Gletscher schmelzen, Permafrost taut auf, ganze Hänge geraten ins Rutschen, Ökosysteme verschwinden. Es ist nicht mehr zu übersehen: Unter den Folgen des Klimawandels hat der Alpenraum besonders zu leiden. Nachhaltiges Umsteuern wird damit immer dringlicher. «Wenn wir nichts ändern, können wir den Klimawandel nicht abbremsen», betont Markus Balmer, Experte für Solarlösungen bei der BKW. Es geht ums grosse Ganze: die Nutzung fossiler Energie – vor allem Kohle und Gas – schnellstmöglich herunterfahren und dafür den Anteil CO₂-neutraler Energien, gewonnen aus Solaranlagen, Wasser- und Windkraft, deutlich erhöhen.
«Es ist wichtig, dass wir besonders in den Wintermonaten mehr klimafreundliche, einheimische Energie produzieren », sagt Balmer, Head of Solar Development & Energy Solutions Schweiz bei der BKW. Und warum sind dafür Photovoltaikanlagen ausgerechnet in den Alpen erforderlich? «Ganz einfach: Sie erzeugen im Winterhalbjahr oberhalb der Nebelgrenze rund dreimal mehr Strom als solche im Flachland.» Photovoltaikanlagen auch in höheren Lagen stellen damit ein probates Mittel dar, um die Energiestrategie des Bundes zu erfüllen und die ambitionierten Klimaziele zu erreichen.
Wachsender Strombedarf
Die Herausforderung ist allerdings gewaltig. Denn mit der zunehmenden Elektrifizierung durch Elektromobilität, Wärmepumpen und neue Technologien wird der Strombedarf in der Schweiz weiter zunehmen. Im Sommer lässt sich der Bedarf zwar dank Wasserkraft und dem Ausbau erneuerbarer Energiequellen im Mittelland decken. Es gibt sogar einen Überschuss. Doch im Winterhalbjahr sei die Schweiz auf Stromimporte angewiesen, so Balmer. Die eingekauften Energiemengen stammten oft aus fossilen Quellen, sind also überwiegend klimaschädlich und dazu teurer.
Trotz dieser Ausgangslage stossen Pläne, grossflächige Photovoltaikanlagen in den Bergen zu installieren, häufig auf Widerstand, vor allem natürlich in den betroffenen Gemeinden. Auch Tourismusorganisationen und Umweltverbände fürchten den Eingriff in die Natur, warnen vor Schäden an Flora und Fauna. Und wie denkt die breite Bevölkerung darüber? Laut einer von der BKW in Auftrag gegebenen Studie zum alpinen Lebensraum befürworten heute fast drei Viertel der Befragten (73 Prozent) erneuerbare Energieprojekte in den Bergen. Beinahe zwei Drittel unterstützen zudem den Zubau von alpinen Solaranlagen. Zugleich möchten allerdings auch 93 Prozent der Befragten, dass die Natur- und Schutzräume in den Alpen möglichst umfassend erhalten bleiben, und 63 Prozent wollen, dass beim Bau von Energieanlagen die Eingriffe in die Natur minimiert werden. Markus Balmer und sein Team nehmen solche Bedenken ernst – und haben im Zuge ihrer Pionierarbeit eine inzwischen patentierte Standardlösung entwickelt, die den unterschiedlichen Interessen gerecht werden soll: hier die Sorge um schützenswerte Naturlandschaften, dort der steigende Bedarf an einer stabilen, CO₂-neutralen Energieversorgung. Die innovativen Photovoltaikanlagen der BKW bestehen aus 60 Quadratmeter grossen Solartischen, die jeweils auf nur sechs Stützen stehen und – ein weiterer Clou – mit einem speziellen Klappmechanismus ausgestattet sind. Dieser stellt sicher, dass die Anlagen einen schneereichen Jahrhundertwinter in den Bergen unbeschadet überstehen. «Bei zu hohem Schneedruck klappt die untere Reihe der Solarpanele hoch und entlastet so die Struktur. Zudem erlauben die weiten Stützenabstände von bis zu 7,5 Metern und die grosszügigen Reihenabstände, dass Nutz- und Wildtiere innerhalb der Solaranlage gut zirkulieren können und dort auch Gras gedeihen kann», erläutert Balmer. Die grossen Tische mit wenigen Stützen tragen nach seinen Angaben dazu bei, die Baukosten zu mindern, ausserdem werden so die Eingriffe in die sensiblen Böden der Alpweiden reduziert.
Im Rahmen ihrer Energiestrategie «Solarexpress» verfolgt die BKW derzeit drei grössere Sonnenkraftprojekte in der Schweiz. Am Standort «Schattenhalb Tschingel Ost» im Berner Oberland baute das Unternehmen bereits eine Testanlage. Das Pilotprojekt wurde im August an einem steilen Sonnenhang in den Bergen fertiggestellt. Die modulare Bauweise ermöglichte eine schnelle und umweltschonende Montage, wie Balmer erläutert. Vorausgesetzt, das Projekt erhält in den nächsten Monaten eine Baubewilligung, werden hier auf einer Fläche von 9 Hektaren insgesamt 20 000 Module installiert. Sie sollen rund 14 Gigawattstunden Strom pro Jahr liefern.