Das Unvorhersehbare vorhersehen
Das Mobiliar Lab für Naturrisiken an der Universität Bern arbeitet an der Vorhersehbarkeit von Hagel und Hochwasser. Die Forschungsresultate fliessen direkt in die Prävention und kommen der Allgemeinheit zugute.
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Mobile Deiche – ein Geschenk der Mobiliar an die Region Interlaken – vermochten im Unwettersommer 2021 Schäden zu verhindern, wie beispielsweise in Unterseen. Foto: PD
Das Mobiliar Lab für Naturrisiken an der Universität Bern arbeitet an der Vorhersehbarkeit von Hagel und Hochwasser. Die Forschungsresultate fliessen direkt in die Prävention und kommen der Allgemeinheit zugute.
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5 Min. • • Flavian Cajacob, Sustainable Switzerland Editorial Team
Stürme, Hagel, Trockenheit: Was kommt da bloss auf uns zu? Genau diese Frage stellt sich Luzius Thomi jeden Tag. Er ist Leiter Geoanalyse und Naturrisiken bei der Mobiliar und befasst sich von Berufes wegen mit Wetterextremen. Seine Mission: Das Undenkbare denken, das Unvorhersehbare vorhersehen.
Was wie ein Widerspruch klingt, beruht auf Analysen und Modellierungen. «Wir kennen es alle», führt Thomi aus, «da wird in der Tagesschau über ein Unwetter berichtet und ein Reporter in Gummistiefel befragt Betroffene und die Behörden.» Alle seien sie unisono der Meinung, dass ein solches Ereignis bei ihnen ganz einfach «unvorstellbar» gewesen sei.
Nichtstun ist keine Option
«Unvorstellbar» – dabei würden die Zeichen nicht erst seit gestern auf Veränderung stehen, bemerkt der promovierte Geograf. «Dass der Klimawandel Fakt ist, das müsste inzwischen jeder und jedem klar sein», sagt Thomi. Und dass diese Entwicklung nicht ohne Folgen für Natur und Mensch vonstatten geht, sei ebenfalls nicht mehr als logisch. «Die Luft wird immer wärmer, warme Luft kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen, dementsprechend werden beispielsweise die Starkniederschläge zunehmen, in der Folge kann es zu Überschwemmungen kommen», führt er die Zusammenhänge an einem einfachen Beispiel vor Augen.
Die Mobiliar ist auf breiter Ebene im Bereich der Nachhaltigkeit aktiv. Als genossenschaftlich organisierte Versicherung liegt es in ihrem ureigenen Interesse, dass der Schadensminderung – und damit auch dem Klimaschutz – intern wie auch ausserhalb des eigenen Hauses grosse Bedeutung beigemessen wird. Dazu gehört im Rahmen der unternehmerischen Klimastrategie beispielsweise die Beheizung aller Direktionsstandorte mit Fern- und Erdwärme sowie Biogas. Aber auch die Sensibilisierung von Mitarbeitenden und Partnern für das Thema steht auf der Agenda. Die Strategie ist klar: Auf der einen Seite unterstützt die Mobiliar die Minderung des Klimawandels aktiv, andererseits investiert sie Wissen und Geld, damit Anpassungen an dessen spürbare und kommende Auswirkungen gemacht werden können. Und das mit einem ganzen Bündel an Massnahmen, Projekten und praktischen Hilfestellungen.
Sinnvoller Schulterschluss
So engagiert sich die Mobiliar auch in der Forschung: Seit 2010 finanziert sie an der Universität Bern eine Professur für Klimafolgenforschung in der Schweiz. Daraus hervorgegangen wiederum ist 2013 das gemeinsam mit dem Oeschger-Zentrum für Klimaforschung getragene Mobiliar Lab für Naturrisiken. Dieses untersucht in erster Linie die an Hagel, Hochwasser und Sturm beteiligten Prozesse und die damit einhergehenden Schäden. Angesiedelt ist das Mobiliar Lab an der Schnittstelle von Wissenschaft und Praxis.
Geleitet wird das rund 15-köpfige Lab-Team von Professorin Olivia Romppainen, Professor Andreas Zischg und Luzius Thomi. Letzterer erachtet es als geradezu optimal, dass die Wissenschaft im Bereich der Klimaforschung den Schulterschluss mit einer Versicherung wagt: «Die Wissenschaft beschäftigt sich mit dem, was in Atmosphäre und Himmel abgeht, die Versicherung wird tagtäglich mit dem Resultat davon konfrontiert, den Schäden und den Auswirkungen.» Einfach ausgedrückt gehe es den Lab-Leuten darum, nicht in der Theorie zu verharren, sondern Grundlagen zu liefern für konkrete Lösungen, die der Allgemeinheit zugutekommen. «Wir kneten die Forschungsresultate so lange, bis man sie in der Praxis verwenden kann.»
Die fünf grössten Unwetter in der Schweiz seit 1999 (Schadenaufwand für die Mobiliar in Millionen Franken)
Behörden, Fachleute, aber auch Private können sich bereits heute mit zahlreichen Tools des Mobiliar Lab über Gefahrenpotenziale hinsichtlich Naturrisiken informieren (siehe Box oben). «Mit diesem Angebot und unserer Arbeit wollen wir verlässliche Entscheidungsgrundlagen für die ganze Gesellschaft bieten.» Nichts tun sei dahingehend sicherlich die schlechteste aller Optionen, so Thomi.
Die Komplexität des Hagels
Am Mobiliar Lab werden konkret Modellketten erstellt, die Ereignisse wie Hagel, Starkregen und Überschwemmungen abbilden – eben: das Unvorhersehbare vorhersehen. Die laufend generierten Daten machen Risikogebiete erkennbar und zeigen auf, wo Schutzmassnahmen Sinn ergeben. Ein gutes Beispiel hierfür liefert das von Mobiliar, MeteoSchweiz und dem Mobiliar Lab aufgebaute Hagelmessnetz. Dieses besteht aus 80 Sensoren, die im Jura, dem Napfgebiet und im Südtessin installiert worden sind. Die vollautomatischen Sensoren zeichnen präzise die Aufprallenergie, die Korngrösse und den genauen Zeitpunkt des Hagelschlags auf. In der App von MeteoSchweiz wurde zudem eine Meldefunktion eingebaut, mit der die Bevölkerung Hagelschläge genau erfassen kann. Und diese Möglichkeit wird rege genutzt: Rund 300 000 Meldungen sind bisher eingegangen. Sie fliessen ebenfalls ein in die Modellsimulationen und helfen mit, Schäden inskünftig ganz gezielt zu minimieren und den Hagel besser zu verstehen. «Hagel ist unglaublich komplex», bemerkt Thomi.
Dank der wissenschaftlichen Erhebungen und statistischen Analysen des Mobiliar Lab kann die Vorhersagbarkeit in Bezug auf Hagel, Starkregen und Überschwemmungen letztlich gesteigert werden. Das Unvorhersehbare also wird ein bisschen vorhersehbarer. «Und wenn man weiss, was da auf einen zukommt, ist es auch einfacher, das Verhalten anzupassen und adäquate Schutzmassnahmen zu ergreifen», sagt Luzius Thomi. Versichern sei zwar gut, noch besser sei aber auch in diesem Falle, vorzubeugen.
Plattform für die Praxis mit verschiedenen Tools zu HochwasserrisikenIn ihrer Funktion als grösste Sachversicherung der Schweiz liegt es auf der Hand, dass die Mobiliar Klima und Wetter im Blick behält. So hat sie seit 2006 rund 41 Millionen Franken in Präventionsprojekte von Gemeinden zum Schutz vor Naturgefahren gesteckt.
Im Zuge dessen wurden in der ganzen Schweiz bislang rund 160 Projekte durch eine Anschub- oder Teilfinanzierung unterstützt. Diese haben allesamt ein und dasselbe Ziel: Schäden von Mensch, Mobilien und Immobilien abzuwenden. Zu den mitfinanzierten Massnahmen gehören beispielsweise Lawinen- und Steinschlagverbauungen, aber auch Hochwasserschutz und Renaturierungen von Flüssen. Die Hinweise zu den Projekten kommen jeweils aus einer der 80 regionalen Generalagenturen der Mobiliar.
Wo bauliche Präventionsprojekte nicht möglich sind oder keinen ausreichenden Schutz vor Überschwemmungen bieten, kommen mobile Massnahmen zum Zuge, die im Ereignisfall schnell aufgebaut sind und zusätzlichen Schutz gewährleisten. Seit 2019 hat die Mobiliar zehn hochwassergefährdeten Regionen mobile Deichelemente mit einer jeweiligen Länge von 400 Metern geschenkt. In diesem Jahr erhielten beispielsweise Luzern, Biel, Thun, Kreuzlingen und Porrentruy Container mit flexibel und örtlich ungebunden einsetzbaren Dammelementen.
Die Evaluation der Standorte erfolgte aufgrund einer Risikoanalyse des Mobiliar Labs für Naturrisiken hinsichtlich dem Schadenpotenzial in überschwemmbaren Gebieten. Die Deichsysteme haben sich denn auch bereits bewährt. So etwa im regenreichen Sommer 2021 in den Regionen Interlaken und Zofingen.
Deklaration: Dieser Inhalt wurde vom Sustainable Switzerland Editorial Team im Auftrag von Mobiliar erstellt.
Dieser Artikel behandelt folgende SDGs
Die Sustainable Development Goals (SDGs) sind 17 globale Ziele für nachhaltige Entwicklung, vereinbart von den UN-Mitgliedsstaaten in der Agenda 2030. Sie decken Themen wie Armutsbekämpfung, Ernährungssicherheit, Gesundheit, Bildung, Geschlechtergleichheit, sauberes Wasser, erneuerbare Energie, nachhaltiges Wirtschaftswachstum, Infrastruktur, Klimaschutz und den Schutz der Ozeane und der Biodiversität ab.
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