Unsere Erkenntnisse stellen mindestens zwei verbreitete Annahmen in Frage, die in den Debatten zu den beiden Abstimmungen über das CO2-Gesetz (2021) und das Klimaschutz- und Innovationsgesetz (2023) prominent vertreten wurden.
Kein Stadt-Land-Graben und Autofahren für alle
Erstens wird die stärkere Skepsis der ländlichen Bevölkerung gegenüber den beiden Klima-Vorlagen oft als Ausdruck eines fundamentalen klimapolitischen Stadt-Land-Grabens gedeutet. Ich halte diese Annahme für fraglich.
Denn die für den Klimaschutz nötigen Verhaltensänderungen sind durchs Band in allen Regionen der Schweiz erheblich. Unsere Daten zeigen zum Beispiel, dass, im Gegensatz zum gängigen Stereotyp, die städtische Bevölkerung nicht weniger wie oft angenommen, sondern sogar etwas mehr CO2 verursacht als die Landbevölkerung: Städter fahren zwar mehr Velo und weniger Auto, sie fliegen aber mehr, während Menschen auf dem Land zwar mehr Auto fahren, aber weniger fliegen.
Der Wohnort als solches hat also kaum einen Einfluss auf den CO2-Fussabdruck und die Kostenfolgen der Klimapolitik. Die teilweise stärkere Opposition auf dem Land beruht meiner Ansicht nach eher auf ideologisch verzerrten Wahrnehmungen der Klimaschutzkosten und nicht darauf, dass die Landbevölkerung weniger umweltfreundlich denkt und handelt (siehe dazu auch diesen Blogbeitrag).
Zweitens heisst es oft, dass Klimapolitik ärmeren Leuten mehr schadet. Das suggerierte auch die gegnerische Plakatkampagne «Autofahren nur für Reiche?» beim Referendum von 2021. Diese Annahme passt nur schwerlich zu unserem Befund, dass Leute mit hohen Einkommen einen viel grösseren CO2-Fussabdruck aufweisen und damit auch viel stärker von der Klimapolitik betroffen sind.