des Missbrauchs durch die Vermieter. Schon jetzt werde der Eigenbedarf auch als Vorwand gebraucht, um Mieter hinauszuwerfen und die betreffende Liegenschaft zu einem höheren Preis an Fremde zu vermieten. Und wer wirklich einen zwingenden Eigenbedarf geltend machen könne, erhalte schon nach geltendem Recht Zugang zu seinem Eigentum.
Bei der Vorlage zur Untermiete betonen die Gegner, dass es nur wenige Missbrauchsfälle gebe. Zudem seien solche Missbräuche schon nach geltendem Recht unzulässig. Laut den Gegnern würde die genannte Zweijahresfrist als neuer Verweigerungsgrund viele sinnvolle Untermietverträge erschweren oder verhindern – etwa bei längeren Auslandaufenthalten oder bei längerer Untervermietung einzelner Zimmer zur besseren Wohnungsauslastung. Die neue Erfordernis der Schriftlichkeit brächte laut den Gegnern zudem mehr bürokratischen Aufwand. Die Vorlage zur Untermiete sei zudem nur ein weiterer Vorwand zur Schwächung des Kündigungsschutzes der Mieter. Generell kritisieren die Gegner die «Salamitaktik» der Vermietervertreter, deren Strategie es sei, in mehreren separaten Vorlagen den Mieterschutz schrittweise zu schwächen.
Im Parlament hatte sich auch der Bundesrat gegen die Vorlagen zum Eigenbedarf und zur Untermiete ausgesprochen. Der Bundesrat argumentierte, dass die Vorlagen unnötig seien, da das geltende Recht genüge.
Hansueli Schöchli, «Neue Zürcher Zeitung» (18.10.2024)
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