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Grosse Visionen brauchen grosszügiges Denken

[Ion Karagounis](http://www.karagounis.ch/) ist Präsident von [Go for Impact](https://www.go-for-impact.ch/) und beim [WWF Schweiz](https://www.wwf.ch/) verantwortlich für neue Wirtschaftsmodelle und Zukunftsfragen. Zudem schreibt er regelmässig zu Umwelt- und Reisethemen. Bild: PD

Wirtschaft

Grosse Visionen brauchen grosszügiges Denken

Wie isst man einen Elefanten? Stück für Stück. Oder anders gesagt: Wer vor einer anspruchsvollen Aufgabe steht und den Weg bis zum Ende noch nicht überblickt, der beginnt mit einem ersten Schritt und lässt weitere folgen. Das ist pragmatisch gedacht und führt in vielen Fällen zum Erfolg.

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Grosse Visionen brauchen grosszügiges Denken

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Doch dieses Vorgehen kann uns auch im Wege stehen. Vor allem dann, wenn es um die grossen Herausforderungen der Zukunft geht und um Konzepte, die zur Lösung beitragen sollen. Ich denke dabei an die Sustainable Development Goals SDG der Vereinten Nationen, an den Green Deal der EU oder an die Nature Positive Economy, einem neuen Ansatz, den unter anderen das World Economic Forum (WEF) propagiert. Das alles sind visionäre Konzepte, die Grosses im Sinn haben und um die die Schweizer Politik gerne einen grossen Bogen macht.

Statt grosszügig zu denken, zerstückeln wir diese Visionen in kleine, zwar handliche, aber letztlich wenig inspirierende Häppchen, die wir dann lustlos abarbeiten. So geschieht es zurzeit gerade mit den SDG, zu denen die Schweiz kürzlich ihren Zwischenbericht vorgelegt hat. Feuer für die Sache kommt darin keines auf. Die Ausrede für unser Handeln haben wir schnell zur Hand: Schweizer Politik ist so, das ist unserem System und den demokratischen Prozessen geschuldet.

Natürlich, Politik ist die Kunst des Machbaren

Aber manchmal täte es uns gut, mehr als nur gerade das Unvermeidliche zu tun und im Übrigen auf den Swiss Finish und den autonomen Nachvollzug zu setzen. Behalten wir das Ganze im Blick, tun sich unvermittelt neue Wege auf. Es zeigen sich Synergien, wo wir vorher nur Widersprüche wahrgenommen haben, und im Idealfall finden wir Lösungen, die mehreren Zielen gleichzeitig dienen.

In der Herbstsession der eidgenössischen Räte, die soeben zu Ende geht, boten sich gleich mehrere Gelegenheiten dazu. Die Änderungen der Bundesgesetze zur Energie EnG und zur Stromversorgung StromVG standen auf dem Programm, ebenso verschiedene Geschäfte rund um die Gletscher- und der Biodiversitätsinitiativen und ihre Gegenvorschläge.

Eindeutig Synergien bringt der beschleunigte Ausbau der Sonnenenergienutzung, insbesondere auf bestehenden Gebäuden und Infrastrukturen, und die Verbesserung der Energieeffizienz, wie sie das EnG und StromVG vorsehen. Beides erhöht die Versorgungssicherheit, die aktuell im politischen Fokus steht, und beides steht zuoberst auf der Wunschliste des Umweltschutzes. Da gibt es kaum stichhaltige Gründe, die dagegensprechen.

Doch nicht immer gibt es Win-Win-Lösungen, da sollten wir nicht blauäugig sein. Es braucht immer wieder eine Ausmarchung zwischen den Interessen der Umwelt, den sozialen Ansprüchen und der Wirtschaft. Auch dabei helfen Konzepte wie die SDG. Diese geben in erster Linie Ziele vor, siebzehn insgesamt. Darüber hinaus sagen sie, und das ist in diesem Zusammenhang besonders wichtig: Ein spezifisches Ziel darf nicht auf Kosten eines anderen verfolgt werden. Daran müssen wir uns messen, wenn wir über unsere zukünftige Energieversorgung sprechen.

Den Schutz der Biotope von nationaler Bedeutung zu schmälern, wie es in der Herbstsession vom Ständerat beschlossen wurde, widerspricht dem Geist der SDG. Diese Herzstücke der Schweizer Biodiversität machen nur gerade zwei Prozent unserer Landesfläche aus. Der kurzfristige Nutzen, den wir aus der Lockerung des Schutzes zögen, stände in keinem Verhältnis zum langfristigen und irreparablen Schaden, den wir damit anrichteten. Nun liegt es am Nationalrat, den Entscheid des Ständerats zu korrigieren.

Wer Visionen hat, braucht einen Arzt

Dieses Sprichwort wird wahlweise dem früheren Spitzenpolitiker Franz Vranitzky respektive Helmut Schmidt zugeordnet. Was in der Politik verpönt ist, stösst interessanterweise im Geschäftsleben auf fruchtbaren Boden. Apple-Computer oder Tesla-Fahrzeuge wären nie zu dem geworden, was sie heute sind, wenn nicht visionäre Menschen wie Steve Jobs oder Elon Musk dahintergestanden hätten, bewundert von Millionen von Menschen.

Mit den SDG will die Weltgemeinschaft die Welt zu nichts anderem als zu einem lebenswerten Ort für alle Menschen machen. Das ist doch eine überzeugende und inspirierende Vision, für die es sich zu kämpfen lohnt – im Alltag und in der Politik.

Ion Karagounis ist Präsident von Go for Impact und beim WWF Schweiz verantwortlich für neue Wirtschaftsmodelle und Zukunftsfragen. Zudem schreibt er regelmässig zu Umwelt- und Reisethemen.

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